Rechtssicher nach Großbritannien verkaufen

 Inhaltsverzeichnis:

  1. Brexit und EU
  2. Die wichtigsten Gesetze für den Online-Handel
  3. Gewährleistungsrecht
  4. Preisauszeichnung
  5. Datenschutz
  6. Sanktionssystem
  7. UKCA Label ersetzt CE-Kennzeichnung
  8. Fazit

 

Der E-Commerce-Markt im Vereinigten Königreich floriert. Er ist der lukrativste auf dem ganzen Kontinent. Im Jahr 2021 machten Online-Verkäufe fast 30 % des gesamten Einzelhandelssektors im Land aus. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil nur bei gut 20 %. Bis 2025 soll der Umsatz des E-Commerce in UK auf 285,56 Mrd. US-Dollar steigen. Für das Jahr 2022 werden in UK 60 Millionen E-Commerce-Nutzer*innen erwartet. Die große Mehrheit der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs shoppt also online und zwar am liebsten Bekleidung und Unterhaltungselektronik.  

Welche rechtlichen Besonderheiten gibt es beim Verkauf nach Großbritannien? Antworten finden Sie in diesem Beitrag.

Brexit und EU

Auch wenn der Brexit im Vorfeld viele Unsicherheiten mit sich brachte, haben Online-Händler*innen mit dem European Union (Withdrawal) Act 2018 (EUWA) ein Stück weit Sicherheit erlangt, da mit diesem innerstaatlichen Rechtsakt das bis dahin in britisches Recht umgesetzte EU-Recht in das eigene Rechtssystem eingeführt wurde. Als „retained EU Law“, also beibehaltenes EU-Recht, hat es weiter Geltung.

 

Die wichtigsten Gesetze für den Online-Handel

  •     Consumer Rights Act 2015 (CRA)
  •     The Consumer Contracts (Information, Cancellation and Additional Charges) Regulations 2013 (CCR)
  •     The Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008 (CPUT)
  •     The Price Marking Order 2004
  •     Data Protection Act 2018 (DPA)
  •     The Privacy and Electronic Communications (EC Directive) Regulations 2003 (PECR)
  •     Sale of Goods Act 1979 (SGA)

 

Gewährleistungsrecht

Im britischen Recht gibt es ein Parallelsystem vom Mängelhaftungsrechten.
Die Frist aus dem Gewährleistungsrecht, welches im Rahmen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie umgesetzt wurde, beträgt im Unterschied zu Deutschland sechs Jahre in England und Wales und fünf Jahre in Schottland. Die Beweislastumkehr gilt für die ersten sechs Monate und eine Fristverkürzung für gebrauchte Waren ist nicht möglich. Darüber hinaus muss vorvertraglich darüber informiert werden, dass der*die Unternehmer*in gesetzlich verpflichtet ist, vertragsgemäße Waren zu liefern.

Neben den Rechten der Mängelbeseitigung (Wahl zwischen Nachbesserung oder Ersatzlieferung), Preisminderung und Schadensersatzansprüchen (aufgrund von Vertrag, Fahrlässigkeit oder Verbraucherschutzgesetzen) gibt es für die Nichteinhaltung gesetzlicher Bestimmungen (sprich, dass die Ware von zufriedenstellender Qualität ist, mit der Beschreibung übereinstimmt, für den Zweck geeignet ist und mit dem Muster übereinstimmt) ein 30-tägiges Zurückweisungsrecht (short-time right to reject), bei dem Händler*innen keine Möglichkeit auf Mängelbeseitigung eingeräumt werden muss. Folge ist, dass der Kaufpreis unverzüglich zurück gezahlt werden muss, vorausgesetzt, die Zurückweisung erfolgt innerhalb der Frist und die Ware wurde nicht "angenommen". 

 

Preisauszeichnung

Anders als in Deutschland muss nicht an jeder Preisangabe mit Warenkorbfunktion ein Hinweis platziert sein, dass der Preis die Mehrwertsteuer enthält. Vielmehr ist es in UK üblich, nur einen allgemeinen Hinweis wie „All prices include VAT“ in die AGB aufzunehmen.

 

Datenschutz

Derzeit gilt zwar noch die UK GDPR und es liegt auch ein Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vor, es werden aber Abkopplungs-Tendenzen sichtbar. Die britische Regierung plant eine umfassende Reform und Einführung eines neuen britischen Datenschutzregimes, welches die aktuellen Vorschriften abändern würde.  Es bleibt abzuwarten, welche Neuerungen und Änderungen es geben wird und wie sich dies auf die UK-EU Beziehungen auswirken wird.

Derzeit liegt ein Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vor, der vorläufig bis zum 27.Jui 2023 gültig ist. Damit wird in der UK das gleiche Datenschutzniveau wie in der EU attestiert.

Seit 21. März 2022 gibt es das UK International Data Transfer Agreement ("IDTA") und das Addendum zu den neuen EU-Standardvertragsklauseln von 2021 ("New EU SCCs"). Sie dienen britischen Organisationen zur Sicherheit bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten an Dienstleister und Konzernunternehmen mit Sitz außerhalb des Vereinigten Königreichs/EWR.

Die IDTA und das Addendum ersetzen die alten EU-Standardvertragsklauseln für die Verwendung als DSGVO-konformes Übermittlungsinstrument zum beschränkten Transfer aus dem Vereinigten Königreich.

Deutsche Online-Händler*innen sind nur mittelbar betroffen, z.B. dann, wenn Sie als Dienstleister eines in UK ansässigen Unternehmens fungieren.

 

Sanktionssystem

Rechtsphilosophie ist eher, dass Gesetzeswillen und Zielverfolgungsabsicht über dem reinen Gesetzeswortlaut einer Vorschrift stehen.
Grundsätzlich lässt sich auch sagen, dass auf der Insel der Rechtsverfolgungsdruck im E-Commerce nicht so hoch ist wie in Deutschland. Dies erleichtert es deutschen Online-Händler*innen, denn meist ist das technische Design des Shops über die Länder hinweg gleich, sodass ein höherer Verbraucherschutzstandard gegeben ist, wenn Sie die deutschen Bestimmungen erfüllen.

Vorgesagtes bedeutet aber nicht, dass in UK alles erlaubt ist. Behörden, die für unterschiedliche Rechtsgebiete zuständig sind, übernehmen in Großbritannien die Rolle der Sanktionierung, so z.B. die ICO für den Datenschutz und die Consumer Markets Authority für den Wettbewerb und Verbraucherschutz. In der Regel agieren sie zielorientiert, d.h. wenn das Unternehmen deutlich machen kann, dass es Maßnahmen ergriffen hat, den Verstoß zu beheben und sich kooperativ zeigt, wird dies im Sanktionsmaß berücksichtigt.

 

UKCA Label ersetzt CE-Kennzeichnung

Die CE-Kennzeichnung, die innerhalb der EU für bestimmte Produktgruppen gilt, bedeutet, dass das gekennzeichnete Produkt besonderen Anforderungen entspricht. Seit Januar 2021 gilt im Vereinigten Königreich statt dem CE-Zeichen das UKCA-Zeichen (UK Conformity Assesed). Die UKCA-Kennzeichnung gilt für die meisten Produkte, die zuvor die CE-Kennzeichnung trugen.  
Die UKCA-Kennzeichnung kann ab sofort verwendet werden. Ab dem 31. Dezember 2022, 23.00 Uhr, darf die CE-Kennzeichnung nicht mehr verwendet werden, bis dahin gilt eine Übergangsfrist.

 

Fazit

Die politische Lage im Vereinigten Königreich mag zwar noch turbulent sein, für den E-Commerce hat sich seit dem Brexit aber noch nicht so viel verändert. Abkopplungs-Tendenzen sind zwar sichtbar, aber es bleibt abzuwarten, wie sich die Gesetzesentwürfe nach dem Gesetzgebungsprozess realisieren.

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Über die Autorin


Naveen Aricatt

Naveen Aricatt, LL.M Legal Consultant UK bei Trusted Shops und in dieser Funktion verantwortlich für das englische Recht. Sie studierte International Business Law and Business Management an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Seit 2009 ist sie für Trusted Shops tätig -zunächst als Auditorin für Deutschland, dann auch für Frankreich und Großbritannien. 2013 absolvierte sie einen Master in Law an der Queen Mary University of London. Sie ist Autorin des englischen Trusted Shops handbook for online retailers und schreibt regelmäßig rechtliche Beiträge für den Trusted Shops UK Blog, sowie Fachartikel zum E-Commerce-Recht in Großbritannien.

11.11.22
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