Gewährleistungsrecht: Müssen Sie auch für Mangelfolgeschäden haften?

Inhaltsverzeichnis:

1. Neues Kaufrecht seit dem 01. Januar 2022
2. Was ist ein Mangelfolgeschaden?
3. Wann haften Online-Shops im B2C-Geschäft?
4. Kann die Haftung vertraglich ausgeschlossen werden?
5. 
Wann haften Online-Shops im B2B-Geschäft?
6. 
Unser Tipp

 

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Im Online-Handel gehört es zum Alltag, dass auch mal etwas nicht nach Plan läuft. Früher oder später sieht sich jeder Online-Shop mit Haftungsbegehren seiner Kundschaft konfrontiert. Stellt eine Kundin oder ein Kunde einen Mangel an der verkauften Sache fest, können diese zunächst entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

Doch was passiert, wenn der Mangel zu einem Schaden an anderen Rechtsgütern von Verbrauchern geführt hat, der sich durch Nacherfüllung nicht beseitigen lässt? Unter welchen Voraussetzungen Online-Shops in diesen Fällen haften und ob sie diese Haftung ausschließen können, erfahren Sie in unserem Rechtstipp der Woche.

Neues Kaufrecht seit dem 01. Januar 2022

Ist eine Sache mangelhaft, richten sich die Ansprüche des Verbrauchers nach § 437 BGB. Vorrangig besteht ein Anspruch auf Nacherfüllung. Unter gewissen Voraussetzungen können Käufer außerdem vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder sogar Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. Es findet also das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht Anwendung.

Einen Überblick über die neue Rechtslage seit dem 01. Januar 2022 geben wir in diesem Rechtstipp der Woche, in dem wir auf die Neuerungen im Kaufrecht eingehen.

Was ist ein Mangelfolgeschaden?

Was ist aber, wenn der Kundschaft aufgrund einer mangelhaften Sache ein Schaden an anderen Rechtsgütern entsteht?

Beispiel: Sie verkaufen eine defekte Wandhalterung für Smart-TVs. Aufgrund des Mangels stürzt der Fernseher zu Boden und wird stark beschädigt. Oder stellen Sie sich vor, Sie verkaufen eine Trittleiter für einen Outdoor-Swimmingpool. Aufgrund eines Mangels bricht beim Besteigen durch den Verbraucher eine Sprosse und die Kundin oder der Kunde verstaucht sich den Knöchel.

Ein Mangelfolgeschaden entsteht also, wenn ein Mangel einen Schaden beim Verbraucher verursacht, der über die Mangelhaftigkeit der Kaufsache hinausgeht.

Wann haften Online-Shops im B2C-Geschäft?

Ein Schadensersatzanspruch von Verbrauchern gegen Unternehmen kann sich entweder aus dem kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht oder aus dem Deliktsrecht ergeben.

Vertragliche Haftung

Besteht ein Kaufvertrag, muss zunächst ein Sachmangel bei Übergabe an den Verbraucher (Gefahrübergang) vorgelegen haben.

Im B2C-Geschäft gilt in diesem Zusammenhang allerdings eine Beweislastumkehr gemäß § 477 BGB zulasten von Unternehmern, wenn der Mangel innerhalb eines Jahres nach Übergabe der Sache auftritt. In diesem Zeitraum müssen Sie also beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war. Dies gestaltet sich häufig schwierig.

Ist somit eine Pflichtverletzung bewiesen, nämlich die Übergabe einer mangelhaften Sache, müssen Sie diese Pflichtverletzung zu vertreten haben. Anders gesagt: Sie müssen Ihre Pflicht zur Übergabe einer mangelfreien Sache vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben.

Da Online-Shops ihre Ware normalerweise nicht selbst herstellen, haben sie Fehler im Rahmen der Produktion nicht zu vertreten. Wohl aber müssen Sie sich gemäß § 278 BGB Fehler Ihrer Angestellten zurechnen lassen.

Als Schädigungshandlungen kommen somit insbesondere der unsachgemäße Umgang mit der Ware in Betracht, also die falsche Behandlung oder Lagerung der Ware. Daneben haften Sie aber auch dann, wenn Sie den Mangel kannten und diesen vorsätzlich verschwiegen haben. Fahrlässige Unkenntnis wird hingegen nur dann zum Problem, wenn Online-Shops ihre stichprobenartigen Prüfpflichten missachten.

Praxistipp: Ein gut organisierter Betrieb kann sich vor der Inanspruchnahme dadurch schützen, dass er die von ihm durchgeführten regelmäßigen Stichproben sorgfältig und gut nachvollziehbar dokumentiert. Damit lässt sich vor Gericht im Ernstfall nachweisen, dass in angemessenen Abständen die verkauften Produkte auf ihren ordnungsgemäßen Zustand hin überprüft worden sind. Die Beweislast hierfür tragen Verkäufer, da gemäß § 280 Abs. 1 BGB das Vertretenmüssen grundsätzlich vermutet wird und somit widerlegt werden muss.

Zuletzt muss dem Verbraucher selbstverständlich ein Schaden entstanden sein, den der Unternehmer ersetzen kann.

Deliktische Haftung

Neben der vertraglichen Haftung kommt auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Dieser setzt zunächst eine Rechtsgutsverletzung durch den Online-Shop voraus.

Da über das Deliktsrecht grundsätzlich keine strukturellen Ungleichheiten ausgeglichen werden sollen, wie es im Kaufrecht der Fall ist, existiert in diesem Bereich auch keine Beweislastumkehr. Damit muss bei einem deliktischen Anspruch eine Pflichtverletzung und das Verschulden des Online-Shops (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) durch den Verbraucher nachgewiesen werden.

Da sich dieser Beweis nur schwer führen lässt, ist der deliktische Schadensersatz in solchen Fällen wenig erfolgsversprechend.

Kann die Haftung vertraglich ausgeschlossen werden?

Vorausschauende Online-Händlerinnen und -Händler möchten diese Haftung natürlich so gut es geht vermeiden, womit sich die Frage aufdrängt, ob die Haftung für Mangelfolgeschäden vertraglich zum Beispiel in AGB ausgeschlossen werden kann.

Zwar ist es bei Verbrauchsgüterkäufen grundsätzlich möglich, von den gesetzlichen Regelungen zum Schadensersatz abzuweichen, auch wenn das die Rechtsstellung des Verbrauchers beeinträchtigt. Das AGB-Recht stellt diesbezüglich allerdings weitaus höhere Hürden auf.

Unangemessene Benachteiligung durch Haftungsausschluss

Nach § 307 Abs. 2 BGB sind AGB-Klauseln unwirksam, die die Haftung für Schäden ausschließen, die durch die mangelhafte Erfüllung von wesentlichen Vertragspflichten entstehen. Anderenfalls würden die Rechte des Vertragspartners, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, derart eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und der Verbraucher unangemessen benachteiligt würde.

Die Übergabe einer mangelfreien Sache ist eine wesentliche Pflicht aus dem Kaufvertrag. Die Haftung für Mangelfolgeschäden auszuschließen ist folglich in AGB unzulässig. Für zulässig erachtet wird nur, dass die Haftung bei einfacher Fahrlässigkeit (der Höhe nach) auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren Schäden beschränkt wird.

Hinweis: Die Gestaltung von AGB sollten Sie insbesondere in Haftungsfragen Fachleuten überlassen. Denn die Rechtslage ist komplex und kann sich beispielsweise durch neue Rechtsprechung ändern. Außerdem wiegen Fehler schwer, weil bereits kleine Fehler zur Ungültigkeit der gesamten Klausel führen können.

Wir legen Ihnen deshalb unseren kostenlosen Rechtstexter ans Herz, mit dem Sie einfach und schnell sichere Rechtstexte für Ihren Online-Shop erstellen können.

Im Ergebnis kann die Haftung für Mangelfolgeschäden nur individualvertraglich vereinbart werden, da auf eine solche Absprache das AGB-Recht nicht anwendbar ist. Dies setzt aber zumindest ernsthafte Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien voraus, in der für den Verbraucher eine Einflussnahmemöglichkeit auf den Ausgang der Verhandlung besteht.

Haftungsbegrenzung für deliktischen Schadensersatzanspruch möglich

Anders sieht es in Bezug auf den deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch aus. Hier kann die Haftung immerhin für einfach fahrlässig verursachte Schäden ausgeschlossen werden, solange diese gemäß § 309 Nr. 7 lit. a) BGB nicht die Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit betreffen.

Auch wenn in diesen Fällen neben dem deliktsrechtlichen Anspruch immer auch ein gewährleistungsrechtlicher Anspruch besteht, ist diese Haftungsbegrenzung trotzdem ratsam. Denn deliktische Ansprüche verjähren innerhalb von 3 Jahren und nicht wie die gewährleistungsrechtlichen Ansprüche innerhalb von nur 2 Jahren. Je nachdem könnten Unternehmer über das Deliktsrecht also länger in Anspruch genommen werden.

Wann haften Online-Shops im B2B-Geschäft?

Im B2B-Bereich gelten häufig andere Regeln, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass beide Vertragspartner über ausreichend Erfahrung im geschäftlichen Verkehr verfügen und deshalb nicht schutzbedürftig sind.

Die Anspruchsgrundlagen sind allerdings beinahe identisch, bis auf die Tatsache, dass die Beweislastumkehr gemäß § 477 BGB nicht gilt. Geschädigte müssen also beweisen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache vorlag. Liefert der Hersteller unmittelbar an den Gewerbetreibenden, findet überdies das Produkthaftungsgesetz Anwendung.

Auf Haftungsbegrenzungen in AGB findet das AGB-Recht im Vergleich zum B2C-Geschäft keine uneingeschränkt Anwendung. Jedoch werden die Wertungen auf das B2B-Geschäft übertragen, sodass eine Haftungsbegrenzung im B2B-Geschäft auch nur im selben eingeschränkten Umfang möglich ist.

Im B2B-Bereich gilt jedoch die sogenannte Rügeobliegenheit gemäß § 377 HBG: Mängel müssen dem Verkäufer unverzüglich mitgeteilt werden, sonst gehen die Gewährleistungsrechte des Käufers verloren. Unverzüglich bedeutet dabei, dass die Mängelanzeige ohne schuldhaftes Zögern, also gewissermaßen so schnell wie möglich erfolgen muss. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Ansprüche aus dem Deliktsrecht (bspw. aus dem ProdHaftG) sind hiervon nicht betroffen und können weiterhin geltend gemacht werden.

 

Unser Tipp

Online-Shops haften für Mangelfolgeschäden sowohl im B2C- als auch im B2B-Geschäft. Diese Haftung lässt sich bei einfacher Fahrlässigkeit auf vorhersehbare Schäden beschränken. Wer die Waren nicht selbst herstellt und seinen Betrieb sorgfältig einrichtet und führt, sollte also keine allzu großen Überraschungen erleben.

 

Über die Autorin


Tetiana

Tetiana Popova ist Wirtschaftsjuristin und als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig. Ihr Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts sowie Masterstudium des Medienrechts und Medienwirtschafts hat sie an der Technischen Hochschule Köln absolviert. Sie betreut die Trusted Shops Legal Produkte und setzt sich intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, wie Datenschutz- und E-Commerce-Recht auseinander.

28.04.22

Tetiana Popova

Tetiana Popova ist als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig und setzt sich intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, wie Datenschutz- und E-Commerce-Recht, auseinander.

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