Rainbow Washing: Unterstütze die queere Community – aber richtig

Zwei Hände bilden ein Herz vor Regenbogenfahnen.

Im Juni ist weltweit Pride Month. Viele Firmen schwimmen auf der Welle der Regenbogenflaggen mit – was grundsätzlich gut ist: Aufmerksamkeit schaffen, Bewusstsein fördern und Diskussionen anstoßen sind wichtige Schritte. Aber der Grat zwischen echter Überzeugung und dem Ausnutzen eines Trends für Marketingzwecke ist schmal – und schnell steht man in der Kritik. In diesem Beitrag verraten wir, wie du dem Thema die Aufmerksamkeit schenkst, die es verdient, ohne dabei ins Fettnäpfchen zu treten.

Wie ist Pride entstanden?

Vor gar nicht allzu langer Zeit war es für queere Menschen, wie homosexuelle und trans Personen, fast unmöglich, offen zu leben. Allein das „Dasein“ konnte als „Unanständigkeit“ gewertet und strafrechtlich verfolgt werden. Polizeirazzien auf der Straße und in queeren Bars waren keine Seltenheit – auch nicht in Metropolen.

Im Juni 1969 stürmte die Polizei das Stonewall Inn – eine Bar in Manhattan, New York – mit dem Ziel, möglichst viele Menschen festzunehmen. Laut Berichten war es eine trans Frau, Sylvia Rivera, die genug von den Übergriffen hatte. Sie warf eine Flasche auf einen Polizisten – das war der Startschuss für den sogenannten Stonewall-Aufstand. Aus diesem Widerstand entwickelte sich eine politische Bewegung, die sich für die Rechte von queeren Menschen einsetzt. Der Stonewall-Aufstand gilt als symbolischer Geburtsmoment von Pride – und erklärt, warum die Paraden im Juni stattfinden.

Warum es nicht mehr nur Gay Pride heißt

Ab dem 1. Juni wird die Welt – online wie offline – bunt. Überall prangen Regenbogenfarben. Klar: Juni ist der Monat der weltweiten Pride-Paraden.

Aber: Die Veranstaltung richtet sich nicht nur an homosexuelle Menschen. Pride ist für alle da, die Teil des LGBTQ+ Spektrums sind (also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Personen, non-binäre Menschen usw.). Deshalb spricht man nicht mehr nur von "Gay Pride", sondern schlicht von "Pride" – denn auch heterosexuelle Menschen, die sich nicht mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren, gehören dazu.

Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität – was ist was?

Zwei Begriffe, die viele noch durcheinanderwerfen – hier kurz erklärt:

🌈 Die sexuelle Orientierung beschreibt, zu wem du dich emotional, romantisch oder körperlich hingezogen fühlst.

🏳️‍🌈 Die Geschlechtsidentität beschreibt, welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst. Hier gibt’s oft Verwirrung: Die WHO unterscheidet zwischen den englischen Begriffen "sex" (biologisches Geschlecht) und "gender" (sozial geprägtes Geschlecht). Fühlst du dich mit deinem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht wohl, bist du cisgender oder kurz cis. Wenn nicht, kannst du zum Beispiel trans oder non-binär sein.

Die Geschlechtsidentität hat nicht zwangsläufig mit deiner sexuellen Orientierung zu tun – deshalb ist „Pride“ nicht gleich „Gay Pride“.

Warum brauchen wir Pride immer noch?

Zuerst das Wichtigste: Ja, Pride ist nach wie vor notwendig. Denn Pride bedeutet nicht nur, an den Stonewall-Aufstand zu erinnern, sondern auch:

  • Vielfalt sichtbar machen, akzeptieren und normalisieren – ob geschlechtlich oder sexuell
  • heterosexuelle und cisgeschlechtliche Menschen sensibilisieren
  • auf Probleme und Diskriminierung aufmerksam machen, die queere Menschen täglich erleben
  • Fortschritte feiern
  • weiter für Rechte kämpfen, die immer noch keine Selbstverständlichkeit sind
  • an Menschen erinnern, die für diese Rechte gekämpft haben – auch, weil in Teilen Europas gerade wieder Rückschritte passieren

Außerdem: In vielen Ländern ist Homosexualität nach wie vor ein Verbrechen. Selbst dort, wo sie legal ist, kann ein öffentliches Coming-out die gesellschaftliche Position gefährden.

👉 Unten findest du eine Karte von April 2024, die zeigt, in welchen Ländern einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafe stehen. Wenn du die Karte nicht gut erkennen kannst, klicke einfach auf das Bild und sie öffnet sich in einem neuen Tab. 

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Quelle: ILGA World Maps

✍️ „Empathie bedeutet, mit den Augen des anderen zu sehen, mit den Ohren des anderen zu hören und mit dem Herzen des anderen zu fühlen."

Alfred Adler (1870-1937), Begründer der Individualpsychologie

Empathie ist nicht leicht – vor allem, wenn du selbst keine Diskriminierung erfahren hast. Es ist einfach, etwas nicht zu glauben, wenn du es selbst nicht erlebst.

👉 Willst du wissen, wie privilegiert du bist? Dann mach diesen Test von BuzzFeed (Englisch).

Marketing

LinkedIn und Co. sind im Juni übersät mit Logos in Regenbogenfarben. Das ist nicht grundsätzlich falsch – im Gegenteil: Es ist gut, Haltung zu zeigen und Reichweite für wichtige Themen zu nutzen. Aber: Vorsicht vor Rainbow Washing!

🌈 Rainbow Washing (auch „Pink Washing" genannt) ist ein Begriff, der – wie beim Green Washing – beschreibt, dass sich Unternehmen nur scheinbar für LGBTQ+ einsetzen. Meist steckt dahinter eher das Interesse an höheren Umsätzen als echtes Engagement.

Gerade bei wichtigen Themen müssen Worte, Absicht und Handeln zusammenpassen. Vor allem jüngere Zielgruppen (Stichwort Gen Z) lassen sich nicht leicht täuschen.

Was sollte dein Unternehmen tun?

Regel Nummer 1: Nutze den Pride Month nicht als reines Marketinginstrument.

Wenn dir das Thema aber wirklich am Herzen liegt, dann sei konsequent – zum Beispiel so:

  • Gib queeren Mitarbeitenden Raum, ihre Erfahrungen zu teilen
  • Entwickle einen klaren Verhaltenskodex gegen Diskriminierung
  • Fördere Respekt gegenüber Unterschieden – egal ob sexueller Orientierung, Geschlecht, Ethnie usw.
  • Spende Einnahmen aus LGBTQ+-freundlichen Produkten an passende Organisationen
  • Binde queere Personen in deine Kampagnen ein
  • Setze dich aktiv gegen Diskriminierung ein – auch gegen Mikroaggressionen
  • Beende Kooperationen mit queerfeindlichen Unternehmen
  • Zeig, dass dir das Thema das ganze Jahr über wichtig ist – nicht nur im Juni

Wie bei Black Lives Matter gilt auch hier: Du musst nicht selbst queer sein, um dich für gleiche Rechte einzusetzen.

Übrigens: Manche erweitern das Kürzel LGBTQ+ um ein „A“ – für „asexuell" oder „agender". Aber es steht auch für etwas anderes: Ally – Verbündete*r.

Ein*e Ally ist jemand, der cis und hetero ist, aber die LGBTQ+ Bewegung aktiv unterstützt.

Beispiele für positives Pride-Marketing

Hier ein paar Marken, die mit gutem Beispiel vorangehen:

Lego

Lego kämpft seit Jahren gegen Gender-Stereotype. Die Lego Group kooperiert mit verschiedenen LGBTQ+ Organisationen und fördert intern aktiv eine inklusive Unternehmenskultur – diese beinhaltet von den Mitarbeitenden selbst entwickelte Inklusionsstrategien.

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Quelle: Lego.com

IKEA

Zum IDAHOBIT 2021 (Internationaler Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie) veröffentlichte IKEA die Kampagne „Let’s build a world where everyone can feel at home" – mit einem Karussell, das Stimmen diskriminierter Personen sichtbar machte.

Das war kein Einzelfall: Die schwedische Marke zeigt seit Jahren queere Werbung – nicht nur für den Markenauftritt, sondern weil Inklusion fest zur Unternehmens-DNA gehört.

IKEA hat:

  • einen globalen Inklusionsplan
  • an den UN-Standards gegen Diskriminierung mitgearbeitet
  • Mitgliedschaften bei Stonewall und der Workplace Pride Foundation

Disney

Disney+ zeigt im Pride Month die Doku-Serie „Pride" zur Geschichte der LGBTQ+ Bewegung in den USA von den 1950ern bis 2000.

Zudem ist Disney Mitglied bei Organisationen wie GLSEN, dem Trevor Project und der Human Rights Campaign.

Aber: Der Konzern ist nicht unumstritten. Disney wurde mehrfach des Queerbaitings beschuldigt – also der Andeutung queerer Charaktere, ohne sie klar zu zeigen oder zu benennen.

Außerdem gab es Kritik im Zusammenhang mit dem „Don’t Say Gay“-Gesetz in Florida, dem Heimatstaat von Disney World. Viele warfen dem Konzern vor, seinen Einfluss nicht genutzt zu haben, um das Gesetz zu verhindern.

Starbucks

Schon vor den 1990ern – also vor dem Mainstream-Hype – setzte sich Starbucks aktiv für Inklusion ein. 1988 bot das Unternehmen Gesundheitsleistungen für queere Mitarbeitende an. 1996 gründete es das Starbucks Pride Partner Network, das weltweit aktiv ist.

Fazit

Wir haben hier bekannte Marken genannt – aber auch du kannst etwas tun. Das bedeutet nicht, dass du gleich zur Vollzeit-Aktivist*in werden musst. Fang bei dir an. Erkenne, dass du als cis oder hetero Mensch gewisse Privilegien genießt – einfach, weil du nicht wegen deiner Identität diskriminiert wirst.

Schaffe ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen sich sicher fühlen und sie selbst sein können.

Färbe dein Logo nicht in Regenbogenfarben, wenn du nicht wirklich hinter dem Thema stehst. Wenn du nichts zur Inklusion beitragen oder keine queeren Organisationen unterstützen willst – dann lass es lieber.

Denn: Es gibt elf weitere Monate im Jahr – nicht nur den Juni.

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Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Übersetzung. Die Originalversion ist in unserem italienischen Blog erschienen. 

08.05.25
Alessandra Cois

Alessandra Cois

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