EU-Umsatzsteuer: Was ändert sich ab Juli? | E‑Commerce kompakt #11

Das rasante Wachstum des E-Commerce hat die geplante Überarbeitung des EU-Mehrwertsteuersystems vorgesehenen Änderungen anscheinend beschleunigt. In der 11. Ausgabe E-Commerce kompakt erfahren Sie, was die Europäische Kommission genau für weitreichende Reform des EU-Mehrwertsteuersystems vorschlägt.

(Hinweis: Dieser Text stellt keine Rechtsberatung dar.)

Nach Angaben der Europäischen Kommission entgehen den EU-Mitgliedsstaaten weiterhin jedes Jahr fast 150 Milliarden € an Mehrwertsteuereinnahmen. Von dieser Summe landen schätzungsweise 50 Milliarden  in den Händen von Kriminellen, Betrügern und wahrscheinlich sogar Terroristen, erklärt Pierre Moscovici, Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll.

Aus diesem Grund und aufgrund des rasanten Wachstums des elektronischen Handels, der durch Covid-19 befeuert wurde, hat die Europäische Kommission beschlossen, die Umsetzung von Änderungen des EU-Mehrwertsteuersystems zu beschleunigen.

Ziel dieser Reform ist es, Steuerausfälle zu verhindern und den grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug deutlich zu reduzieren, damit europäische und außereuropäische Unternehmen unter gleichen Bedingungen konkurrieren können.

Ab wann sollen die Änderungen umgesetzt werden?

Angesicht der praktischen Schwierigkeiten, welche durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie ausgelöst wurden, ist die Anwendung der neuen mehrwertsteuerlichen Regelungen für den elektronischen Handel um 6 Monate verschoben worden. Die Maßnahmen gelten daher ab 1. Juli 2021 statt 1. Januar 2021 und gewähren Mitgliedstaaten und Unternehmern zusätzliche Vorbereitungszeit. (Quelle)

Die MwSt.-Richtlinie enthält die folgenden Reformänderungen:

  • Abschaffung der Schwellenwerte für Fernverkäufe

  • Ende der Mehrwertsteuerbefreiung für Importe von geringwertigen Sendungen

  • Umsatzsteuerpflicht auf Marktplätzen für Fernverkäufe von aus Drittländer importierten Waren.

Um die Bedeutung dieser Änderungen besser zu verstehen, ist es wichtig, dass wir zunächst einen Blick auf die aktuelle Situation werfen.

Aktuelle Umsatzsteuer-Situation im E-Commerce

Wenn der Jahresumsatz eines E-Commerce-Shops mit ausländischen Kund*innen einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, muss sich der Online-Shop derzeit bei der Steuerbehörde des Landes, in das er die Produkte liefert, registrieren und die Steuer, die in dem jeweiligen Land fällig wird, begleichen.

Überschreitet der Online-Shop diesen bestimmten Schwellenwert nicht, wird nur die Mehrwertsteuer des Ursprungslandes (d.h. die Mehrwertsteuer des Landes, in dem der Online-Shop registriert ist) auf den Umsatz mit ausländischen Kunden erhoben.

An einem Beispiel:

Stellen Sie sich vor, Sie führen einen Online-Shop mit einer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Aber Sie verkaufen Ihre Produkte auch an spanische Kund*innen und der jeweilige Jahresumsatz übersteigt 100.000 € (nehmen wir an, dies ist der in Spanien festgelegte Schwellenwert). In diesem Fall sind Sie verpflichtet, sich in Spanien steuerlich registrieren zu lassen, mit dem dort geltenden Mehrwertsteuersatz zu rechnen und die Mehrwertsteuerabrechnung in diesem Land vorzunehmen.

Wenn Ihr Umsatz jedoch nicht 100.000 € erreicht oder überschreitet, müssen Sie sich in Spanien nicht steuerlich registrieren lassen und können weiterhin mit dem Mehrwertsteuersatz Ihres Landes (z.B. 19 % in Deutschland) rechnen.

Hinweis: Die Bedingungen für die Mehrwertsteuer werden in jedem Land unabhängig voneinander festgelegt und jedes Land legt einen anderen Schwellenwert fest!

Die neue „Mehrwertsteuer“ im E-Commerce

Die von der Europäischen Kommission festgelegten Reformen zielen darauf ab, die Praktiken im Bereich der Besteuerung des E-Commerce zu verbessern. Dies könnte für einige Online-Shops jedoch eine Herausforderung darstellen.

Wir empfehlen daher, die Dienste eines Steuerberaters in Anspruch zu nehmen, um die Aufgaben zu erleichtern und Fehlern vorzubeugen.

Die wichtigsten Änderungen, die die Reform des Mehrwertsteuersystems umfassen und für den elektronischen Handel relevant sind, sind folgende:

1. Abschaffung der Schwellenwerte im Fernabsatz

Ab dem 1. Juli 2021 müssen alle Online-Händler*innen, die den Schwellenwert von 10.000 € Jahresumsatz an Kund*innen in anderen Mitgliedstaaten überschreitet, mit dem Mehrwertsteuersatz des jeweiligen Landes rechnen.

Mit dieser neuen Reform werden also die nationalen Schwellenwerte abgeschafft, so dass es einen einzigen Schwellenwert für alle Mitgliedstaaten gibt.

Die gute Nachricht ist, dass durch den Mini-One-Stop-Shop, ein Webportal, über das die Mehrwertsteuer elektronisch erklärt und bezahlt wird, eine steuerliche Registrierung in einem anderen Staat nicht notwendig ist. Das macht es für Online-Händler*innen einfacher, die Gesetzgebung einzuhalten.

Dieses System wird für die Abführung der erhobenen Steuern an das jeweilige EU-Land verantwortlich sein. Dazu müssen sich die Unternehmen in diesem System jedoch registrieren und die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze für ihre Produkte in den anderen Staaten kennen, da diese in den Rechnungen ausgewiesen werden müssen.

2. Ende der Mehrwertsteuerbefreiung für den Import von Warensendungen mit geringem Wert

Wie oben erwähnt, sind derzeit alle Importe mit einem Wert von weniger als 22 € von der Umsatzsteuer befreit. Mit den neuen Regelungen wird jedoch jede Einfuhr aus einem Land außerhalb der Europäischen Union (einem Drittland) unabhängig vom Wert der Einfuhr im Bestimmungsmitgliedstaat der Mehrwertsteuer unterliegen.

Kurze Erklärung:

Stellen Sie sich vor, ein spanischer Online-Shop möchte einen Import mit einem Wert von weniger als 22 € von Mexiko nach Spanien tätigen. In diesem Fall muss der Online-Shop die Kosten für die Mehrwertsteuer von Spanien als Mitgliedstaat und als Bestimmungsland tragen.

Was die Zölle betrifft, so ist der Online-Shop des Mitgliedstaates von Zöllen befreit, wenn der Umsatz weniger als 150 € beträgt. Übersteigt der Umsatz jedoch 150 €, muss der Online-Shop des Mitgliedstaates (Bestimmungsland) eine vollständige Zollerklärung abgeben und die entsprechenden Kosten tragen.

3. Umsatzsteuerpflicht auf Marktplätzen für Fernverkäufe von aus Drittländern importierten Waren

Marktplätze wie Amazon oder Ebay werden für Mehrwertsteuerzwecke ebenfalls als Verkäufer betrachtet, so dass sie für die Handhabung der Mehrwertsteuer verantwortlich sind, wenn das Unternehmen, das ihre Dienste nutzt, nicht in der Europäischen Union ansässig ist und Waren in die EU exportiert.

Beispiel:

Wenn ein Online-Shop aus Mexiko auf Amazon Spanien (Amazon.es) betrieben wird, obwohl Amazon.es in diesem Fall nur ein Vermittler ist, gilt er nach dem neuen Gesetz für Umsatzsteuerzwecke als „Verkäufer*in“ und muss daher die umsatzsteuerliche Verwaltung des Shops übernehmen.

Amazon.es übernimmt daher die Mehrwertsteuerverwaltung des mexikanischen Online-Shops für die auf seinem Marktplatz getätigten Transaktionen.

Kurz gesagt: Marktplätze werden für die Mehrwertsteuerverwaltung von Drittländern verantwortlich sein, die ihre Produkte in EU-Mitgliedstaaten verkaufen.

Fazit

Die Einführung eines einheitlichen europäischen Mehrwertsteuersystems, das einfacher ist und den Steuerbetrug eindämmt, ist seit langem eines der Hauptziele der Europäischen Kommission. Die Notwendigkeit der Umsetzung ist in den letzten Monaten auf Grund des E-Commerce-Booms noch gestiegen.

Ab Juli dieses Jahres werden die neuen Regeln in Kraft treten, mit dem Ziel, die Verfahren zu zentralisieren und die Besteuerung durch klare Regeln für alle Mitgliedsstaaten zu optimieren. Das neue Mehrwertsteuersystem wird den europäischen Unternehmen helfen, die Vorteile des Binnenmarktes voll auszuschöpfen und auf den globalen Märkten zu konkurrieren.

Tipp: Für eine detaillierte Analyse der neuen Regelungen zur Mehrwertsteuer in der EU empfehlen wir Ihnen den Artikel von Rechtsanwalt Dr. Carsten Föhlisch.

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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst auf unserem spanischen Blog unter dem Titel IVA en eCommerce: ¿Qué cambiará a partir de julio? erschienen.

19.03.21
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