Der Angemessenheitsbeschluss CH: Datenaustausch Schweiz – EU
In diesem Rechtstipp der Woche stellen wir die wichtigsten Informationen zu der Erneuerung des Angemessenheitsbeschlusses der Schweiz vor.
1. Abmahnfalle Nr. 1: Widerrufsrecht
2. Abmahnfalle Nr. 2: Internationaler Einsatz von Etsy
3. Abmahnfalle Nr. 3: Textilkennzeichnung
4. Unser Tipp
Der amerikanische Marketplace Etsy ist auch in Deutschland angekommen und gilt zweifellos als ein Gewinner der Pandemie. So konnte Etsy dank seiner Vielzahl im Textilhandwerk versierter Shops in Rekordzeit auf die 2020 allseits begehrte „Community-Maske“ umstellen. Doch die Plattform wird nicht nur bei Nutzern, die nach Vintage-Artikeln, Handgemachtem oder Künstlerbedarf Ausschau halten immer populärer, sondern rückt auch vermehrt ins Visier von Abmahnern.
Welche juristischen Stolpersteine bei Etsy zu beachten sind und wie Sie diese geschickt umgehen können, erfahren Sie in diesem Rechtstipp der Woche.
Die erste Stolperfalle hängt mit einer Programmierung bei Etsy zusammen. In Europa ist beinahe jedem das Wort „Widerrufsrecht“ ein Begriff. Auch Etsy weiß von dieser zwingenden Verbrauchervorschrift, macht seinen Shops aber dessen rechtskonforme Abbildung gar nicht so einfach. Etsy stellt u.a. eine sog. „Kurzbelehrung“ zur Verfügung. Diese Kurzbelehrung ist zwingend für jeden Shop auszufüllen. Sie erläutert bereits auf der Händlerinformationsseite schlaglichtartig die Rechte der Kundschaft. Neben der Kurzbelehrung kann und sollte aber auch noch eine „echte“ Widerrufsbelehrung nach dem gesetzlichen Muster hinterlegt werden, die bei entsprechendem Anklicken in einem Pop-Up-Fenster angezeigt wird.
Wo trage ich in der Etsy-Kurzbelehrung die Informationen zum Widerrufsrecht ein?
Beim Ausfüllen der Kurzbelehrung stellt sich gleich zu Beginn eine wesentliche Frage: „Wo soll ich denn überhaupt etwas zum Widerrufsrecht eintragen?“. Etsy kennt nämlich in seiner Kurzbelehrungs-Maske im Händler-Backend kein ausdrückliches Feld mit dem Namen „Widerruf“. Vielmehr werden nur die Kategorien „Umtausch“, „Stornierung“ und „Rückgabe“ angeboten, wobei wohl letztere dem Widerrufsrecht am ehesten gerecht wird.
Worauf muss ich noch achten?
Eine echte rechtliche Stolperfalle findet sich zudem in den vorprogrammierten Antwortmöglichkeiten der Kurzbelehrung von Etsy. Es werden für die dort zu hinterlegenden Fristen einige manuell nicht anpassbare Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Diese lassen nur wenig Spielraum. Sämtliche dort angebotenen Fristen beginnen „ab der Lieferung“. Die 14-tägige Rücksendefrist im Rahmen des gesetzlichen Musters knüpft jedoch an den Tag an, an dem die Kundschaft den Shop über die Ausübung ihres Widerrufsrecht informiert hat. Eine solche Wahlmöglichkeit sieht Etsy aber überhaupt nicht vor.
Etsy hat zwar insoweit mitgedacht, dass eine Kombinationsauswahl für die Frist zur Kontaktaufnahme und der Rücksendefrist mit jeweils 14 Tage ab Lieferung technisch nicht möglich ist (man würde hier das Widerrufsrecht ganz klar unzulässigerweise beschränken!), allerdings erscheint uns auch die nächstmögliche Auswahl von „21 Tage ab Lieferung“ für die Rücksendung als abmahngefährdet. Rechnet man nämlich die maximale Höchstfrist des gesetzlichen Widerrufsrechts zwischen Lieferung und spätester Rücksendehandlung durch die Kundschaft aus, so kommt man auf bis zu 28 Tage zwischen Lieferung und Rücksendehandlung. Noch etwas konkreter: Nach dem Erhalt der Ware hat der Verbraucher die Möglichkeit bis zu 14 Tage wirksam zu widerrufen. Sobald der Käufer Sie von seinem Widerruf in Kenntnis setzt, ist er verpflichtet die Waren innerhalb von 14 Tagen zurückzusenden. In Summe gibt das also bis zu 28 Tage zwischen Lieferung und Rücksendung. Bei einer Wahl unterhalb der 28 Tage ab Lieferung würde man daher das Widerrufsrecht unzulässigerweise beschränken und damit einer potentiellen Abmahnung Tür und Tor öffnen.
Wie kann ich das Problem lösen?
Da Etsy keine Wahlmöglichkeit mit 28 Tagen ab Lieferung anbietet, sollte bei der Kurzbelehrung darauf geachtet werden, dass die Rücksendung mindestens 30 Tage seit Lieferung möglich ist. Hierdurch wird die Kundschaft sogar besser gestellt, wonach sich eine Abmahnung erübrigt. Idealerweise stellt man diese Besonderheit im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung auch nochmals klar, um Widersprüche zwischen der Kurzbelehrung von Etsy und der eigentlichen Widerrufsbelehrung zu vermeiden.
Hinweis: Nehmen Sie Anpassungen der schematischen und gesetzlich in weiten Teilen vorgegebenen Widerrufsbelehrung nach Möglichkeit nicht selbst vor. Im schlimmsten Fall droht ein Entfall der Privilegierung, die dem gesetzlichen Muster entspringt. Nutzen Sie stattdessen unser Abmahnschutz Premium, in dem auch der Etsy-Rechtstexter enthalten ist. Unser Rechtstexter sowie unsere Integrationsanleitungen für Etsy unterstützen Sie passgenau bei der rechtskonformen Implementierung.
Das internationale Publikum bei Etsy eignet sich ideal, um auch ins Ausland zu verkaufen. Allerdings eröffnen sich hierdurch weitreichende Problematiken, die unter anderem auch wieder mit der Programmierung von Etsy zusammenhängen. Rechtstexte (AGB, Datenschutzerklärung, Impressum und Widerrufsbelehrung) sind im Regelfall nur dann gegenüber Verbrauchern rechtssicher, wenn sie in der jeweiligen Landessprache der übrigen Webseite vorgehalten werden. Lediglich so kann sichergestellt werden, dass die Kundschaft eine hinreichende Möglichkeit zur inhaltlichen Kenntnisnahme hatte.
Bei Etsy ist es unserer Kenntnis nach nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich, Rechtstexte in mehreren Sprachen vorzuhalten. Kurzerhand lediglich Rechtstexte in der „Universalsprache“ Englisch einzubinden, kann dabei gewaltig schief gehen. Jedenfalls nach der deutschen Rechtsprechung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gesamte Kundschaft dem Englischen soweit mächtig ist, dass sie auch von teils komplexen AGB-Klauseln hinreichend Kenntnis nehmen kann.
Für die Nutzung von Etsy in Deutschland raten wir daher, in jedem Falle (auch) deutschsprachige AGB bereitzustellen. Sollten Sie zusätzlich in andere Länder verkaufen, empfehlen wir übrigens nicht mehrere Sprachfassungen untereinander aufzulisten. Dies endet sehr schnell in Intransparenz und kann Rechtstexte aus diesem Grunde ebenso unbrauchbar machen. In diesem Fall kann es sinnvoller sein, für verschiedensprachige Märkte mehrere Konten anzulegen, das Liefergebiet jeweils zu beschränken und die AGB in der jeweiligen Landessprache vorzuhalten. Das bedeutet zwar mehr Pflegeaufwand, für die Rechtssicherheit ist es jedoch zuträglicher.
Ein weiterer Abmahnklassiker bei Etsy: fehlende oder falsche Textilkennzeichnungen!
Hier gelten zwar keine Etsy-spezifischen Besonderheiten. Insbesondere aufgrund der steigenden Popularität, aber vermutlich auch wegen des breiten Handmade-/ Schneider-Segments bei Etsy, achten Abmahner zunehmend auf derlei „Details“.
Textilkennzeichnungen dürfen nur nach den Bezeichnungen in Anhang I der Textilkennzeichnungs-VO vorgenommen werden.
Eigenkreationen wie „organische Baumwolle“ statt der in Anhang I vorgesehenen Bezeichnung „Baumwolle“ waren bereits mehrfach Gegenstand von Abmahnungen und sollten daher nicht als alleinstehende Textilkennzeichnung verwendet werden. Nehmen Sie daher besser Abstand von extravagant-klingenden Textilkennzeichnungen.
Auch die ausschließliche Bezeichnung „Merinowolle“ anstelle von „Wolle“ ist unzulässig.
Fehler sind hier relativ einfach vermeidbar, indem man sich streng an die entsprechende Verordnung und ihren Anhang I hält. Experimente zum Zwecke einer etwaigen Umsatzsteigerung sind an dieser Stelle keine gute Idee, denn sie enden nicht selten in kostenpflichtiger Anwaltspost.
Gerade an Stellen wie diesen, an denen Ihnen die Gesetze klare Handreichungen bieten, sollten Sie diese auch nutzen.
Weitergehende Informationen zur Textilkennzeichnung finden Sie in diesem Rechtstipp der Woche.
Etsy bietet vielen kleinen Unternehmen ein breites Publikum, das konkret nach Unikaten und DIY-Produkten sucht. Vertrauen Sie selbst mit einem kleinen Shop nicht darauf, unterhalb des Abmahnradars zu fliegen! Selbst wer einen noch so kleinen Shop eröffnet, sollte nicht einfach loslegen und die rechtlichen Fragestellung aufschieben. Stellen Sie Ihren Shop von Anfang an möglichst rechtssicher auf, Ihre Bilanz wird es Ihnen letzten Endes danken! Sollten Sie sich unsicher sein, ob Sie Ihre Rechtstexte rechtssicher auf der Plattform Etsy eingebunden haben, können Sie dies gerne in unserem Abmahnschutz PREMIUM anwaltlich überprüfen lassen.
Florian Güster ist seit Januar 2021 Legal Consultant (Legal Tech) bei der Trusted Shops GmbH und Rechtsanwalt bei FÖHLISCH. Er absolvierte das Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit Schwerpunkt im internationalen und europäischen Recht. Darauf folgte sein Referendariat am Oberlandesgericht Nürnberg sowie in Valencia / Spanien. Während des Referendariats war er in Nebentätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht von Herrn Prof. Dr. Wegener in Erlangen beschäftigt; während dieser Zeit nahm er u.a. auch Lehrtätigkeiten wahr. Seither war er vor allem als Legal Counsel für deutsche Unternehmen im Bereich E-Commerce tätig, unter anderem in der Rechtsabteilung des Münchner Start-Ups FlixBus. Bei Trusted Shops und FÖHLISCH ist er mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.
In diesem Rechtstipp der Woche stellen wir die wichtigsten Informationen zu der Erneuerung des Angemessenheitsbeschlusses der Schweiz vor.
Elektronik-Shops aufgepasst! Ab 28.12.2024 gelten für bestimmte Produkte neue Kennzeichnungspflichten hinsichtlich eines eventuell enthaltenen Ladegeräts.