Airpaq: Mit Airbags zu nachhaltigen Rucksäcken

Das Kölner Startup Airpaq verkauft Rucksäcke und Taschen aus Airbags von verschrotteten Autos. Mitbegründer Adrian Goosses erklärt im Interview mit Trusted Shops, wie es zu der Idee gekommen ist und wie Nachhaltigkeit als erfolgreiches Geschäftsmodell funktioniert.

Airpaq: Mit Airbags zu nachhaltigen Rucksäcken

Nachhaltigkeit ist aktuell angesagt. Habt ihr mit eurer Geschäftsidee die Zeichen der Zeit erkannt oder ist das Zufall?

Es ist nicht so, dass wir uns gefragt haben, was gerade im Trend liegt, sondern es war so, dass uns die Idee einfach nahelag. Wir wollten gerne etwas Nachhaltiges machen, wir wollten etwas recyclen oder upcyclen. Dann sind wir zum Schrottplatz gegangen und haben geguckt, was es so an Schrott eigentlich gibt, da haben wir den Airbag entdeckt und losgelegt.

 Wie ist aus einer originellen Produktidee ein Online-Shop entstanden?

Wir haben angefangen mit einer Crowd-Funding-Kampagne bei Kickstarter. Nach der Kampagne war klar, Mensch, es hat funktioniert, die Leute springen auf das Material an. Dann ist natürlich die Frage, wie kriege ich online vermittelt, was ich mache, daher haben wir sehr viel mit Bildmaterial und Videomaterial gearbeitet, um unsere Story gut zu erzählen.

Plötzlich hatten wir auf einen Schlag 600 Rucksäcke ausgeliefert durch die Crowd-Funding-Kampagne. Dann hatten wir draußen schon mal ganz viele Produkte rumlaufen. Das spricht sich rum und wir bekamen ganz viel organischen Traffic. So ging das letztlich los mit dem Online-Shop.

Nachhaltige Produkte sind teurer als konventionelle. Wie erklärt ihr euren Kundinnen und Kunden den Preis?

Wir bekommen öfter mal zu hören: „Das ist doch alles Abfall, wieso ist das teuer?“ Zunächst einmal muss man selbst für Abfall was zahlen, ein Schrotthändler verdient Geld, weil er Schrott verkauft. Dann ist die Aufarbeitung der Airbags viel komplizierter als bei einem Stoff von der Rolle. Einen Stoff von der Rolle lege ich 40 Mal übereinander und nehme eine hypereffiziente Laser-Schnittmaschine, die da in industrieller Manier drüber geht. Bei uns gibt es eine Person, die den Airbag aufschneidet und sich dann anguckt, für welches Produkt das Material sich eignet. Das ist ein ganz anderer Prozess, der irgendwie bezahlt werden muss. Das muss man kommunizieren.

Was ganz klar ist: Wir wollen ernsthaft nachhaltig produzieren und nachhaltige Produkte machen. Unser Anspruch ist außerdem, die auch fair zu produzieren, das geht für mich Hand in Hand. Wenn ich ein nachhaltiges Produkt mache, muss ich auch dafür sorgen, dass die Leute, die das produzieren, zumindest die finanziellen Mittel haben, um auch selbst einen halbwegs nachhaltigen Lebensstil zu führen. Das führt natürlich dazu, dass das Produkt teurer ist.

Es gibt Leute, die den Weg geebnet haben, es gibt ja mittlerweile zahlreiche Bio-Läden, wo die Milch halt das dreifache kostet, und genauso ist es mit Rucksäcken und Mode, es hat seine Berechtigung, weil es ein ganz anderer Prozess ist.

Wie versucht ihr als Unternehmen, nachhaltig zu wirtschaften?

Der nachhaltigste Aspekt ist das Material, was wir nehmen. Wir kaufen Material, was eigentlich im Müll landet. Das sind die Airbags, die Sicherheitsgurte und die Gurtschlösser. Das ist ganz klar der Hauptaspekt.

Im Büro ist unsere halbe Einrichtung aus alten Sachen und Mülltrennung machen wir sowieso. Außerdem haben wir einen grünen Stromanbieter.

Wir sehen das Konzept ganzheitlich. Unser Produzent sitzt in Rumänien, da fällt der Müll von den Airbags an. Das heißt, wir karren die Airbags nicht um die halbe Welt, sondern produzieren direkt da, wo der Müll anfällt.

Normalerweise findet Textilproduktion in Südostasien statt, Rumänien ist im Vergleich dazu wahnsinnig nah am Absatzmarkt. Ich muss keine Containerschiffe um den halben Planeten schicken, um meine Ware zu bekommen, sondern das sind vielleicht 1.000 Kilometer, das ist relativ wenig. Das Produkt letztendlich beim Konsumenten abzuliefern, hat einen sehr geringen ökologischen Fußabdruck.

Es gibt Klimaaktivisten, die den Standpunkt vertreten, Konsum und Wachstum seien generell nicht nachhaltig, es sei besser, alte Sachen so lange es geht zu verwenden. Kann man Konsum und Nachhaltigkeit wirklich vereinbaren?

Ich bin kein Fan von Extremen. Wenn alle Leute so denken würden, wäre das sicherlich goldrichtig, dann würde das Klimaproblem gelöst sein, aber die Realität sieht halt anders aus. Ich finde es wichtig, dass man realistische Ansätze hat.

Wenn man sich komplett dem Idealismus verschreibt, dann gibt es einige, die dabei mitmachen, aber was machen die anderen? Die ganzen anderen tragen zur Umweltverschmutzung bei. Wenn man eine Lösung findet, die bei der Allgemeinheit gut ankommt, funktioniert es wahrscheinlich. Im Großen und Ganzen kann man dann sogar einen größeren Effekt erzielen.

In unserem Fall ist es so, dass die Materialien sowieso existieren. Wenn ich sie nicht zu einem Rucksack verarbeite, landen sie auf dem Schrott. Also reduziere ich mit der Weiterverarbeitung Müll und mache gleichzeitig Konsumenten glücklich. Das ist unser großes Ziel, es hinzubekommen, mit unseren nachhaltigen Produkten konventionellen Produkten den Rang abzulaufen.

Case Study „Vertrauen in Nachhaltigkeit“ kostenlos downloaden

In der Case Study „Vertrauen in Nachhaltigkeit“ erfahren Sie mehr über Airpaq. Neben dem besonderen Geschäftsmodell betrachten wir darin den Ablauf eines Produktlaunchs, Aspekte des Greenwashings und weitere Themen. Laden Sie die Case Study kostenfrei herunter.

18.11.19

Johannes Lemm

Johannes Lemm ist Content Manager im B2B-Marketing von Trusted Shops. Seine Begeisterung gilt spannenden Texten über die Welt des Online-Handels.

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