Unternehmerregress - oder: „Wie Sie als Online-Händler und Online-Händlerin Ihr Geld wiederbekommen“ (Update)

Inhaltsverzeichnis:

1. Unternehmerregress – Was ist das?
2. Verkauf von (Neu-)Waren
3. Rückgriff bei Verträgen über digitale Produkte
4. Waren mit digitalen Elementen
5. Denken Sie an Ihrer Rügeobliegenheit!
6. Unser Tipp

 

Hat ein Mangel Sie kalt erwischt? Sie mussten deshalb die verkaufte Sache reparieren oder neu liefern und Ihnen sind dadurch Kosten entstanden? Dabei können Sie eigentlich ja gar nichts dafür, weil Sie Ihre Ware nicht selbst erstellen sondern nur (weiter)verkaufen? Keine Sorge, Sie müssen nicht für die Fehler anderer büßen! Der Gesetzgeber sorgt dafür, dass Sie gegen Ihren Lieferanten (und dieser gegen seinen Lieferanen und so weiter) vorgehen können.

Das Ganze unterliegt natürlich bestimmten Bedingungen, die wir für Sie in diesem Rechtstipp der Woche erläutern. Auch die seit dem 01. Januar 2022 geltenden Regelungen werden wir näher beleuchten.

 

Unternehmerregress – Was ist das?

Der Unternehmerregress wird in den §§ 327u, 445a, 445b, 445c und 478 des BGB geregelt. Er soll sicherstellen, dass Sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben, wenn Sie einem Nacherfüllungsverlangen Ihres Käufers nachkommen und hierbei Kosten entstehen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn Sie eine neue Sache liefern, nachbessern oder die Sache auch ein- bzw. ausbauen mussten.

Nehmen wir ein Beispiel: Sie verkaufen Haarföhne in Ihrem Online-Shop. Diese beziehen Sie von dem Lieferanten „Haarföhn GmbH“, dieser wiederum importiert die Föhne von einem eigenen Lieferanten. Sie haben dem Käufer Karlo einen mangelhaften Föhn verkauft. Dieser hat die Neulieferung des Föhns verlangt, was bei Ihnen natürlich Kosten verursacht. Nun können Sie unter bestimmten Bedingungen gegen die Haarföhn GmbH Regress nehmen und Erstattung dieser Kosten verlangen. Diese wird von ihrem eigenen Lieferanten gegebenenfalls auch Erstattung verlangen können und so weiter bis die oder der tatsächlich für den Mangel Verantwortliche in Anspruch genommen wird. Aber was Adam und Eva die Tage so treiben, interessiert uns an dieser Stelle nicht. Vielmehr möchten wir Ihnen erklären, wie Sie Ihre Ansprüche durchsetzen können.  

Beim Unternehmerregress muss generell zwischen Verträgen über den Verkauf von Waren und Verträgen über den Verkauf von digitalen Produkten unterschieden werden.

 

Verkauf von (Neu-)Waren

Für den Unternehmerregress im Rahmen des Verkaufs von (Neu-)Waren gelten die §§ 445a, 445b, 478 des BGB.

Wann können Sie Regress fordern?

Gem. § 445a, Abs. 1 BGB kann der Verkäufer beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von seinem Lieferant (also der Verkäufer, der ihm die Sache verkauft), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zu seinem Käufer aufgrund Gewährleistungsrechtsansprüche zu tragen hatte. Als eine „neu hergestellte Sache“ wird hierbei eine „ungebrauchte Sache“ verstanden. Somit werden auch Waren erfasst, die bereits längere Zeit beim jeweiligen Verkäufer lagern und dadurch nicht mehr als „neu hergestellt“, wohl aber als „ungebraucht“ angesehen werden können.

Die verkaufte Ware muss bereits bei Gefahrübergang einen Sachmangel aufweisen. Ist die Ware in Ihrem eigenen Lager beschädigt worden, können Sie es also nicht in die Schuhe Ihres Lieferanten schieben. Haben Sie die Ware an einen Verbraucher verkauft (ist der Letztvertrag also ein Verbrauchsgüterkauf), so profitieren Sie allerdings gegenüber Ihrem Lieferanten von der Beweislastumkehr innerhalb des ersten Jahres nach Kauf, die sonst Ihren Kunden zusteht. Es wird also von Gesetzes wegen vermutet, dass der Mangel der Kaufsache schon bei Übergabe durch den Lieferanten an Sie vorhanden war, wenn seit der Übergabe an den Verbraucher noch kein Jahr vergangen ist. Nach Ablauf der einjährigen Frist scheidet diese Privilegierung aus und Sie tragen die Beweislast dafür, dass die Ware bereits mangelhaft war.

Der Sachmangel muss ein berechtigtes Nacherfüllungsverlangen Ihres Käufers ausgelöst haben, dem Sie als Verkäufer bereits nachgekommen sind. Es genügt also nicht, dass Sie als Verkäufer annehmen, dass der Nacherfüllungsanspruch des Käufers bestehen könnte. Ebenso lösen Nacherfüllungsmaßnahmen, welchen Sie aus bloßer Kulanz nachgekommen sind, keinen Regressanspruch gegenüber Ihrem Lieferanten aus. Sie tragen übrigens gegenüber dem Lieferanten die Beweislast für das Bestehen und den Umfang der Pflicht zum Aufwendungsersatz gegenüber Ihrem Käufer. Denken Sie also daran, Beweise für die entstandenen Kosten aufzubewahren!

Welche Ansprüche können Sie geltend machen?

Sind diese Bedingungen erfüllt, so können Sie gegenüber Ihrem Lieferanten dieselben Ansprüche und Regressforderungen geltend machen, welche Sie sich selbst gegenüber Ihrem Kunden ausgesetzt gesehen haben. Darunter fallen u. a. Aufwendungen für Mängelbeseitigungskosten (also bspw. Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten etc.). Aber auch die Ersatzlieferung ist erfasst. Mussten Sie die Sache ein- oder ausbauen, so können Sie auch eine Erstattung der hierbei entstandenen Kosten von Ihrem Lieferanten zurückverlangen.

Haben Sie zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache geliefert und verlangen aber dafür Rückgewähr der mangelhaften Sache, so sind Sie seit dem 01.01.2022 verpflichtet, diese auf eigene Kosten zurückzunehmen. Auch diese Rücknahmekosten können Sie im Rahmen des Regressanspruches gegen Ihren Lieferanten geltend machen.

Bei allen Arten der Nacherfüllung werden darüber hinaus auch sämtliche weitere, durch die ordnungsgemäße Abwicklung des Mängelhaftungsfalles entstehenden Kosten (wie etwa Porto- und Telefonkosten), erfasst. Es sind ferner die Kosten für die Feststellung des Mangels (z. B. Sachverständigenkosten) erstattungsfähig.

Zur Geltendmachung des Unternehmerregresses muss dem Lieferanten eine angemessen lange Frist (regelmäßig 14 Tage ab Zugang des Aufforderungsschreibens) für die Erstattung der Ihnen entstandenen Nacherfüllungskosten gesetzt werden. Diese Pflicht zur Fristsetzung entfällt jedoch, wenn Sie bereits die Ware wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen mussten oder der Käufer den Kaufpreis gemindert hat.

Verjährung

Diese Ansprüche verjähren gem. § 445b in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache jedoch frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt, in dem Sie die Ansprüche des Käufers erfüllt haben.

 

Regress bei Verträgen über digitale Produkte

Ist gemäß § 445c BGB der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Verbrauchervertrag über die Bereitstellung digitaler Produkte, so sind nicht die oben genannten Bestimmungen (§§ 445a, 445b und 478 BGB) sondern die neuen Vorgaben des § 327u BGB anzuwenden.

Aber welche Verträge sind hiervon betroffen?

  1. Verbraucherverträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (sog. digitale Produkte gem. § 327, Abs. 1 BGB),
  2. Sog. Paketverträge gem. § 327a  Abs. 1 BGB. Darunter fallen Verbraucherverträge über die Bereitstellung digitaler Produkte, die zusätzlich die Bereitstellung anderer Sachen oder die Bereitstellung anderer Dienstleistungen zum Gegenstand haben und
  3. Verbraucherverträge über Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind (§ 327a Abs. 2 BGB).

Im Rahmen des § 327u spricht das BGB nicht mehr von einem Lieferanten, sondern von einem Betriebspartner. Betriebspartner ist der Unternehmer, der sich Ihnen gegenüber zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet hat.

Unter folgenden Bedingungen können Sie bei solchen Verträgen Ersatz von Aufwendungen bei Ihrem Betriebspartner verlangen:

  1. Die Bereitstellung des digitalen Produkts ist untergeblieben;
  2. Dies hat Ihr Betriebspartner aufgrund einer Handlung oder Unterlassung verursacht;
  3. Der Verbraucher hat deshalb den Vertrag mit Ihnen auf Grundlage von § 327c, Abs. 1, S. 1 BGB beendet und Ihnen sind wegen dieser Ausübung seiner Rechte Aufwendungen entstanden.

Hierbei verjähren Ihre Ansprüche sechs Monate ab dem Zeitpunkt, ab dem der Verbraucher sein Recht ausgeübt hat.

Ein anderer Fall, in dem Sie gegenüber dem Betriebspartner Regress nehmen können ist, wenn:

  1. Das digitale Produkt mangelhaft war;
  2. Sie dem Verbraucher deshalb gem. § 327l, Abs. 1 Nacherfüllung gewähren und die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen tragen mussten; und
  3. Der geltend gemachte Mangel bereits bei der Bereitstellung durch den Vertriebspartner vorhanden war oder in einer durch den Vertriebspartner verursachten Verletzung Ihrer Aktualisierungspflicht aus § 327f, Abs. 1 besteht.

Hier beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem Sie die Ansprüche des Verbrauchers auf Nacherfüllung erfüllt haben. Auch hier beläuft sich die Verjährungsfrist auf sechs Monate.

Kleiner Tipp: Hier finden Sie eine Zusammenfassung zu digitale Inhalte und Dienstleistungen.

Auch im Rahmen des Regress bei digitalen Produkten profitieren Sie von der Beweislastumkehr, die auch Ihrem Kunden bzw. Ihrer Kundin zugutekommt mit der Maßgabe, dass die Frist mit der Bereitstellung an den Verbraucher beginnt. Zeigt sich der Mangel also beim digitalen Produkt innerhalb eines Jahres ab Bereitstellung an den Verbraucher, so wird vermutet, dass das digitale Produkt bereits bei Bereitstellung durch Ihren Betriebspartner mangelhaft war.

 

LEX_Goldkante_Gewährleistungsrecht Kaufverträge

 

Waren mit digitalen Elementen

Handelt es sich um einen Vertrag über Waren mit digitalen Elementen, so ist § 327u BGB nicht anwendbar. Solche Waren sind Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. Verkaufen Sie also z. B. Smart-TVs, Smartphones oder Haushaltsgeräte mit digitalen Anwendungen, so gelten die oben genannten Vorschriften über den Unternehmerregress für Neuwaren mit dem Zusatz, dass bei Verbraucherverträgen der Mangel auch auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b Absatz 4 beruhen kann.

Sie blicken nicht mehr durch? Hier ein Überblick der anwendbaren Rechtsgrundlagen:

 

Verträge über digitale Produkte

Waren mit digitalen Elementen

(Analoge) Waren

B2C

§ 327u

§§ 445a, 445b, 478

B2B

§§ 445a, 445b

§§ 445a, 445b

 

Denken Sie an Ihre Rügeobliegenheit!

Wenn es sich bei dem Geschäft mit Ihrem Lieferanten oder Betriebspartner um ein Handelsgeschäft handelt und Sie Kaufmann i. S. d. HGB sind, müssen Sie nach § 377 II HGB Ihrer Rügeobliegenheit nachkommen.

Das heißt: Sie müssen die Ware bei Empfang überprüfen und Mängel ohne schuldhaftes Zögern dem Verkäufer gegenüber anzeigen. Ansonsten gilt die Ware als genehmigt und Sie können in Zukunft keinen Regress aufgrund von Mängeln geltend machen.

Dies gilt sowohl bei Verträgen über Waren mit oder ohne digitalen Elementen, als auch bei Verträgen über digitale Produkte.

 

Unser Tipp

Wenn Ihr Kunde ein Mangelhaftungsrecht Ihnen gegenüber geltend macht, sollten Sie zunächst überprüfen, ob ein Mangel tatsächlich vorliegt und ob seit der Übergabe an den Kunden nicht mehr als ein Jahr vergangen ist.

Wenn Sie sich gegenüber dem Lieferanten innerhalb der Verjährungsfrist bewegen und ein Regress durch einen Vertrag nicht eingeschränkt oder verkürzt ist - was Im Falle des Regress bei Verträgen über digitale Produkte übrigens nicht rechtmäßig ist - können Sie sich so Ihr Geld wiederholen. Denken Sie immer daran, die Waren, die Sie annehmen, auf mögliche Mängel zu untersuchen und solche unverzüglich gegenüber dem Lieferanten zu rügen. 

 

LEX_Goldkante_Verkauf von Mangel- und Gebrauchtware

 

Update: Diesen Tipp der Woche haben wir ursprünglich im November 2019 Michael Mokov als Autor veröffentlicht und jetzt für Sie noch einmal aktualisiert

 

Über den Autor

 

Hannah Laura Schuller

Hannah Laura Schuller hat sich, nach einem erfolgreich absolvierten Jurastudium an der Université catholique de Louvain in Belgien, an der Universität zu Köln in deutschem Recht spezialisiert. Sie arbeitet seit Juli 2018 im Bereich Legal Services bei Trusted Shops, wo sie als Legal Consultant France tätig ist. Seit 2020 unterstützt sie zudem bei der Koordination von internationalen Rechtsprojekten.

 

17.03.22

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