Neuerungen im Gewährleistungsrecht: Das BGB und Smart-TVs

Inhaltsverzeichnis:

1. Stand des Gesetzgebungsverfahrens
2. Wer ist betroffen?
3. Neuer Mangelbegriff
4. Neue Regelungen zu Ein- und Ausbaukosten
5. Nachweis der Rücksendung genügt
6. Beweislastumkehr wird verlängert
7. Bestimmungen zu Garantie
8. Sachen mit digitalen Elementen
9. Unser Tipp

Nun ist ein für Sie als Online-Händlerin oder -Händler wichtiges Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Die Bundesregierung plante eine Novellierung des Kaufrechts in Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie. Neben einer weiteren Stärkung der Verbraucherinteressen im Rahmen der Gewährleistungsrechte wurden erstmals Regelungen zur Waren mit digitalen Elementen (wie Smart-TVs) in das BGB eingeführt.

In diesem Rechtstipp der Woche haben daher die wichtigsten Änderungen zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie für Sie zusammengefasst.

Stand des Gesetzgebungsverfahrens 

Anfang diesen Jahres veröffentlichte die Bundesregierung ihren Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie (RL 2019/771).

Nach der öffentlichen Anhörung vom 05.05.2021 im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wurde am 24.06.2021 der Gesetzesentwurf im Bundestag beschlossen.

Am 30.06.2021 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet.

Wer ist betroffen? 

Vorauszuschicken ist, dass die Änderungen vor allem für das Verbrauchsgüterrecht, also im B2C-Bereich, erfolgen. Der B2B-Bereich bleibt somit von der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie weitgehend – aber nicht komplett - unberührt.

Die neuen Regelungen werden für alle Kaufverträge, egal ob online oder im Einzelhandel, gelten und am 01.01.2022 in Kraft treten.

Neuer Mangelbegriff  

Zunächst führt die Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie einen neuen Mangelbegriff ein. Der neue § 434 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Kaufsache frei von Sachmängeln ist, wenn sie den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.

Zur näheren Erläuterung:  

Subjektive Anforderung meint die von Ihnen mir Ihrer Kundschaft getroffenen Vereinbarungen.  
Beispiel: Im Rahmen eines Kühlschrankverkaufs verabreden Sie und Ihre Kundschaft, dass dieser rot ist und Sie eine extra Gemüseschublade einfügen.  

Objektive Anforderung meint, dass die Sache den branchenüblichen Anforderungen genügen muss. 
Beispiel: Der verkaufte Kühlschrank muss zur Kühlung von Lebensmitteln geeignet sein, zudem müssen diesem u.a. das Zubehör und alle Anleitungen beilegen, die die Kundschaft bei Kühlschränken erwarten können.   

Montageanforderung meint, dass die Sache sachgemäß montiert wird oder montiert werden kann. 
Beispiel: Sie montieren den Kühlschrank sachgemäß oder, falls Sie keine Montage verabredet haben, geben Ihrer Kundschaft eine Anleitung an die Hand, die eine sachgemäße Montage des Kühlschranks ermöglicht. 

Wenn alle drei Anforderungen erfüllt sind, ist die Sache mangelfrei

Die objektiven Anforderungen können im Wege einer Beschaffenheitsvereinbarung zwar weiterhin angepasst werden - an diese stellt der neue § 476 BGB im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs jedoch strenge Anforderungen. Die Abweichung muss im Vertrag von nun an ausdrücklich und gesondert vereinbart, sowie der Verbraucher hiervon ausdrücklich in Kenntnis gesetzt werden.

Diese Änderung des Mangelbegriffs wird sowohl für den B2C- als auch den B2B-Bereich gelten.

Neue Regelung zu Ein- und Ausbaukosten 

Hat der Verbraucher die mangelhafte Sache in eine andere Sache eingebaut, trifft den Verkäufer auch derzeit die Pflicht, auf seine Kosten die mangelhafte Sache auszubauen und eine neue mangelfreie Sache einzubauen. Dies wird ein Verkäufer von nun an jedoch nicht mehr mit dem Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten ablehnen können, da diese Regelungen ersatzlos gestrichen wurde.

Nachweis der Rücksendung genügt 

Grundsätzlich findet die Rückgewähr der Leistungen im Rücktritt „Zug um Zug“ statt, also gleichzeitig. Das heißt, Sie erhalten Ware zurück und überweisen gleichzeitig Kaufpreis zurück. Von nun an wird Sie eine Pflicht zur Rückgewähr bereits treffen, wenn der Verbraucher einen Nachweis der Rücksendung vorlegt, vgl. § 475 Abs. 6 BGB (neu).

Eine entsprechende Regelung kennen Sie bereits aus dem Widerrufsrecht. Leider bleibt weiterhin ungeklärt, welchen genauen Anforderungen an den Nachweis der Rücksendung zu stellen sind.

Beweislastumkehr wird verlängert 

Auch zu der bei Verträgen mit Verbrauchern geltenden Beweislastumkehr wird es Veränderungen geben. Unter Beweislastumkehr versteht man die Vermutung, dass die Kaufsache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn der Mangel innerhalb eines bestimmten Zeitraums auftritt. Dieser Zeitraum soll nun von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert werden.

Der neue § 477 Abs. 2 BGB bestimmt für Waren mit digitalen Elementen, bei welchen die digitalen Elemente dauerhaft bereitgestellt werden, keine feste Beweislastumkehr für Mängel an den digitalen Elementen. Diese wird hier während des Bereitstellungszeitraums, mindesten aber zwei Jahre gelten.

Bestimmungen zur Garantie 

Zudem werden neue Anforderungen an Garantien gestellt, die der Kundschaft gewährt werden können. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Gewährleistungsrechten handelt es sich bei einer Garantie um ein freiwilliges Schuldversprechen. Hiervon bleiben die „normalen“ Gewährleistungsrechte unberührt.

Haben Sie daher einen Blick drauf, ob Sie Ihre Garantieerklärungen vor Inkrafttreten des Gesetzes noch anpassen müssen.

Keine Fristsetzung mehr für Rücktritt und Schadensersatz erforderlich 

Eine weitere Veränderung wird die Entbehrlichkeit einer angemessen Fristsetzung von Seiten des Verbrauchers bei Rücktritt und Schadensersatz sein. Nach § 475d BGB (neu) sollen diese ohne Fristsetzung möglich sein, wenn Sie eine Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist nach Kenntnis nicht vorgenommen haben. Einer ausdrücklichen Fristsetzung des Verbrauchers bedarf es somit gerade nicht mehr. Der Verbraucher muss nur noch den Mangel anzeigen, wodurch der Fristlauf einer angemessenen Frist beginnt.

Neue Verjährungsregelungen 

Auch bezüglich der Verjährung finden sich neue Vorschriften im Gesetzesentwurf. Ab nun wird gelten: Mängelansprüche verjähren nicht vor Ablauf einer Frist von vier Monaten nach Auftreten des Mangels. Hiermit soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher seine Gewährleistungsrechte auch dann geltend machen kann, wenn der Mangel erst kurz vor Ablauf der Verjährung auftritt. Tritt der Mangel also am letzten Tag der zweijährigen Verjährungsdauer auf, hat der Verbraucher nun nochmal vier Monate seine Gewährleistungsrechte geltend zu machen.

Daher sollten Sie nun also eine Gewährleistungszeit von insgesamt 28 Monaten einkalkulieren.

Darüber hinaus gilt weiterhin, dass bei neuen Sachen eine Verkürzung der Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren nicht möglich ist. Bei gebrauchten Sachen hingegen wird eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf nicht weniger als ein Jahr möglich sein, auch hier muss dies im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden und der Verbraucher hierüber eigens in Kenntnis Gesetz werden.

Zudem werden Sonderbestimmungen zur Verjährung beim Kauf von Sachen mit digitalen Elementen, bei denen das digitale Element dauerhaft bereitgestellt wird, eingefügt.

Sachen mit digitalen Elementen 

Von nun an werden auch Regelungen für Kaufverträge über Sachen mit digitalen Elementen im BGB zu finden sein. Eine Sache mit digitalen Elementen definiert das Gesetz wie folgt:

„Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können.“ (§ 327a Abs. 3 BGB)

Hiervon erfasst sind beispielsweise Smart-TV’s, Smartphones, Smartwatches, aber auch Saugroboter und Haushaltsgeräte mit digitalen Anwendungen.

Damit eine Ware mit digitalen Elementen mangelfrei ist, muss sie nach dem Entwurf auch den Installationsanforderungen genügen, d.h. insbesondere, dass die Installation der digitalen Elemente sachgemäß durchgeführt werden kann. Des Weiteren ist hier die Aktualisierungspflicht zu beachten, nach welcher das Unterlassen von Aktualisierungen des digitalen Elements zu eine Mangelhaftigkeit führt. Die genaue Dauer der Aktualisierungspflicht ist nicht normiert, sie besteht für den Zeitraum der üblichen Nutzungs- und Verwendungsdauer des Produkts. Wird bei Kauf einer Sache mit digitalen Elementen eine dauerhafte Bereitstellung für diese digitalen Elemente vereinbart (z.B. eine Spielekonsole mit Cloud-Anbindung) sieht der Regierungsentwurf besondere Regelungen vor.

 

Unser Tipp 

Die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie beinhaltet viele kleinere Änderungen für das Kaufrecht, unter anderem für Ihren Umgang mit Verbrauchern bei Reklamationen. Beachten Sie hier unbedingt die neuen Informationspflichten, die Sie bei Beschaffenheitsvereinbarung, Garantie und Verjährung treffen.

Auch Verkäufer von Waren mit digitalen Elementen sollten sich mit der anstehenden Gesetzesreform genau auseinandersetzen, um einen rechtssicheren Verkauf dieser Waren zu gewährleisten.

Sie wollen sicherstellen, dass Ihre AGB sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags stets aktuell sind? Dann nutzen Sie den Update-Service unserer Abmahnschutzprodukte und halten Sie Ihre Texte up to date.

 

Update: Wir haben diesen Artikel ursprünglich am 18.6.2021 veröffentlicht und ihn am 20.07.2021 nach der Verkündung des Gesetzes für Sie aktualisiert.

 

Über die Autorin


Madeleine Winter ist Master of Laws (LL.M.) und als Team Lead Legal Consultants bei der Trusted Shops GmbH tätig. Seit 2009 im Team von Trusted Shops, setzt sie sich seit vielen Jahren intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, insbesondere dem Fernabsatz-, Datenschutz- und E-Commerce-Recht auseinander. Sie ist Blog-Autorin und beteiligt an größeren Beratungsprojekten, insbesondere zum Bestellprozess und der Produktseitengestaltung von Online-Shops. Zudem betreut sie den Trusted Shops Abmahnschutz.

19.07.21
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