Änderung im Widerrufsrecht: Dringender Anpassungsbedarf für Online-Shops

Inhaltsverzeichnis:

1. Neue EU-Richtlinie
2. Anpassungen der Widerrufsbelehrung und des (Muster-) Widerrufsformulars
3. Wieso ist eine korrekte Widerrufsbelehrung wichtig?
4. Was ändert sich sonst noch im Widerrufsrecht?
5. Unser Tipp

 

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Im Jahr 2014 hat die EU-Verbraucherrechterichtlinie die Regelungen für Unternehmer und Verbraucher europaweit vereinheitlicht. Damals führten die vielen gesetzlichen Änderungen dazu, dass diverse Online-Shops Ziel von Abmahnungen wurden. Der häufigste Fehler: Die Nutzung veralteter Muster-Widerrufsbelehrungen.

Acht Jahre später bringt der New Deal for Consumers erneut Gesetzesänderungen mit sich, die in Deutschland am 28.05.2022 in Kraft treten werden. Betroffen davon ist unter anderem das Widerrufsrecht und die Abmahnwelle von damals könnte sich wiederholen.

Was Sie wissen müssen, damit Ihr Online-Shop den neuen rechtlichen Anforderungen gerecht wird, erfahren Sie in diesem Rechtstipp der Woche.

 

Neue EU-Richtlinie

Als New Deal for Consumers wird die Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161 der EU bezeichnet, da sie in verschiedenen, den Verbraucherschutz dienenden EU-Richtlinien Änderungen vornimmt.

Welche das genau sind, haben wir in unserem Beitrag New Deal for Consumers – Das ändert sich mit der Gesetzesreform für Sie zusammengefasst. Nachfolgend wollen wir uns auf die Frage fokussieren, welche Änderungen am Widerrufsrecht anstehen.

 

Anpassungen der Widerrufsbelehrung und des (Muster-) Widerrufsformulars

Ab dem 28.05.2022 entfällt die Angabe der Telefaxnummer in Widerrufsbelehrung und -formular. Nach dem derzeitigen Muster ist diese anzugeben „soweit verfügbar“.

In der Widerrufsbelehrung sind dafür zwingend die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse anzugeben. Im Widerrufsformular bedarf es neben der Angabe Anschrift ebenfalls der E-Mail-Adresse Ihres Unternehmens, nicht aber der Telefonnummer.

Der geänderte Teil der neuen Muster-Widerrufsbelehrung lautet nun:

„Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (<Einsetzen: Namen/Firma, ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten, Telefonnummer und E-Mail-Adresse>) mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief oder eine E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.“

Die Muster des Gesetzgebers sind privilegiert, d.h. es gilt die Vermutung , dass man damit seinen Informationspflichten nachgekommen ist. Daher sollten eigenständige Anpassungen an der Belehrung möglichst vermieden und nur von Fachleuten durchgeführt werden.

 

Wieso ist eine korrekte Widerrufsbelehrung wichtig?

Nehmen Sie eigenständig Änderungen an den Mustern vor, riskieren Sie, Ihren Informationspflichten nicht ausreichend nachzukommen. Damit öffnen Sie Tür und Tor für teure Abmahnungen.

Aus vertragsrechtlicher Sicht beginnt die Widerrufsfrist außerdem erst mit einer ordnungsgemäßen Belehrung. Gemäß § 356 Abs. 3 BGB kann der Verbraucher den Vertrag ansonsten noch zwölf Monate und 14 Tage nach der Übergabe der Sache widerrufen.

All dem können Sie entgehen, wenn sie sich ab dem 28.05.2022 an die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten neuen Muster und die entsprechenden Gestaltungshinweise halten.

Wo finden Sie die neue Widerrufsbelehrung?

Mit dem Trusted Shops Rechtstexter erstellen Sie einfach und komfortabel Ihre rechtssichere Widerrufsbelehrung. Wir werden hier selbstverständlich rechtzeitig ein Update einspielen und alle unsere Kundinnen und Kunden im Rahmen unseres Update-Service informieren.

 

Was ändert sich sonst noch im Widerrufsrecht?

Die Änderung an den Rechtstexten ist jedoch nicht die einzige Neuerung, die auf den Online-Handel zukommt. Insbesondere die rechtliche Regelung von Verträgen über digitale Produkte bringt einige Anpassungen mit sich.

Was digitale Produkte sind, können Sie in diesem Rechtstipp der Woche noch einmal nachlesen.

Erlöschen des Widerrufsrechts bei unentgeltlichen Dienstleistungen und kostenloser Bereitstellung digitaler Inhalte

Neue Regeln gelten für das Erlöschen des Widerrufsrechts bei unentgeltlichen Verbraucherverträgen über Dienstleistungen sowie über die Bereitstellung von digitalen Inhalten. Die Änderungen gelten übrigens auch für Verträge, bei denen als Gegenleistung personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt werden. Für entgeltliche Verträge bleibt es hingegen bei der alten Rechtslage.

Erbringung von Dienstleistungen:

Für Verbraucherverträge, die die kostenlose Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand haben, erlischt das Widerrufsrecht, wenn diese vollständig erbracht worden ist.

Bereitstellung digitaler Inhalte:

Für Verbrauchverträge, die die kostenlose Bereitstellung digitaler Inhalte betreffen, erlischt das Widerrufsrecht, wenn mit der Vertragserfüllung begonnen wird. Das gilt nur für solche digitalen Inhalte, die sich nicht auf einem körperlichen Datenträger befinden.

Im Gegensatz dazu erlischt bei entgeltlichen Verträgen das Widerrufsrecht nur, wenn der Verbraucher ausdrücklich zustimmt, dass mit der Erfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird und der Unternehmer dem Verbraucher diese Zustimmung - je nach Art des Vertragsschlusses - ausdrücklich bestätigt hat.

 

Wertersatzanspruch nach Widerruf

Für Waren und Dienstleistungen bleibt es hier bei der alten Rechtslage, für digitale Inhalte kommt eine Klarstellung für den Wertersatz hinzu.

Waren:

Sie können weiterhin Wertersatz für den Wertverlust der Ware geltend machen, sofern die Nutzung über die Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware hinaus geht.

Entgeltliche Dienstleistungen:

Widerruft der Verbraucher den Vertrag, bevor die Dienstleistung vollständig erbracht wurde und das Widerrufsrecht somit noch nicht erloschen ist, können Sie gem. § 357a Abs. 2 BGB n.F. einen Wertersatz für die bis zum Zeitpunkt des Widerrufs erbrachten Dienstleistungen verlangen.

Dieser Anspruch entsteht jedoch nur, wenn der Verbraucher den Beginn der Dienstleistungserbringung vor dem Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich verlangt hat und Sie den Verbraucher über das Widerrufsrecht und den möglichen Wertersatzanspruch ordnungsgemäß informiert haben.

Digitale Inhalte:

Neu ist § 357a Abs. 3 BGB n.F., der klarstellt, dass beim Widerruf eines Vertrages über die Bereitstellung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten kein Anspruch auf Wertersatz besteht.

 

Neue Regelungen zur weiteren Nutzung digitaler Produkte nach Widerruf

Bei einem B2C-Vertrag über digitale Inhalte oder Dienstleistungen („digitale Produkte“) ergeben sich für den Fall des Widerrufs neue Pflichten für die Vertragsparteien. Der widerrufende Verbraucher darf das digitale Produkt nicht weiter nutzen oder Dritten zur Verfügung stellen. Händlerinnen und Händler haben in diesem Zusammenhang das Recht, die digitale Zugangsmöglichkeit zu unterbinden (bspw. durch Digital Rights Management).

Spiegelbildlich trifft Online-Shops aber die Pflicht, auf Anfrage dem Verbraucher jene Daten bereitzustellen, die mit der Nutzung der digitalen Produkte entstanden sind. Es geht hierbei um nicht personenbezogene Daten, wodurch Verbraucher über das geltende Datenschutzrecht hinaus geschützt werden.

 

Unser Tipp

Beim Thema Widerrufsrecht lauern viele Stolperfallen. Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihre Rechte und Pflichten kennen. Insbesondere, weil die meisten vorteilhaften Regelungen für Händlerinnen und Händler im Widerrufsrecht nur dann Wirkung entfalten, wenn der Verbraucher über die Rechtsfolgen zuvor ordnungsgemäß informiert worden ist.

Akuter Handlungsbedarf: Zum Stichtag des 28.05.2022 (nicht vorher!) müssen Sie die neue Muster-Widerrufsbelehrung und das neue Muster-Widerrufsformular verwenden, um rechtlichen Schwierigkeiten zuvor zu kommen. Verlassen Sie sich dabei gerne auf uns und unseren kostenlosen Rechtstexter, mit dem Sie komfortabel die für Ihren Online-Shop notwendigen Rechtstexte erstellen können. 

 

Über die Autorin


Madeleine Winter ist Master of Laws (LL.M.) und als Team Lead Legal Consultants bei Trusted Shops tätig. Seit 2009 im Team von Trusted Shops, setzt sie sich seit vielen Jahren intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, insbesondere dem Fernabsatz-, Datenschutz- und E-Commerce-Recht auseinander. Sie ist Blog-Autorin, betreut die Trusted Shops Legal Produkte und ist beteiligt an größeren Beratungsprojekten, insbesondere zum Bestellprozess und der Produktseitengestaltung von Online-Shops.

31.03.22
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