Diese Basics im Gewährleistungsrecht müssen Sie kennen!

Inhaltsverzeichnis:

1. Grundvoraussetzung: Sachmangel
2. Weitere Voraussetzung: „Bei Gefahrübergang“
3. Liegt überhaupt ein Sachmangel vor? Die Beweislast
4. Welche Ansprüche können geltend gemacht werden?
5. Ausschluss des Gewährleistungsrechts
6. Welche Gegenansprüche haben Sie?
7. Unser Tipp

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„Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass die teuren Schuhe mit einem Kratzer im Leder geliefert wurden. Ich will sofort mein Geld zurück!“ Früher oder später trifft es alle Shopbetreiber*innen: Ein versendeter Artikel weist einen Mangel auf und die Kundschaft meldet sich mit diversen Forderungen. 

Welche Ansprüche Ihnen gegenüber tatsächlich geltend gemacht werden können und ob Sie als Shopbetreiber*in ein Mitspracherecht haben, erklären wir Ihnen in diesem Tipp der Woche. 

 

Grundvoraussetzung: Sachmangel

Auslöser gewährleistungsrechtlicher Ansprüche ist der sog. Sachmangel. Gem. § 434 Abs. 1 BGB liegt ein Sachmangel immer dann vor, wenn eine Sache nicht den subjektiven und objektiven Anforderungen als auch den Montageanforderungen entspricht, egal ob im B2B- oder im B2C-Bereich. Das klingt erst einmal recht abstrakt und soll daher weiter erklärt werden. 

 

In der Praxis bedeuten…

-        subjektive Anforderungen, dass die konkret getroffenen Vereinbarungen zwischen Ihnen und der Kundschaft eingehalten werden. 

Beispiel: Wurde vereinbart, dass ein Toaster mit matter Lackierung und drei Toastfächern geliefert werden soll, dieser jedoch in Glanzoptik und mit lediglich zwei Toastfächern geliefert wird, liegt Sachmangel aufgrund fehlender subjektiver Anforderungen vor. 

 

-        objektive Anforderungen, dass die Artikel den branchen- bzw. produktüblichen Anforderungen genügen müssen. 

Beispiel: Verbraucher*innen dürfen von einem Toaster erwarten, dass sich dieser nach Ablauf einer gewissen Zeit selbst abstellt und das Toast herausschnellen lässt, oder, dass der Toaster keine Schrammen o.Ä. aufweist. Auch die Beigabe einer Gebrauchsanleitung gehört zu den objektiven Anforderungen. 

 

-        Montageanforderungen, dass die Kaufsache, sofern erforderlich, sachgemäß montiert wird oder montiert werden kann. 

Beispiel: Angenommen der Beispieltoaster ist auf dem neusten Stand der Technik und kann in die Küche eingebaut werden. In diesem Fall bestehen die Montageanforderungen darin, dass entweder eine Montage zwischen Ihnen und dem*der Kund*in verabredet wird oder Sie eine Anleitung an die Hand geben, mithilfe derer eine sachgemäße Montage ermöglicht wird. 

 

Besonderheit: Waren mit digitalen Elementen

Bei Waren mit digitalen Elementen gehen die Anforderungen über den Sachmangelbegriff des § 434 BGB hinaus. 

  

Weitere Voraussetzung: „Bei Gefahrübergang“

Darüber hinaus muss der Sachmangel bei Gefahrübergang vorliegen. Damit ist der Zeitpunkt gemeint, ab dem Ihre Kundschaft das Risiko der Verschlechterung der Ware trägt. Bestand beim Sachmangel noch Einheitlichkeit bei der Beurteilung, muss an dieser Stelle jedoch zwischen gewerblicher Kundschaft (B2B) oder Verbraucher*innen (B2C) unterschieden werden:

  • Im B2B-Verhältnis liegt der Gefahrübergang bei der Übergabe an das Transportunternehmen vor. Die gewerbliche Kundschaft trägt also das Transportrisiko.
  • Bei Bestellungen im Verhältnis B2C geht die Gefahr hingegen erst im Zeitpunkt der Übergabe auf die Kundschaft über. Das bedeutet, Sie tragen das Risiko für einen Transportschaden. 

 

Liegt überhaupt ein Sachmangel vor? Die Beweislast

Die Ware war einwandfrei als sie das Lager verließ und Sie können sich nicht erklären, wie der*die Kund*in nun behaupten kann, sie sei mangelhaft. „Diese Behauptung muss der*die Kund*in erst mal beweisen!“, werden Sie sich denken. Bei gewerblichen Kund*innen gilt diese Beweislast auch genau in dieser Konstellation: Ob ein Mangel bei Gefahrübergang vorlag, muss der*die betroffene Kund*in beweisen. 

Anderes gilt hingegen beim Verbrauchsgüterkauf. Unter Verbrauchsgüterkäufen versteht man Verträge, durch die ein*e Verbraucher*in von einem Unternehmen eine Ware oder Dienstleistung kauft (vgl. § 474 BGB). Hier gilt die in § 477 BGB statuierte Beweislastumkehr, wonach grundsätzlich vermutet wird, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, sofern sich der Mangel innerhalb von einem Jahr zeigt. 

Diese Beweislastumkehr greift selbst im Fall eines sog. Folgemangels. Dieser liegt vor, wenn nach Gefahrübergang ein Mangel auftritt und nicht geklärt werden kann, ob dieser durch die mangelhafte Sache entstand oder der*die Verbraucher*in durch unsachgemäße Benutzung für dessen Entstehung verantwortlich ist.  

Beispiel:

Wird dem*der Verbraucher*in ein Handy geliefert, bei dem gelegentlich die Kamera nicht funktioniert und lässt es sich nach einiger Zeit nicht mehr einschalten, so könnte dieser Ausfall sowohl daran liegen, dass das Handy einen Sachmangel aufwies als auch an der unsachgemäßen Benutzung des*der Verbraucher*in. 

Durch die Beweislastumkehr wird zunächst vermutet, dass ein mangelhaftes Handy geliefert wurde und der Ausfall darauf zurückzuführen ist. Sie als Händler*in müssten dann nachweisen, dass kein Mangel vorlag und der Ausfall entsprechend nicht darauf zurückzuführen ist. 

 

Welche Ansprüche können geltend gemacht werden? 

1. Nacherfüllung

Liegt ein Sachmangel bei Gefahrübergang vor, so müssen Sie als Händler*in zunächst „nacherfüllen“, d.h. Sie müssen entweder den Mangel an der beschädigten Sache beseitigen oder ein mangelfreies Exemplar liefern. Welche Art der Nachbesserung Sie durchführen richtet sich grundsätzlich nach der Wahl der Kundschaft (vgl. § 439 Abs. 1 BGB). Dieses Wahlrecht hat jedoch auch seine Grenzen: Wenn die Reparaturkosten unmöglich oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sind, dürfen Sie die gewünschte Reparatur verweigern und der Kundschaft stattdessen eine neue Sache liefern. 

 Achtung: Der Rücktransport der mangelhaften Sache (sei es zum Zwecke der Reparatur oder des Austauschs) geht auf Ihre Kosten!

Beim Verbrauchsgüterkauf muss die Nacherfüllung darüber hinaus innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt der Unterrichtung des Mangels sowie ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen (vgl. § 475 Abs. 5 BGB). Konkret bedeutet das, dass die Kundschaft nicht davon abgehalten werden darf, ihre Ansprüche geltend zu machen, wie z. B. durch eine kostspielige Rücksendung von großen Waren. In einem solchen Fall darf der*die Verbraucher*in sogar einen Vorschuss für die Erstattung der Lieferkosten verlangen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.5.2019 – C-52/18).

 

2. Sekundäransprüche

Sollte die Nacherfüllung ausbleiben oder nicht rechtzeitig erfolgen, stehen der Käuferschaft diverse Ansprüche zu, die in § 437 BGB aufgezählt werden:

  • Minderung des Kaufpreises
  • Rücktritt vom Vertrag
  • Schadensersatz
  • Ersatz vergeblicher Aufwendungen

 

a) Minderung und Rücktritt

Hat der*die Käufer*in Ihnen erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, hat diese*r die Möglichkeit, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder alternativ den Kaufpreis zu mindern, sofern der Mangel nicht unerheblich ist. Die Unerheblichkeit ist zu messen an der Warenqualität, der Funktionsbeeinträchtigung sowie dem Aufwand für die Mangelbeseitigung. 

Doch Achtung: Die vorherige Fristsetzung kann auch entbehrlich sein

 

Im B2C-Bereich ist dies grundsätzlich der Fall, wenn

  • Sie die Nacherfüllung von Vorneherein unberechtigt verweigern oder sich dies aus den Umständen offensichtlich ergibt,
  • sich trotz Ihres Nachbesserungsversuch ein Mangel zeigt oder
  • ein derart schwerwiegender Mangel vorliegt, der einen sofortigen Rücktritt rechtfertigt. 

 

Im B2B-Bereich ist eine Frist entbehrlich, wenn

  • Sie die Nacherfüllung von Vorneherein unberechtigt verweigern oder sich dies aus den Umständen offensichtlich ergibt,
  •  Beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind,
  •  die Nacherfüllung dem*der Käufer*in unzumutbar ist (z. B. wenn Sie ihn bewusst getäuscht haben)
  • die Nachbesserung ein zweites Mal fehlgeschlagen ist. 

 

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b) Schadensersatz und Ersatz vergeblicher Aufwendungen

Ist dem*der Kund*in durch den Mangel der gekauften Sache ein Schaden entstanden, so hat er*sie einen Anspruch auf Schadensersatz. Das bedeutet, es muss der Zustand wieder hergestellt werden, der ohne den Mangel bestanden hat. Die Beweislast liegt in diesem Fall bei Ihnen.

Beispiel: Zerstört ein mangelhaftes Küchengerät einen Teil einer Einbauküche, so ist es an Ihnen zu widerlegen, dass der Schaden an der Einbauküche nicht durch einen Mangel des Küchengerätes verursacht wurde. Können Sie dies nicht beweisen, so müssen Sie dem*der Kund*in den Schaden ersetzen. 

Die gleiche Beweislast trifft Sie auch im Fall des Ersatzes vergeblicher Aufwendungen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Zimmerer eine Bohrmaschine kauft, die er im Rahmen eines Bauprojektes nutzen möchte. Funktioniert die Bohrmaschine nun aufgrund eines Mangels nicht und muss sich der Zimmerer kurzfristig eine Bohrmaschine in einem Fachhandel ausleihen, so darf er die hierfür entstandenen Kosten von Ihnen ersetzt verlangen. 

 

Ausschluss des Gewährleistungsrechts

Das Gewährleistungsrecht gilt jedoch nicht grenzenlos. Im B2B-Bereich ist das Gewährleistungsrecht ausgeschlossen, wenn der*die Käufer*in den Mangel bei Vertragsschluss kannte oder hätte erkennen müssen(vgl. § 442 BGB). 

Im B2C-Bereich gilt diese Einschränkung jedoch nicht. Der*die Verbraucher*in hat trotz Kenntnis oder grobfahrlässiger Unkenntnis der Mangelhaftigkeit einer Sache weiterhin Gewährleistungsansprüche.

 

Verjährung der Gewährleistungsansprüche

Für beide Bereiche (B2B und B2C) gilt jedoch, dass die Gewährleistungsansprüche verjähren können. Die Frist beträgt grundsätzlich 2 Jahre ab Gefahrübergang (vgl. § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB). Im B2B-Bereich können Sie diese Frist sogar in Ihren AGB beschränken, indem Sie die Frist bei Neuwaren auf ein Jahr reduzieren (gem. § 309 Nr. 8 b) ff BGB) und bei Gebrauchtwaren sogar vollständig ausschließen. 

Doch Vorsicht: Dies dürfen Sie nicht im B2C-Bereich! Hier ist lediglich eine Fristverkürzung bei gebrauchten Waren zulässig, die jedoch ausdrücklich mit dem*der Verbraucher*in vereinbart werden muss, beispielsweise durch eine Checkbox vor Abschluss der Bestellung. 

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Welche Gegenansprüche haben Sie?

Solch‘ eine Spannbreite an Ansprüchen kann einem als Händler*in durchaus Bauchschmerzen bereiten. Denn schließlich ist die Abwicklung des Gewährleistungsrechts in vielen Fällen arbeitsintensiv und mit teilweise hohen Kosten verbunden. Deshalb sollten Sie auch Ihre eigenen Ansprüche beachten, wie z. B. Wertersatz oder Nutzungsersatzanspruch. Auch die Rügeobliegenheit im B2B-Bereich spielt eine wichtige Rolle. Mehr dazu finden Sie in unserem Tipp der Woche Unternehmerregress - oder: „Wie Sie als Online-Händler und Online-Händlerin Ihr Geld wiederbekommen“ (Update)

 

Unser Tipp

Das Gewährleistungsrecht stellt eine große Verantwortung für Online-Shops dar, gilt jedoch nicht unbegrenzt. Um alle Details und Ausnahmen im Blick zu haben, insbesondere hinsichtlich digitaler Waren und Gegenansprüchen, sind Sie mit unseren Whitepapern auf der sicheren Seite! 

 

Über die Autorin


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Sabrina Brosch, LL.M., ist Teamlead Privacy Consultants bei Trusted Shops im Bereich Legal Services. Jurastudium an der Universität zu Köln und der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne mit LL.M. Abschlüssen beider Universitäten mit dem Schwerpunkt Internationales Privatrecht. Seit 2015 im Team von Trusted Shops war sie zunächst für die Prüfung von Online-Shops der Märkte DE, AT, CH und FR zuständig und verantwortete das Operational Management der Key Account Kunden in diesem Bereich. Sie setzt sich intensiv mit dem Wettbewerbs- und E-Commerce-Recht auseinander und betreut die Trusted Shops Legal Produkte.

27.10.22

Sabrina Brosch

Sabrina Brosch, LL.M., ist als Teamlead der Legal Consultants Privacy bei Trusted Shops tätig. Sie betreut die Trusted Shops Legal Produkte im Bereich Datenschutz.

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