Barrierefreiheitserklärung – auch bei Verkauf auf eBay, Amazon & Co?
BFSG: Gilt die Pflicht zur Einbindung der Erklärung auch für Händler*innen, die ihre Produkte über Plattformen wie Ebay, Amazon und Otto vertreiben?
Zum 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vollständig in Kraft – mit spürbaren Auswirkungen auf den digitalen Handel. Neben den technischen und gestalterischen Anforderungen sieht das Gesetz eine Informationspflicht in Form einer Barrierefreiheitserklärung vor. Doch bezieht sich diese Pflicht zur Einbindung der Erklärung auch auf Händler*innen, die ihre Produkte nicht über eigene Shops vertreiben, sondern über Plattformen wie Ebay, Amazon und Otto?
Und was tun, wenn die jeweilige Plattforme keine Möglichkeit bietet, eine solche Erklärung in das Verkaufsprofil einzubinden?
Das Gesetz setzt die europäische Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act) in nationales Recht um und verschärft die Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit deutlich. Die Pflicht zur Einbindung der Barrierefreiheitserklärung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 BFSG in Verbindung mit Anhang 3.
Mit der Erklärung soll sichergestellt werden, dass Nutzerinnen und Nutzer vor Vertragsabschluss nachvollziehen können, inwieweit eine digitale Dienstleistung barrierefrei gestaltet ist und wie sie genutzt werden kann. Die Erklärung muss dabei klar und verständlich formuliert sowie in barrierefreiem Format verfügbar sein.
Folgende Inhalte sind verpflichtend:
Die Pflicht zur Einbindung der Barrierefreiheitserklärung betrifft Anbieter von Dienstleistungen im Anwendungsbereich des BFSG. Dazu gehören insbesondere Online-Shops und E-Commerce-Plattformen, die sich an Verbraucher*innen richten und auf den Abschluss von Verträgen abzielen. Reine Unternehmenswebsites, die keine direkten Verbraucherleistungen anbieten, sind ausgenommen. Auch B2B-Dienste fallen nicht unter den Anwendungsbereich des BFSG.
Außerdem sind gemäß § 3 Abs. 3 i.V.m. § 2 Nr. 17 BFSG Dienstleistungen anbietende Kleinstunternehmen, die über weniger als 10 Beschäftigte und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Mio. EUR verfügen, vom BFSG ausgenommen.
Achtung: Diese Ausnahme gilt nur für die Erbringung von Dienstleistungen. Sofern Kleinstunternehmen jedoch vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasste Produkte (z. B. Smartphones oder E-Book-Lesegeräte) in Verkehr bringen, unterliegen sie dennoch den Vorschriften des BFSG und müssen die Barrierefreiheitsanforderungen für diese Produkte erfüllen.
Ob Händler*innen, die ihre Produkte über die großen Verkaufsplattformen anbieten, ebenfalls eine Barrierefreiheitserklärung bereitstellen müssen, ist noch nicht geklärt und unter Jurist*innen umstritten. Aus unserer Sicht sprechen gute Argumente für eine solche Pflicht auch auf Plattformen.
In dogmatischer Hinsicht spricht zunächst der klar bezeichnete Anwendungsbereich der gesetzlichen Vorgabe. Die Pflicht zur Bereithaltung einer Erklärung zur Barrierefreiheit trifft den „Dienstleistungserbringer“ einer „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“. Die Legaldefinition einer „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“ enthält die wesentlichen Elemente der Legaldefinition einer Dienstleistung der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie (EU) 2015/1535, die auch dem DDG zugrunde liegt.
Dass Händler*innen auf Plattformen digitale Dienste im Sinne des DDG eigenverantwortlich anbieten, ist in der deutschen Rechtsprechung längst anerkannt. Auch wenn die entwickelten Grundsätze nicht gänzlich auf das BFSG übertragen werden können, stellt dies ein starkes Indiz für die Reichweite der Vorgaben zur Barrierefreiheit dar.
Zudem finden sich weder im Wortlaut noch in den Erwägungsgründen der EAA Hinweise für eine differenzierte Betrachtung dahingehend, dass die Verpflichtungen nur diejenigen treffen, die auch die technische Hoheit über die Infrastruktur innehaben. Gerade im Zusammenhang mit Informationspflichten im Online-Handel mit Verbraucher*innen zieht sich als roten Faden die Auffassung der Gerichte, dass der Händler für die Rechtskonformität seines Online-Auftritts auf einer Plattform zuständig ist, unabhängig davon, ob eine rechtskonforme Gestaltung technisch überhaupt möglich ist.
Schließlich wird häufig die fehlende Gestaltungsmöglichkeit als Argument gegen die Verpflichtung von Online-Händler*innen, eine eigene Erklärung zur Barrierefreiheit bereitzuhalten, aufgeführt. Dies erscheint nicht überzeugend. Die Individualisierungsmöglichkeiten variieren von Plattform zu Plattform zwar stark und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die Plattformbetreiberin einen weitaus größeren Einfluss auf den barrierefreien Zugang zu den einzelnen Angeboten hat.
Dennoch bieten insbesondere Online-Shops auf Verkaufsplattformen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. Hinterlegung eines eigenen Shop-Logos und/oder Bannerbilds sowie einer Shop-Beschreibung, Farb- und Schriftanpassungen, Navigationselemente). Eine barrierefreie Gestaltung unter Heranziehung dieser Gestaltungswerkzeuge und die hiermit korrespondierende Informationspflicht liegt in der Verantwortung der einzelnen Händler*innen.
Wird der Zweck der Barrierefreiheitserklärung berücksichtigt, nämlich Transparenz über die digitale Zugänglichkeit eines Angebots zu schaffen und Menschen mit Behinderung eine informierte und selbstbestimmte Nutzung zu ermöglichen, ist nachvollziehbar, dass die Informationspflicht nicht nur für Online-Shops gilt, sondern sich auch auf Verkauf über Plattformen wie Amazon, eBay oder Otto erstreckt.
Die jeweiligen Plattformen äußern sich zum jetzigen Zeitpunkt unterschiedlich zu der Barrierefreiheitserklärung.
eBay nimmt zum Thema der Barrierefreiheitserklärung selbst Stellung und vertritt die Auffassung, dass Verkäufer*innen auf der Plattform ab dem 28. Juni 2025 verpflichtet sind,
Eine Anleitung zum Hinzufügen der Barrierefreiheitserklärung findest du auf eBay unter dem Punkt EU-Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen (EAA) für Verkäufer | eBay.
Amazon äußert sich zur Barrierefreiheitserklärung bislang nur am Rande. Händler*innen werden darauf hingewiesen, alle relevanten Informationen zur Barrierefreiheit eines Produkts in der Produktbeschreibung auf der jeweiligen Detailseite unterzubringen. Ob darüber hinaus auch eine Barrierefreiheitserklärung im Verkäuferprofil hinterlegt werden soll, bleibt offen.
Bei anderen gängigen Verkaufsplattformen konnten wir (noch) keine Stellungnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheitserklärung vorfinden.
Aber auch wenn Verkaufsplattformen derzeit keine direkte Funktion zur Einbindung der Barrierefreiheitserklärung im Verkäuferprofil bieten, besteht dennoch die Möglichkeit, die Erklärung innerhalb der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereitzustellen.
Rechtssicherheit wird nur eine Klärung der Frage durch den Europäischen Gerichtshof bringen. Da dies aber noch Jahre dauern kann, ist es wünschenswert, dass sich die vorgesehene Marktüberwachungsbehörde – sobald sie konstituiert ist – mit dem Thema auseinandersetzt und entsprechend positioniert. Dies würde eine wichtige Orientierungshilfe für den Online-Handel auf Verkaufsplattformen darstellen.
Die Nichteinhaltung der neuen BFSG-Vorgaben kann spürbare Folgen haben. Unternehmen, die die geforderten Angaben nicht machen oder sie nicht barrierefrei bereitstellen, müssen mit behördlichen Maßnahmen und Bußgeldern rechnen. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass fehlende oder unvollständige Barrierefreiheitserklärungen auch von Mitbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt werden könnten.
Ob Händler*innen auf Verkaufsplattformen eine eigene Barrierefreiheitserklärung bereitstellen müssen, ist umstritten. Aus unserer Sicht sprechen die rechtlichen Argumente dafür, auch wenn die Umsetzung in der Praxis herausfordernd sein dürfte. Eine Unterstützung bietet unser Rechtstexter-Modul „Erklärung zur Barrierefreiheit“, das auch Verkaufsplattformen abdeckt.
17.06.25BFSG: Gilt die Pflicht zur Einbindung der Erklärung auch für Händler*innen, die ihre Produkte über Plattformen wie Ebay, Amazon und Otto vertreiben?
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