Der Digital Services Act – Handlungsbedarf für Online-Shops?

Digital Services Act

Seit dem 17.02.2024 gelten die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2022/2065 für digitale Dienste – der sog. Digital Services Act unmittelbar in allen EU Mitgliedsstaaten. Die Verordnung gilt für sämtliche „Online-Vermittlungsdienste“. Zählen „klassische“ Online-Shops auch noch dazu? Und was bedeutet es im Einzelfall, wenn diese Frage bejaht wird? Das erläutern wir für Sie im nachfolgenden Beitrag.

Was bezweckt eigentlich der Digital Services Act?

Der Digital Services Act (DSA) ist ein wesentlicher Bestandteil der digitalen Agenda der Europäischen Union. Dadurch soll ein sicherer digitaler Raum für die Bürger*innen und Unternehmen in der EU geschaffen werden. Die Regelungen der DSA beziehen sich maßgeblich auf digitale Vermittlungsdienste, wenn diese Nutzerinhalte oder user-generated content entweder nur durchleiten (z.B. VPN oder WLAN-Anbieter, Content Delivery Networks oder E-Mail Dienste), cachen, d.h. mit begrenzter Zwischenspeicherung (z.B. Web- oder Browser Caching-Dienste) oder hosten, d.h. im Auftrag der Nutzer*innen bereitgestellte Informationen speichern (z.B. Cloud-Hosting-Dienste, Web- oder E-Mail Hosting-Anbieter). Hosting-Dienste sind im Übrigen auch Online-Plattformen, die im Auftrag der Nutzer*innen Informationen speichern und öffentlich verbreiten, also die klassischen sozialen Medien.

Und zählen Online-Shops als Vermittlungsdienst im Sinne des DSA?

Hier kommt zunächst die von Jurist*innen wohl beliebteste Antwort: Es kommt darauf an…

Nun, bei den vorgenannten Durchleitungen sowie Caching und Hosting-Diensten handelt es sich grundsätzlich um rein technische, neutrale Dienstleistungen. Online-Shops erbringen evident keine Durchleitungs- oder Cache-Leistungen. Allerdings stellt sich die Frage, ob sie unter Umständen als Hosting-Dienste eingestuft werden können. Denkbar ist, dass der Online-Shop neben seiner primären Verkaufs- bzw. Werbetätigkeit eine ergänzende Hosting-Leistung als Nebenleistung anbietet. Entsprechend dem DSA würde dies voraussetzen, dass im Shop Informationen und/oder Inhalte im Auftrag der Kundschaft gespeichert werden. Lassen Sie uns als nächstes genauer überlegen, hinsichtlich welcher Funktionalitäten im Shop eine solche Hosting-Leistung im Auftrag Ihrer Kundschaft angenommen werden könnte:

  • Kundenkonto, Bewerbungsportal

Mit Eröffnung eines Kundenkontos, im Rahmen des Bestellprozesses oder als Teil eines Bewerbungsportals werden Kundeninformationen gespeichert. Diese Speicherung hat jedoch keinen eigenen Mehrwert für Ihre Kundschaft, so dass sie nicht als Nebenleistung angesehen werden kann. Vielmehr stellt sie einen technisch notwendigen Schritt im Rahmen des jeweiligen Kommunikations- und Bestellvorgangs dar.

  • Kommentarfunktion

Interessanter wird es indes, wenn Kund*innen im Online-Shop unmittelbar einzelne Produkte oder Vorgänge kommentieren können und in diesem Zuge Nutzerinhalte generiert werden. Die Bereitstellung und Speicherung von Nutzerinhalten durch die Kommentarfunktion erfolgt dabei im Rahmen der Webseiten-Nutzung, und diese wiederum basiert faktisch auf einem (Nutzungs-)Vertrag bzw. einem vertragsähnlichen Rechtsverhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Kundschaft. Es kann also durchaus gut argumentiert werden, dass die Bereitstellung und Speicherung „im Auftrag“ der Kundschaft erfolgt.

  • Bewertungsfunktion

Entsprechendes gilt für den Fall, dass Sie es Ihrer Kundschaft auf der Webseite ermöglichen, unmittelbar etwa Produktbewertungen zu veröffentlichen, die dann gespeichert werden. Auch in dieser Konstellation werden also Nutzerinhalte bereitgestellt und ebenfalls im Zuge der Webseitennutzung von Ihnen „im Auftrag der Kundschaft“ gespeichert.

Mangels ausdifferenzierter Rechtspraxis lässt sich in den letztgenannten zwei Fallkonstellationen allerdings nicht abschließend sagen, ob Ihr Onlineshop tatsächlich in den Anwendungsbereich des DSA fallen würde. So könnte durchaus in die Gegenrichtung argumentiert werden, zumal sowohl die Kommentar- als auch eine Bewertungsfunktion regelmäßig nicht den Schwerpunkt im Online-Shop bilden, sondern allenfalls als Nebenfunktionen zum Hauptdienst bezeichnet werden können. Der DSA stellt zum Beispiel klar, dass Hosting-Dienste jedenfalls dann nicht als Online-Plattformen (die einer Vielzahl weiterer Verpflichtungen unterliegen) gelten sollen, wenn ein vorhandener Kommentarbereich eben nur als Nebenfunktion hinzukommt – wie z.B. eine Kommentarfunktion einer Online-Zeitung, die die Internetseite (noch) nicht zur Online-Plattform im Sinne der DSA macht.

Ob diese Argumentation jedoch auch bei der Bewertung der Frage gelten kann, ob ein Online-Shop mit Kommentarbereich als Hosting-Dienst qualifiziert werden kann, ist unklar.

  • Integration von Bewertungen über Dritttechnologien wie z.B. Trustbadge von Trusted Shops

In vielen Online-Shops werden Kundenbewertungen über externe Technologien, wie z.B. das Trustbadge der Trusted Shops AG integriert und angezeigt. Dies sieht dann folgendermaßen aus:

ts-screenshot-2

In derartigen Fällen, wie am Beispiel Trusted Shops, werden die einzelnen Bewertungen gegenüber Trusted Shops abgegeben, von Trusted Shops gespeichert und auf der Profilseite des jeweiligen Shops auf der Trusted Shops Plattform veröffentlicht.

In diesen Fällen erschöpft sich also die Leistung des Online-Shops in der technischen Integration der jeweiligen Technologie. Aus unserer Sicht reicht dies nicht aus, um einen Hosting-Dienst nach DSA anzunehmen.

Und wenn der DSA doch gelten sollte? Was dann?

Als Hosting-Dienst hätten Sie nachfolgenden Pflichten:

  • Allgemeine Informationspflichten/interne Prozesse

    • Einrichtung eines Notice-and-action-Systems, durch das Nutzer*innen sowie Dritte rechtswidrige Inhalte melden können
    • Benennung zentraler Kontaktstelle für die Kommunikation mit Behörden bzw. mit Nutzern
    • Jährliche Veröffentlichung von Transparenzberichten über das Lösch- und Sperrverhalten auf der Webseite (wobei hier eine gesetzliche Ausnahme für Kleinst- und Kleinunternehmer gilt).

Der Notice-and-action-Prozess muss nicht nur festgelegt werden. Hierzu sind Angaben in den AGB zu machen. Ebenso öffentlich zu benennen sind die erwähnten Kontaktstellen. Dies kann durch die Bereithaltung der entsprechenden Informationen in Ihrem Online-Shop entweder unter einem eigenständigen Link oder innerhalb von AGB erfolgen.

  • Anforderungen an Ihren AGB

Für die AGB würden folgende Anforderungen gelten:

  • Sie müssen in klarer, verständlicher und benutzerfreundlicher Sprache angeben, welche Beschränkungen und Moderationsmaßnahmen für Nutzerinhalte bestehen. Solche Beschränkungen müssen Sie vorab sorgfältig prüfen, sie müssen verhältnismäßig wirken. Dabei müssen die Interessen der Nutzer*innen berücksichtigt werden.

  • Wenn sich die Vermittlungsdienste an Minderjährige richten oder diese die Dienste überwiegend nutzen, müssen die AGB so verfasst sein, dass auch Minderjährige sie verstehen können.
  • Zudem müssen Sie die Nutzer*innen über wesentliche Änderungen der AGB informieren.
  • Mitteilungspflichten aus konkretem Anlass

Weiterhin würden sich die folgenden Pflichten ergeben, wenn ein konkreter Anlass besteht:

  • Ausführung von Anordnungen durch nationale Behörden zum Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte muss diesen unverzüglich mitgeteilt werden.
  • Meldung beim Verdacht der Begehung einer Straftat durch die veröffentlichten Inhalte der Nutzer und die Bereitstellung erforderlicher Informationen.
  • Beschränkungen für Nutzer, die rechtswidrige oder den Nutzungsbedingungen widersprechende Inhalte veröffentlicht haben, müssen klar und spezifisch begründet werden.
In diesem Zusammenhang müssen die entsprechenden Prozesse festgelegt werden.

Unser Tipp

Der Digital Services Act gilt unmittelbar seit 17.02.2024. „Klassische“ Online-Shops, die den Schwerpunkt ausschließlich auf die Bestell- und Werbefunktionalität gelegt haben und Ihrer Kundschaft die Bereitstellung und Speicherung von Nutzerinhalten insgesamt nicht ermöglichen, werden voraussichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen und hätten kein „to-do“. Wenn Ihr Online-shop allerdings z.B. einen Blogbereich unterhält und in diesem Rahmen Kommentare und/oder Bewertungen veröffentlicht, oder auf andere Weise Nutzerinhalte im Auftrag der Kundschaft speichert, kann die Rechtslage anders aussehen. Der Shop könnte dann als Hosting-Dienst oder gar, wenn auch wenig wahrscheinlich als Online-Plattform agieren und demnach entsprechende Pflichten nach der Verordnung zu erfüllen haben.

Unsere Partnerkanzlei FÖHLISCH Rechtsanwälte unterstützt Sie sehr gern jederzeit bei der Klärung potenzieller Fragen zu Ihrem Online-Shops und dem Digital Services Act. Ausführliche Informationen zum allgemeinen Hintergrund und Inhalt des DSA finden Sie im Übrigen hier.

26.07.24
Land auswählen: