DSGVO-Verstöße: Wo droht Abmahngefahr?

Für Online-Händlerinnen und Händler kann die Nichteinhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben seit Geltung der DSGVO erhebliche Konsequenzen haben.

Bei Verstößen gegen die DSGVO drohen nicht nur Ärger mit der Aufsichtsbehörde und hohe Bußgelder, auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind möglich.

Aber können Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerber oder Wettbewerbsvereine eigentlich Verstöße gegen die DSGVO abmahnen?

Kaum eine andere Frage wird in der Theorie und Praxis so heiß diskutiert und von nationalen Gerichten so uneinheitlich entschieden wie diese.

Besonders bei Online-Händlerinnen und Händlern führt dies häufig zu Rechtsunsicherheit. In diesem Rechtstipp der Woche klären wir die Hintergründe der Diskussion sowie die aktuelle Rechtsprechung und geben einen Ausblick auf die mögliche Rechtsentwicklung.

 

Was ist eigentlich eine Abmahnung?

Eine Abmahnung ist die Mitteilung einer oder eines Anspruchsberechtigten an eine andere bzw. einen anderen, mit dem Inhalt dass er oder sie sich durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung wettbewerbswidrig verhalten habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen und binnen einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Abmahnung ermöglicht es, eine Auseinandersetzung schnell und ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu erledigen.

Im Bereich des Wettbewerbsrecht hat die Abmahnung ihren gesetzlichen Niederschlag in § 12 Abs. 1 UWG gefunden. Weitere Informationen zur wettbewerbsrechtlichen Abmahnung finden Sie in unserem Rechtstipp der Woche „Abmahnung - was genau bedeutet das und wie handeln Sie richtig?“.

 

Welche Verstöße sind abmahngefährdet?

Voraussetzung für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist ein unlauteres geschäftliches Handeln. Unlauter handelt unter anderem, wer gemäß § 3a UWG gegen Marktverhaltensregeln verstößt.

Marktverhaltensregeln sind Normen, die zumindest auch dazu bestimmt sind, das Marktverhalten und die Interessen der Marktteilnehmerinnen bzw. Marktteilnehmer zu regeln.

Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient und auf Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerber, Verbraucherinnen bzw. Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmerinnen bzw. Marktteilnehmer einwirkt. Dazu gehören z. B. der Abschluss von Verträgen oder Werbung.

Eine Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregel setzt außerdem voraus, dass der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Erfahrungsgemäß werden besonders häufig Verstöße gegen das Widerrufsrecht und allgemeine Informationspflichten sowie fehlerhafte AGB und Preisangaben abgemahnt. Weitere Informationen können Sie unserer Abmahnumfrage 2019 entnehmen.

An der Abmahnumfrage 2020 können Sie übrigens hier teilnehmen & sich gleichzeitig die Chance auf ein iPhone 11 Pro sichern.

 

Ist die DSGVO eine Marktverhaltensregel?

Der zentrale Streitpunkt der Diskussion ist die Frage, ob Datenschutzregeln auch Marktverhaltensregeln gemäß § 3a UWG sind und Verstöße somit abgemahnt werden können.

Befürworterinnen und Befürworter sehen Daten als Handelsgut mit Wirtschaftswert:

Die Datenverarbeitung stehe im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Interessen, sodass die DSGVO eine Marktverhaltensregel sei und Verstöße abgemahnt werden können.

Dem wird allerdings entgegengebracht, dass der Gegenstand der DSGVO der Schutz von Grundfreiheiten und Grundrechten natürlicher Personen sei und nicht bezweckt wird, den Markt zu regeln oder die Freiheit von Wettbewerbern zu schützen.

Überwiegend wird eine vermittelnde Ansicht vertreten, wonach nicht pauschal, sondern anhand einer Einzelfallbetrachtung bestimmt wird, ob die entsprechende DSGVO-Norm eine Marktverhaltensregel sei.

Eine abschließende Klärung der Frage ist jedoch noch nicht gegeben. 

 

Wer darf überhaupt abmahnen?

Gemäß § 8 Absatz 3 UWG können Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerber, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, qualifizierte Einrichtungen nach dem sog. Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) und Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung aussprechen.

Ob sie auch Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können, ist ebenfalls sehr umstritten.

Vielfach wird dies, mit dem Hinweis, dass Art. 77- 84 DSGVO abschließend die Rechtsdurchsetzung betroffener Personen regeln, verneint. Wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigte bleiben hingegen außen vor.

Kritisch wird dieser Auffassung u. a. entgegengehalten, dass die effektive Durchsetzung des Datenschutzrechts im Sinne des europäischen Grundsatzes,,effet utile“ im Vordergrund stehe. Die Durchsetzung durch Mitbewerberin bzw. Mitbewerber entfalte positive Auswirkungen auf die Wirksamkeit der DSGVO, sodass wettbewerbsrechtliche Abmahnungen möglich sein sollen.

Auch hier sorgen die unterschiedlichen Auffassungen für Rechtsunsicherheit.

Ein weiteres Abmahnrisiko bleibt jedoch nach dem Unterlassungsklagegesetz in jedem Fall bestehen. Die gem. § 3a UKlaG anspruchsberechtigten Verbände und sog. qualifizierte Einrichtungen nach § 4 UKlaG haben bei Datenschutzverstößen gem. § 2 Abs. 2 Nr. 11 UKlaG ein eigenes Klagerecht.

 

Bisherige Rechtsprechung

Einige Gerichte entschieden bereits über die Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die wesentlichen Entscheidungen im Überblick dar.

Entscheidungen, nach denen DSGVO-Verstöße wettbewerbsrechtlich relevant und somit abmahnfähig sind:

● Das LG Würzburg hatte sich in der ersten Entscheidung ohne weitergehende Begründung für die Abmahnfähigkeit einer unzureichenden Datenschutzerklärung ausgesprochen (Beschl. v. 13.09.2018 – 11 O 1741/18).

● Das OLG Hamburg vertrat die Ansicht, dass DSGVO-Verstöße abgemahnt werden können, wenn die datenschutzrechtliche Norm eine Marktverhaltensregel darstelle. Einen abgeschlossenen Sanktionskatalog enthält die DSGVO indes nicht (Urt. v. 25.10.2018 – 3 U 66/17).

● Das OLG München hat sich gegen eine Sperrwirkung der DSGVO für wettbewerbsrechtliche Ansprüche ausgesprochen. Danach können Wettbewerber DSGVO-Verstöße über das UWG abmahnen (Urt. v. 07.02.2019 –  6 U 2404/18). Im vorliegenden Fall ging es um Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung der betroffenen Person.

● Das OLG Naumburg (Urt. v. 07.11.2019 – 9 U 6/19) schloss sich der Entscheidung des OLG Hamburgs an und entschied, dass bestimmte Regelungen der DSGVO Marktverhaltensregeln seien und somit abgemahnt werden können. Im vorliegenden Fall ging es um die Nutzung von Daten zu Werbezwecken.

● Ebenfalls führte das OLG Stuttgart (Urt. v. 27.2.2020 – 2 U 257/19) an, dass DSGVO-Verstöße abmahnbar seien, wenn sie verbraucherschützend und als Marktverhaltensregel anzusehen seien. Hier wurde dies für Art. 13 DSGVO (Informationspflichten der Datenschutzerklärung) bejaht.

 

Entscheidungen, nach denen die Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen verneint wurden:

● Das LG Bochum (Beschl. v. 07.08.2018 – I-12 O 85/15) hat dagegen entschieden, dass ein Verstoß gegen Informationspflichten nach Artikel 13 DSGVO von einem Mitbewerber nach dem UWG nicht abmahnfähig sei. Außerdem seien die Betroffenenrechte nach Art. 77 – 84 DSGVO abschließend.

● Das LG Wiesbaden hat ebenso entschieden, dass die Regelungen der DSGVO abschließend und das Wettbewerbsrecht nicht anwendbar seien (Urt. v. 05.11.2018 – 5 O 214/18).

● Auch das LG Magdeburg lehnte eine Klagemöglichkeit über das UWG ab (Urt. v. 18.01.2019 – 36 O 48/18). Die DSGVO enthalte ein abschließendes Sanktionssystem. Wettbewerber hätten daher keine Klagebefugnis nach dem UWG.

Der Flickenteppich an Gerichtsentscheidungen verschafft leider wenig Klarheit, ob Verstöße gegen die DSGVO nun abgemahnt werden können.

Verbotene Handlungen im Internet wirken sich grundsätzlich nicht punktuell an einem Ort, sondern bundesweit aus. Die Erfolgschancen der Abmahnung richten sich aufgrund des sogenannten „fliegenden Gerichtstandes“ also nicht unerheblich danach, wo geklagt wird.

 

Hoffnungsschimmer: Das Anti- Abmahngesetz

Es besteht jedoch ein Grund zur Hoffnung: Am 10.09.2020 wurde im Bundestag ein Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen, welches jetzt dem Bundesrat vorliegt. So sollen insbesondere die folgenden Gesetzesänderungen für Klarheit und Entlastung im Abmahnungs-Wirrwarr sorgen:

Nach § 13 Abs. 4 UWG-Entwurf können Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerber Verstöße gegen die DSGVO und das BDSG zwar weiterhin abmahnen, die anfallenden Kosten der Abmahnung können jedoch nicht vom Abmahner verlangt werden.

Hiervon ausgenommen sind Unternehmen, die in der Regel mehr als 250 Mitarbeiterin und Mitarbeiter beschäftigen.

Vorsicht: Die Einschränkung gilt nicht für qualifizierte Wirtschaftsvereine. Außerdem können Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerbern weiterhin bei Verstößen gegen die DSGVO Klage erheben.

§ 14 Abs. 2 UWG-Entwurf schränkt den fliegenden Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten wegen Verstößen im elektronischen Geschäftsverehr oder in Telemedien ein.

Ob die Gesetzesänderungen in Kraft treten und zum gewünschten Erfolg führen bleibt abzuwarten. Eine Ausführliche Stellungnahme zu der Thematik finden Sie hier.

 

Unser Tipp

Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, ob Verstöße gegen die DSGVO abgemahnt werden können und falls ja, von wem. Da die DSGVO europäisches Recht ist, bedarf es einer höchstrichterlichen Entscheidung des EuGH zur abschließenden Klärung der Frage der Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen.

Derweil hat der BGH (Beschl. v. 28.05.2020 – I ZR 186/17) die entsprechende Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH wird für Klarheit sorgen und mit Spannung erwartet.

Zum jetzigen Stand sollten die Chancen jedoch gut stehen, dass Abmahnungen von DSGVO-Verstößen nicht erfolgreich sind. Das gilt insbesondere für den Fall, dass Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerber diese aussprechen. Auch wenn ein vermeintlich gemeinnütziger Verein abmahnt, sollten Sie genau überprüfen, um was für einen Verein es sich handelt.

 

 

Über den Autor


Konstantin

Konstantin Schröter ist Master of Laws (LL.M.) und als Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH tätig. Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts an der Technischen Universität Dresden sowie Masterstudium an der Technischen Hochschule Köln. Im Rahmen seiner Tätigkeit betreute er den Audit-Prozess DACH und war für die Vorabprüfung kritischer Geschäftsmodelle bezüglich der Einhaltung der Trusted Shops Qualitätskriterien zuständig. Konstantin Schröter betreut die Trusted Shops Abmahnschutzpakete und setzt sich intensiv mit rechtlichen Fragestellungen des E-Commerce auseinander.

17.09.20
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