Wie wollen die Parteien unsere Daten schützen? – Der Check zur Bundestagswahl 2021

Inhaltsverzeichnis:

1. CDU / CSU - "Gemeinsam ein modernes Deutschland"
2. SPD - "Aus Respekt vor Deiner Zukunft."
3. AFD - "Deutschland. Aber normal."
4. FDP - "Nie gab es mehr zu tun."
5. DIE LINKE - "Zeit zu handeln!"
6. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN - "Deutschland. Alles ist drin."
7. 
Unser Tipp

 

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Am 26. September ist es soweit: zum 20. Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird der Deutsche Bundestag gewählt. Im Vorfeld wird dabei teilweise von einer richtungsweisenden Wahl gesprochen, bei der der Ausgang bisher komplett offen erscheint. Die Ideen der Parteien in Bezug auf den Datenschutz könnten dabei zum Teil nicht unterschiedlicher sein. Welche Daten sollen zukünftig wie geschützt werden und sollen Verfahren zur umfassenden Kontrolle eingeführt werden?

Wir schauen uns die Wahlprogramme aller aktuell im Bundestag vertretenen Parteien an und geben Ihnen in dieser Sonderausgabe des Rechtstipp der Woche einen Überblick über die wichtigsten Positionen und Vorhaben in Bezug auf das Thema Datenschutz.  

 

Hinweis: Die Reihenfolge der aufgeführten Parteien richtet sich ausschließlich nach den Ergebnissen der letzten Bundestagswahl und hat keine tiefere Bedeutung. Die Auswahl der jeweiligen „Datenschutz-Highlights“ beruht auf einer redaktionellen Entscheidung.

 

CDU / CSU - "Gemeinsam ein modernes Deutschland"

Die 5 Datenschutz-Highlights:

  • Einführung eines freiwilligen Datenspendepasses für die Erteilung von Einverständniserklärungen und Cookie-Einwilligungen im Internet (S. 57)
  • Harmonisierung der Datenschutzaufsicht nach dem Prinzip „Einer genehmigt für alle“ (S. 94)
  • Schaffen der Voraussetzungen für den Einsatz automatisierter Gesichtserkennung an Gefahrenorten (S. 107)
  • Vorratsdatenspeicherung als „schärfste Waffe [sic!]“ im Kampf gegen den Kindesmissbrauch (S. 109)
  • Entwicklung Deutschlands zum Weltmarktführer für sichere IT-Lösungen (z. B. Verschlüsselungstechnik und Security-by-Design-Lösungen) (S. 118)

Weitere Haltungen und Vorhaben:

  • Einführung einer echten Digital- und Datenunion, u. a. mit europäischen Speicher- und Rechenkapazitäten und einem einheitlichen Datenschutzrecht (S. 28)
  • Schaffen einer digitalen europäischen Identität und Einführung eines Identitätsdiebstahlregister (S. 57)
  • Verbesserung der Interoperabilität von Messenger-Diensten – Schaffen von Schnittstellen und technischen Standards für die Datenmitnahme (S. 57)
  • Stärkung der Datenkompetenz in der Verbraucherbildung und -aufklärung (S. 57)
  • Datenschutz ist kein „Super-Grundrecht“ (S. 94)
  • Übertriebene Auslegung von Datenschutzanforderungen darf nicht zu einer Hemmung von Innovationen oder Verlangsamung von Verfahren führen (S. 94)
  • Daten als Treiber für Innovationen, u. a. durch leistungsfähigere Dateninfrastruktur (S. 94)
  • Rechtsanspruch auf eine digitale Bürgeridentität (e-ID) (S. 99)
  • Digitalisierung und konsequente Erweiterung digitaler Anwendungsmöglichkeiten des Personalausweises (S. 100)
  • Ausbau von Videoschutz an öffentlichen Gefahrenorten (S. 107)
  • Flächendeckende Verwendung von Bodycams (auch in Wohnräumen) (S. 108)

 

SPD - "Aus Respekt vor Deiner Zukunft."

Die 5 Datenschutz-Highlights:

  • Schaffen eines gemeinwohlorientierten Datengesetzes (Daten sollen nicht nur wenigen großen Daten-Monopolisten zur Verfügung stehen) (S. 15)
  • Gegen eine Klarnamenpflicht im Netz (S. 15)
  • Entwicklung von Anonymisierungstechniken und strafbewehrten Verboten von sog. De-Anonymisierung (S. 15)
  • Förderung einer vertrauenswürdigen Daten-Teilen-Infrastruktur, Einrichtung öffentlicher Datentreuhänder und Verpflichtung von großen Konzernen Daten für gemeinwohlorientierte Ziele zu teilen (S. 15)
  • Einführung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes (S. 29)

 

Weitere Haltungen und Vorhaben:

  • Digitale Infrastruktur auf Weltniveau bis 2030 (S. 13)
  • Ausbau digitaler Verwaltungsdienstleistungen sowie freiwillige und datenschutzkonforme Nutzung der Leistungen mit einer digitalen Identität (S. 13)
  • Recht auf digitale Bildung und Weiterbildung für alle Generationen für die Befähigung der digitalen Selbstbestimmung (S. 14)
  • Gesetzlich vorgeschriebene Interoperabilität von Messenger-Diensten, sozialen Netzwerken und digitalen Diensten und Plattformen (S. 14)
  • Gezielte und koordinierte Unterstützung der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft (z. B. Quantentechnologie, Cloud, Künstliche Intelligenz [KI], Cyber-Sicherheit und datenbasierte Geschäftsmodelle) (S. 14)
  • Ausbau der Verschlüsselungsforschung und Stärkung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als zentrale, unabhängige und ausschließlich präventiv ausgerichtete Cybersicherheitsbehörde (S. 15)
  • Einführung einer Herstellerpflicht, Softwareprodukte, digitale Dienste und technische Geräte nach den Grundsätzen „Security by Design“ und „Security by Default“ zu konzipieren (S. 15)
  • Praxisnahe Verbesserung der DSGVO (S. 15)
  • Technisch sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (S. 15)
  • Identifizierung von Verdächtigen im Internet bei hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten auf eine Straftat (S. 16)
  • Gewährleistung von Datenschutz und geeigneten Rahmenbedingungen in der Gesundheitswirtschaft gegen die Dominanz der großen Plattformen (S. 18)
  • Schutz von Patientendaten hat höchste Priorität (S. 18)

 

AFD - "Deutschland. Aber normal."

Die 5 Datenschutz-Highlights:

  • Einsatz von Videoüberwachung mit Gesichtserkennungssoftware an kriminalitätsneuralgischen Plätzen und Gebäuden (S. 80)
  • Erlaubnis der Untersuchung von DNS-Spuren auf biogeografische Merkmale zur zielgerichteten Fahndung unbekannter Täter (S. 80)
  • Abschaffung der DSGVO und seine Ersetzung durch ein neues, schlankes Datenschutzgesetz (S. 182)
  • Stärkung der Datenschutzbehörden und Sanktionsbefähigung gegenüber staatlichen Stellen (S. 182)
  • Gesetzliche Vorschrift von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in der elektronischen Kommunikation sowie Datenschutz durch Technikgestaltung und Voreinstellungen („by Design“ und „by Default“) (S. 182)

Weitere Haltungen und Vorhaben:

  • Freiheitsgefährdenden Eingriffe in die Privatsphäre durch „monopolistische, datengetriebene“ Großkonzerne, Behörden und Geheimdienste soll entgegengewirkt werden (S. 24 f.)
  • Einheitliches deutsches Whistleblower-Gesetz mit verständlichen klaren Regeln sowie eine entsprechende Anpassung des Beamtenrechts (S. 25)
  • Einführung einer Digitalsteuer für Tech-Riesen, die nicht auf den Gewinn, sondern auf den Umsatz erhoben werden soll, z. B. die Besteuerung von Umsätzen aus dem Platzieren personalisierter Werbung genannt (S. 39)
  • Ausstattung von Polizei, Soldaten und Rettungsdiensten mit Körperkameras (S. 79)
  • Gegen eine zentrale Datenbank mit der Anbindung von Kliniken, Praxen, therapeutischen Einrichtungen und Apotheken zur Speicherung vertraulicher Patientendaten (S. 144)
  • Gegen ein zentrales, bereichsübergreifendes Personenkennzeichen bei der Modernisierung der Verwaltungsregister von Bund und Ländern (S. 182)
  • Behörden dürfen keine Software-Hintertüren nutzen – Sicherheitslücken sind sofort zu melden und konsequent zu schließen (S. 182)

 

FDP - "Nie gab es mehr zu tun."

Die 5 Datenschutz-Highlights:

  • Einführung eines „Deutschlandportals“ durch das die Bürgerinnen und Bürger in alle zu ihnen durch den Staat gespeicherten Daten Einblick erhalten inkl. Benachrichtigung bei Zugriff sowie Nennung des Zugriffsgrundes auf Nachfrage (S. 26)
  • Einführung des Rechts auf Verschlüsselung und grundsätzliche Verschlüsselung elektronischer Kommunikation (S. 35)
  • Gegen Einsatz von Staatstrojanern, solange nicht sichergestellt ist, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung der Menschen geschützt ist (S. 35)
  • Quick-Freeze-Verfahren statt Vorratsdatenspeicherung (Sicherung bestimmter Taten auf richterliche Anordnung) (S. 35)
  • Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum (S. 35)
    • Kein Einsatz von automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum (S. 35)
    • Keine flächendeckende Videoüberwachung (S. 35)
    • Keine Nutzbarmachung privater Videoüberwachung für staatliche Zwecke (S. 35)

Weitere Haltungen und Vorhaben:

  • Behörden als One-Stop-Shops – Daten werden einmalig an die Verwaltung weitergegeben und dann an entsprechender Stelle verarbeitet (S. 21)
  • Recht auf Verschlüsselung (S. 26)
  • Stärkung und Aufrüstung des BSI für mehr Cybersicherheit (S. 26)
  • Offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit im Gesundheitswesen (S. 29)
  • Digitale Vernetzung im Gesundheitswesen (S. 29)
  • Stärkung der informationellen Selbstbestimmung im AGB-Recht (S. 35)
  • Weiterentwicklung des Datenschutzrechts mit stärkerer Berücksichtigung der Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen, deren Kerngeschäft nicht der Umgang mit personenbezogenen Daten ist (S. 35)
  • Mittelfristige Erreichung einer Interoperabilität zwischen den Diensten verschiedener Anbieter und die Verpflichtung dieser, die notwendigen Schnittstellen bereitzuhalten (S. 35)
  • Gegen eine generelle Datenteilungspflicht (S. 35)
  • Intelligente und verantwortungsvolle Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten als sinnvolle Ergänzung zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (S. 35)
  • Staat darf keine Sicherheitslücken für Ermittlungszwecke aufkaufen – Sicherheitslücken sind sofort zu melden und konsequent zu schließen oder nach den allgemeinen Grundsätzen der Cybersicherheit koordiniert zu veröffentlichen (S. 35)

 

DIE LINKE - "Zeit zu handeln!"

Die 5 Datenschutz-Highlights:

  • Einführung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes (S. 92)
  • Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als essenzieller Bestandteil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (S. 95)
  • Gegen die Videoüberwachung im öffentlichen Raum – Verbot der automatisierten Gesichtserkennung (S. 96)
  • Verbot von Staatstrojanern (S. 96)
  • Verbot von Vorratsdatenspeicherung (S. 96)

Weitere Haltungen und Vorhaben:

  • Freiwillige Erhebung der Geburtsorte und biografischer Daten bei Bundes- und Landesbehörden, bei Hochschulförderprogrammen, Stiftungen und Förderwerken (S. 82)
  • Wettbewerber sollen Zugriffsrecht auf Daten von Plattformen bekommen, die auf Datenmonopolen basieren – Organisation z. B. über Treuhänder (S. 93)
  • Einführung eines Plattformstrukturgesetzes, um die Selbstbegünstigung der IT-Unternehmen zu verbieten, Datenschutz sicherzustellen und die Interoperabilität und Portabilität der Nutzerdaten sanktionsbewehrt zu garantieren (S. 93)
  • Security by Design und by Default muss per Verordnung auf europäischer Ebene vorgeschrieben werden (S. 95)
  • Verbot des Aufkaufens von Informationen über und die Beauftragung von Sicherheitslücken in IT-Systemen durch Geheimdienste (S. 95)
  • DSGVO muss gefestigt und erweitert werden (S. 96)
  • Keine anlasslose Vorhaltung und zentrale Speicherung von biometrischen Daten wie Fotos von Gesichtern und Fingerabdrücken; entsprechende Speicherungen sollen rückgängig gemacht werden (S. 96)
  • Gesetzliches Recht auf Privatsphäre, sichere Kommunikation und Verschlüsselung (S. 96)
  • Verbot der Weitergabe von persönlichen Daten ohne ausdrückliche Zustimmung an Dritte durch die öffentliche Verwaltung und Meldeämter (S. 98)
  • Globale Kooperation in allen Technologiebereichen, um ein Regelwerk zu schaffen, das verbindliche Datenschutzregeln für Robotik, Datenflüsse und KI festlegt und die Algorithmen transparent macht (S. 142)

 

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN - "Deutschland. Alles ist drin."

Die 5 Datenschutz-Highlights:

  • Realisation einer gemeinsamen europäischen Cloud-Infrastruktur auf Basis von Open-Source-Technologien (S. 75)
  • Etablierung einer europäischen Digitalaufsicht, die als Frühwarnsystem fungiert und sanktionsbewährte Kooperations- sowie Transparenzpflichten aussprechen kann (S. 77)
  • Einführung des Rechts auf Löschung personenbezogener Daten für Kinder (S. 149)
  • Gegen den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, z. B. Gesichtserkennung (S. 200)
  • Gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung (S. 200)

Weitere Haltungen und Vorhaben:

  • Klare gesetzliche Spielregeln für kooperative und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle (z. B. Datengenossenschaften) durch europäische Standards und Regeln (S. 75)
  • Pflicht zur Interoperabilität, Datenportabilitiät und offene Schnittstellen für marktbeherrschende Unternehmen – wo immer möglich (S. 76)
  • anonymisierte und wo nötig pseudonymisierte Gesundheitsdaten sollen der Wissenschaft zur Verbesserung der nationalen Gesundheitsversorgung mit Einwilligung zur Verfügung gestellt werden (S. 125)
  • Sicherer Zugriff per App auf den digitalen Impfpass, Gesundheitsinformationen wie die Blutgruppe, die Krankheitsgeschichte oder die neuesten Blutwerte (S. 125)
  • Ermöglichen eines einfachen und datenschutzfreundlichen Datenteiles, z. B. über Datentreuhandmodelle (S. 166)
  • Gegen eine undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung (S. 200)
  • Gegen generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen (S. 200)
  • Gegen das Infiltrieren von technischen Geräten durch Online-Durchsuchung oder Quellen-TKÜ (S. 200)

 

Unser Tipp

Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien lohnt sich definitiv. Auch in Bezug auf den Datenschutz finden sich interessante Haltungen und Vorhaben. Letztlich müssen Sie als Bürgerin und Bürger entscheiden, welches Programm Ihre Interessen am besten vertritt.

Deshalb nur folgender Tipp: Bei diesem knappen Rennen entscheidet Ihre Stimme am Ende darüber, wie die Bundesrepublik zukünftig regiert wird. Nutzen Sie daher Ihre Stimme und gehen Sie  am 26. September wählen!

 

 

Über den Autor

 

Leon Ferme

Leon Ferme ist Wirtschaftsjurist und seit 2020 für die Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Services tätig. Sein Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts hat er an der Technischen Hochschule Köln absolviert, an der er auch sein Masterstudium des Medienrechts und der Medienwirtschafts durchführt. Er setzt sich intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, wie Datenschutz- und E-Commerce-Recht auseinander.

 

12.09.21
Leon Ferme

Leon Ferme

Leon Ferme ist als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig und setzt sich intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, wie Medien- und E-Commerce-Recht auseinander.

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