Corona-Krise: Fluch oder Segen für den Online-Handel?

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Verwaiste Einkaufsstraßen, geschlossene Läden: Der Online-Handel boomt während der Corona-Krise, so die landläufige Meinung. Aber stimmt das wirklich? Wir sind der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen Corona tatsächlich auf den Online-Handel hat.

Der März 2020 wird uns wohl allen in Erinnerung bleiben. Während Anfang des Monats der Alltag seinen gewohnten Gang nimmt, leben die Menschen am Ende des Monats in einer völlig veränderten Welt. Diese Entwicklung spiegelt sich im Konsumverhalten der Deutschen wider. Die Auswirkungen bekommt auch der Online-Handel zu spüren.

In einer am 20.03.2020 veröffentlichten Statista-Umfrage klagen 45 Prozent der befragten Online-Händlerinnen und -Händler über sinkende Umsatzzahlen. 33 Prozent spüren keine Veränderung und 11 Prozent können sich sogar über steigende Umsätze freuen.

Online-Verkäufe von Fieberthermometern steigen rasant

Im Laufe des März kristallisiert sich ein Trend heraus, welche Artikel Verbraucherinnen und Verbraucher vermehrt online einkaufen. Mitte des Monats verzeichnen Fieberthermometer, Hanteln und Headsets eine sprunghaft angestiegene Nachfrage von 900 bis 3.000 Prozent im Vergleich zur 4. Kalenderwoche im Januar.

Doch es handelt sich um einen Trugschluss, vom Absatz begehrter Artikel auf einen allgemeinen Boom des Online-Handels zu schließen. Das hat der E-Commerce-Verband bevh am 06. April in einer Pressemitteilung deutlich gemacht. Hier sehen die Zahlen gar nicht rosig aus: Der Online-Handel ist im März 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 20 Prozent eingebrochen.

Lediglich die Waren, die Verbraucherinnen und Verbraucher generell verstärkt nachfragen, ziehen laut bevh deutlich an. Das sind vor allem Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente und Heimwerkerartikel. Konsumentinnen und Konsumenten unterscheiden offensichtlich nicht zwischen online und offline, sondern kaufen die Sachen einfach dort, wo sie verfügbar sind.

E-Commerce kein Krisengewinner

Gero Furchheim, Präsident des bevh, erklärt die Entwicklung so: „E-Commerce ist heute ein normaler Einkaufskanal. Deshalb wirkt sich solch eine Krise in der Konsumstimmung voll auf unsere Branche aus. Die Behauptung, der E-Commerce würde pauschal als 'Gewinner' aus der Corona-Pandemie hervorgehen, ist schlicht falsch."

In Krisenzeiten halten die Menschen das Geld zusammen. Dahinter steckt nicht nur die Sorge, wie es weitergeht, sondern auch reale Einkommenseinbußen. In einer jüngsten Statista-Umfrage sagen 28 Prozent der deutschen Befragten, dass sie Einkommensverluste aufgrund der COVID-19-Pandemie erlitten haben.

Umsatzeinbrüche bei Bekleidung, Schmuck und Reisen

Wenn die Leute sparen, kaufen sie nur das Notwendigste. So brechen laut bevh-Studie die Umsätze im Bekleidungsbereich im März um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. Ähnlich sieht es bei der Unterhaltungselektronik aus. Auch Schmuck und Uhren sind nicht mehr gefragt, hier beträgt der Verlust 52 Prozent. Am heftigsten trifft es erwartungsgemäß sämtliche Online-Angebote rund ums Reisen: Hier verzeichnen Anbieter 75 Prozent weniger Umsatz als im März 2019.

Ein globaler Trend

International sieht das Konsumverhalten von Online-Shoppern in Zeiten der Pandemie ähnlich wie in Deutschland aus. Der amerikanische E-Commerce-Analyst Stackline vergleicht ebenfalls den März 2020 mit dem des Vorjahres. In einer Top 100 listet das Unternehmen auf, welche Produkte nachgefragt sind und welche in den Regalen liegen bleiben.

Auf den ersten drei Plätzen befinden sich bei den Umsatzraketen Einmalhandschuhe, Brotbackautomaten und Husten- bzw. Erkältungsmedikamente. Ganz vorne bei den Ladenhütern tummeln sich Reisekoffer, Aktentaschen und Kameras.

Wie geht es weiter?

Im ungünstigsten Fall einer langanhaltenden Ausnahmesituation konsumieren die Leute vermutlich nach wie vor in erster Linie lebensnotwendige Produkte.

Es kann jedoch auch sein, dass die Menschen sich an die Situation immer mehr gewöhnen und vorsichtig ihr altes Konsumverhalten wieder aufnehmen. Der Bedarf an als wichtig erachteten Produkten ist bei vielen bereits gedeckt, da mag es sein, dass bald wieder Freizeitartikel in den Fokus rücken.

In diese Richtung deutet eine Statista-Umfrage vom 06.04.2020. Auf die Frage, welche Produkte aufgrund von Covid-19 online anstatt offline gekauft würden, antworten 16 Prozent der Menschen mit „Bekleidung“. Das ist in Deutschland der höchste Wert. Bücher belegen mit 12 Prozent den zweiten Platz.

Ein weiterer Aspekt macht Mut: Viele Leute sparen derzeit ungewollt Geld, da teure Reisen und Freizeitangebote wegfallen. Vielleicht entsteht in der zweiten Jahreshälfte ein Nachholbedürfnis und einiges von dem Ersparten wandert in den Konsum. Davon kann auch der Online-Handel profitieren.

Wie sieht es bei Ihnen aus?

Was sagen Sie als Online-Händlerin oder -Händler zur aktuellen Situation? Verzeichnen Sie in Ihrem Bereich Umsatzeinbußen oder Gewinne? Wie schauen Sie in die Zukunft? Was wünschen Sie sich von Politik und Gesellschaft?

Verraten Sie uns gerne Ihre Meinung in unserer fünfminütigen Umfrage oder in einem Kommentar unter diesem Artikel.

07.04.20

Johannes Lemm

Johannes Lemm ist Content Manager im B2B-Marketing von Trusted Shops. Seine Begeisterung gilt spannenden Texten über die Welt des Online-Handels.

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