Wundertüte mit Widerruf? Alles über Mystery-Boxen und Sammelkarten
Mystery-Boxen sind auch im Online-Handel beliebt, Kundinnen und Kunden mögen die Überraschung. Doch wie sieht es bei unbekannter Ware mit dem Widerruf aus?
Ob Pokémon-Karten, NFT-Packs oder klassische Mystery-Boxen mit Elektronik-Gadgets – der Trend zur „Überraschung beim Auspacken“ hat sich im Online-Handel etabliert. Für Konsumentinnen und Konsumenten sind die Produkte spannend, weil sie auf einen hohen Gegenwert oder seltene Inhalte hoffen. Für Unternehmen sind die Überraschungs-Angebote attraktiv, weil sie Kaufanreize schaffen und dabei helfen, das Lager zu räumen.
Auf den ersten Blick sieht es wie eine Win-win-Situation aus. Doch was passiert, wenn der Kunde oder die Kundin das Paket öffnet und den Vertrag wegen Nichtgefallens oder aus anderen Beweggründen widerrufen möchte? Ist das überhaupt möglich? Wir erklären es dir in diesem Rechtstipp der Woche.
Unter Mystery-Boxen versteht man Produkte, deren konkreter Inhalt beim Kauf nicht vollständig bekannt ist. Dies können Elektronikartikel, Kosmetikprodukte oder Sammlerstücke sein. Der Wert des Paketinhalts kann dabei in einigen Fällen über dem ursprünglichen Verkaufspreis der Box liegen, jedoch auch hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Ähnlich verhält es sich bei sog. Booster-Packs, die durch Kartenspiele wie Pokémon und Yu-Gi-Oh! oder im Rahmen von großen Fußballturnieren bekannt geworden sind. Booster-Packs enthalten eine standardisierte Anzahl an Sammelkarten, die sich jedoch in ihrer Seltenheit unterscheiden können.
Auch wenn der Zufallscharakter eine große Rolle spielt, gelten Mystery-Boxen in der Regel nicht als lizenzpflichtiges Glücksspiel, solange der Kaufpreis durch einen konkreten Gegenwert (Warenwert) gedeckt ist. Rechtlich betrachtet handelt es sich daher in den weit überwiegenden Fällen um einen Warenkauf.
Bei Fernabsatzverträgen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern gilt ein gesetzliches Widerrufsrecht mit einer Frist von 14 Tagen. Dies gilt grundsätzlich auch für den Verkauf von Mystery-Boxen oder Sammelkarten-Booster-Packs. Von diesem Grundsatz darf nur in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen abgewichen werden. Eine Abweichung vom Widerrufsrecht, z. B. in den AGB, außerhalb der gesetzlichen Ausnahmetatbestände ist unzulässig und kann abgemahnt werden.
Oftmals wird angeführt, dass die Mystery-Box individuell zusammengestellt sei und schon deshalb ein Widerrufsrecht ausgeschlossen werden könne. Dies ist jedoch ein Irrtum.
Zwar kennt das Gesetz eine Ausnahme für Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher oder die Verbraucherin maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers oder der Verbraucherin zugeschnitten sind (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB). Diese Ausnahme ist bekannt unter dem Begriff „Kundenspezifikation“.
Jedoch ist die besagte Ausnahme nicht einschlägig bei Mystery-Boxen oder Booster-Packs. Bei den Produkten handelt es sich um vorgefertigte Waren, deren konkrete Zusammenstellung eben nicht durch den Verbraucher oder die Verbraucherin bestimmt worden ist. Genau der Umstand, dass die Kundschaft nicht weiß, was in dem Paket enthalten ist, macht den Reiz für viele aus.
Auch die Ausnahme für versiegelte Ware ist in den meisten Fällen nicht anwendbar. Voraussetzung für einen Ausschluss des Widerrufsrechts ist, dass die Waren aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde (§ 312g Abs. 2 Nr. 6 BGB) oder dass es sich um Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware handelt, deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
Eine entsprechende Ausnahme für Umverpackungen – wie bei einer Mystery-Box – gibt es jedoch nicht.
Übrigens: Das Öffnen oder der Verlust der Originalverpackung hat keinen Einfluss auf das Bestehen des Widerrufsrechts. Aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt sich für Verbraucher*innen außerdem keine Pflicht, die widerrufene Ware in der Originalverpackung zurückzusenden. Bei Verpackungen, die einen wertsteigernden Faktor haben, kommt lediglich ein Wertersatzanspruch bei Verlust in Frage.
Enthält die Mystery-Box frische Lebensmittel, z. B. Obst oder Gemüse, oder Schnittblumen kann eine Ausnahme vom Widerrufsrecht bestehen. Dies gilt für Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde. Wesentlich für die Bewertung ist, ob die Produkte im Rahmen der 14-tägigen Widerrufsfrist noch verwendbar und verkehrsfähig sind.
Das gesetzliche Widerrufsrecht gilt somit auch beim Verkauf von Mystery-Boxen oder Sammelkarten-Booster-Packs. Oftmals wollen Kundinnen und Kunden jedoch nur einen Teil der Lieferung widerrufen, sodass nur das teure Produkt oder die seltene Sammelkarte bei der Kundschaft verbleiben würden.
Ein Recht auf Teilwiderruf kennt das Gesetz jedoch nicht. Hier gilt der Grundsatz: Ganz oder gar nicht. Teilwiderrufe von Verbraucherinnen und Verbrauchern musst du daher nicht akzeptieren. Die Kundschaft hat lediglich das Recht, entweder den gesamten Vertrag zu widerrufen oder an der Bestellung festzuhalten. So wird der Rosinenpickerei zumindest in Teilen Einhalt geboten.
Wird eine Mystery-Box in Form rein digitaler Inhalte angeboten – etwa als NFT-Pack oder mit digitalen Sammelkarten – gelten besondere Regeln für den Widerruf.
Auch in diesen Fällen besteht grundsätzlich ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen. Jedoch erlischt das Widerrufsrecht vorzeitig, wenn
Erfüllst du eine dieser Voraussetzungen nicht, indem du beispielsweise keine Zustimmung einholst, bevor du mit der Vertragsausführung beginnst, erlischt das Widerrufsrecht nicht vorzeitig.
Mystery-Boxen und Booster-Packs bringen naturgemäß eine gewisse Unsicherheit mit sich – nicht nur für Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für Händlerinnen und Händler. Denn obwohl die Boxen vom Überraschungseffekt leben, bleibt das gesetzliche Widerrufsrecht grundsätzlich voll bestehen. Eine Rückgabe nach dem Öffnen kann für Unternehmen wirtschaftlich schmerzhaft sein.
Doch deine Position ist nicht völlig schutzlos. Durch das konsequente Ablehnen von Teilwiderrufen kann zumindest der Praktik des „Auspackens und Aussortierens“ die Stirn geboten werden. Denn Verbraucher*innen dürfen den gesetzlichen Widerruf nur auf ganze Kaufverträge anwenden – nicht selektiv auf einzelne Bestandteile der Mystery-Box oder des Booster-Packs.
15.07.25Mystery-Boxen sind auch im Online-Handel beliebt, Kundinnen und Kunden mögen die Überraschung. Doch wie sieht es bei unbekannter Ware mit dem Widerruf aus?
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