Brexit: Die 5 wichtigsten Änderungen im E-Commerce

Im kommenden Sommer jährt sich das EU-Mitgliedschaftsreferendum des Vereinigten Königreichs (UK) bereits zum vierten Mal. Knapp 52 % der Wähler haben damals, im Juni 2016, für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Dreieinhalb Jahre später war es dann so weit: UK ist, nach Algerien 1962 (als Kolonie Frankreichs) und Grönland 1985, das dritte Mitglied, das aus dem Staatenverbund ausgetreten ist. Nach langem Verhandeln und mehrmaligem Aufschieben der Austrittsfrist konnte letztendlich ein „harter“ Brexit vermieden werden. Im Dezember letzten Jahres haben sich die Europäische Union und UK über ein neues „Handels- und Kooperationsabkommen“ geeinigt, dass ihre künftigen Beziehungen regeln soll. Insbesondere soll durch dieses Abkommen eine Freihandelszone geschaffen werden, die für beide Seiten wesentlich vorteilhafter ist als der Handel nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO).

Was  sich für den Online-Handel geändert hat, worauf Sie unbedingt achten sollten und welche Besonderheiten es beim Handel in oder aus dem Vereinigten Königreich gibt, erklären wir Ihnen in diesem Rechtstipp der Woche.

 

Achtung Zoll!

Obwohl durch das „Handels- und Kooperationsabkommen“ eine Freihandelszone geschaffen werden soll, gelten seit dem 01.01.2021 die im Unionsrecht vorgesehenen Zollförmlichkeiten für alle Waren, die aus UK in das Zollgebiet der EU oder aus dem Zollgebiet der EU nach UK verbracht werden. Das heißt, dass es im Warenverkehr zwischen UK und der EU nunmehr Zollabfertigungen geben muss.  

Für EU-Unternehmen, die Waren nach UK exportieren oder aus UK importieren bedeutet das, dass sie über eine EORI-Nummer der EU verfügen müssen. Die „Nummer zur Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten“ können Sie kostenlos im Bürger- und Geschäftskundenportal des Zolls beantragen.

Ferner ist zu beachten, dass Waren, die aus UK in die EU bzw. aus der EU nach UK importiert werden, nicht mehr generell zollfrei sind. Jedoch haben sich die beiden Parteien darauf geeinigt, dass für sogenannte Ursprungserzeugnisse kein Zoll erhoben wird. Dafür ist es aber notwendig, dass die Ursprungseigenschaft der Ware nachgewiesen wird. Waren, die entweder in der jeweiligen Vertragspartei (EU oder UK) vollständig gewonnen oder hergestellt wurden oder die entsprechenden produktspezifischen Verarbeitungskriterien entsprechen, besitzen die Ursprungseigenschaft. Der Nachweis erfolgt durch die Erklärung zum Ursprung (EzU), die auf der Handelsrechnung oder einem anderen Handelspapier abgegeben wird. Eine Mustervorlage für die EzU finden Sie im Anhang ORIG-4 des Handels- und Kooperationsabkommens.

Vorsicht ist zudem bei Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen geboten, die von Prüfstellen aus UK ausgestellt wurden. Diese sind nämlich seit dem Austritt innerhalb der EU nicht mehr gültig. Sie sollten daher prüfen, ob Sie solche Bewertungen oder Zertifizierungen besitzen und diese erneuern.

Für chemische Produkte sowie Abfall- und Dual-Use Güter gelten im Übrigen Export- und Importverbote bzw. Genehmigungspflichten für UK.

Beim Warenverkehr zwischen der EU und UK sollten Händlerinnen und Händler darauf achten, dass sich aufgrund der Zollformalitäten die Lieferzeiten verlängern können. Dies sollte auch bei der Angabe in Ihrem Online-Shop berücksichtigt werden.

 

Steuerfrei nicht gleich steuerfrei

Warenlieferungen, die von Deutschland in einen anderen Mitgliedsstaat der EU erfolgen, werden unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. ist der Abnehmer ein Unternehmer, als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach §§ 4 Nr. 1b i. V. m. 6a UstG behandelt. Mit dem Austritt aus der EU gilt dies aber nicht mehr für Lieferungen von Deutschland nach UK. Solche Lieferungen werden nunmehr als steuerfreie Ausfuhrlieferungen nach §§ 4 Nr. 1a i. V. m. 6 UStG behandelt. Zwar kann es in beiden Fällen zu einer Umsatzsteuerbefreiung kommen, allerdings liegt der Unterschied vor allem in jeweils abweichenden materiell-rechtlichen Anforderungen und einer veränderten Nachweispflicht für die Steuerfreiheit der Lieferungen.

 

Ausnahme: Nordirland

Mit dem Austritt aus der EU gilt das gesamte Vereinigte Königreich als Drittlandsgebiet, mit allen Rechtsfolgen die sich daraus ergeben. Eine Besonderheit stellt jedoch Nordirland dar, das seit dem 01.01.2021 einen Sonderstatus besitzt. Im Nordirland-Protokoll im Austrittabkommen ist festgelegt, dass Nordirland Teil des britischen Zollgebiets bleibt, aber alle relevanten Binnenmarktregeln der EU in Nordirland Anwendung finden, sowie der EU-Zollkodex angewandt wird. Das bedeutet, dass Nordirland zollrechtlichZollgebiet der EU angehöre, obwohl es in Wirklichkeit zum Zollgebiet Großbritanniens zugeordnet wird.  

Zollanmeldungen sind insofern nicht erforderlich und sie können weiterhin Lieferungen unter den üblichen Voraussetzungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfassen. Darüber hinaus bleiben die sogenannten Intrastatmeldungen relevant.

 

Leichte Entwarnung für den Online-Handel – vorerst!

Die meisten für Online-Shops relevanten Rechtsgebiete sind derzeit harmonisiert. Das liegt vor allem an der Umsetzung der sogenannten E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) und der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU). Wenn Rechtsgebiete harmonisiert wurden, bedeutet dies auch immer, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtshoheit besitzt.

Durch einen innerstaatlichen Rechtsakt wurde in UK die pauschale Umwandlung des zum Austrittsstichtag in UK unmittelbar anwendbaren oder umgesetzten EU-Rechts in innerstaatliches Recht erreicht, auch „retained EU law“ genannt. Das bedeutet, dass die für den Online-Handel relevanten rechtlichen Bestimmungen nach dem vollständigen Austritt von UK als retained EU law weitestgehend Teil des britischen Rechtssystems geblieben sind.

Händlerinnen und Händler können daher vorerst aufatmen, da die Bestimmungen, z. B. zum Widerruf oder zu den Informationspflichten, gleich geblieben sind. Jedoch muss die Situation im Vereinigten Königreich genau verfolgt werden. Da der EuGH nunmehr keine Rechtshoheit über das in UK geltende Recht hat, müssen sich die UK Gerichte nicht mehr an den EuGH-Urteilen orientieren. Dies kann mittelfristig zu Unterschieden in der Auslegung bereits harmonisierter Gesetze sowie der zukünftigen Rechtslage führen. Ob es am Ende tatsächlich zu drastischen Veränderungen kommen wird, darf zumindest mit Blick auf das britische Verhalten in der Vergangenheit im Bereich E-Commerce bezweifelt werden.

 

Datenschutz

Im Bereich Datenschutz ergeben sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Besonderheiten. Zwar enthält das Handels- und Kooperationsabkommen keinen Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission, der bestimmen würde, dass UK ein angemessenes Datenschutzniveau bietet, jedoch gilt eine Übergangsbestimmung, nach der die Übermittlung personenbezogener Daten EU-UK nicht als Übermittlung in ein Drittland gilt und demnach vorerst ohne Weiteres erlaubt bleibt. Diese Bestimmung gilt jedoch nur für einen bestimmten Zeitraum, der am 01.01.2021 begonnen hat und entweder an dem Tag endet, an dem die Kommission einen Angemessenheitsbeschluss erlässt, oder vier Monate nach Beginn des Zeitraumes, der um zwei weitere Monate verlängert wird, sofern weder die EU noch UK Einwände erheben.

Aktuell scheinen die Chancen gut zu stehen, dass es am Ende zu einem Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission für UK kommt. Am 19. Februar 2021 wurde das Verfahren zur Annahme von zwei Angemessenheitsbeschlüssen von der Kommission eingeleitet.

Im Fall eines Angemessenheitsbeschlusses für den Datentransfer in das Vereinigte Königreich könnte der Datenfluss aus der EU nach UK ohne jegliche Hindernisse oder zusätzliche Garantien, wie Standarddatenschutzklauseln, dauerhaft fortgeführt werden.  

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Unser Tipp

Nach der Sorge, dass es womöglich zu einem „harten“ Brexit kommen könnte, haben sich die EU und UK am Ende doch auf ein Handels- und Kooperationsabkommen einigen können. Für Online-Shops bedeutet dies vor allem Veränderungen im Bereich des Zollwesens. Sie sollten darauf achten, dass Sie Ihre Lieferzeitangaben ggf. ändern, da durch Zollformalitäten zu Verlängerungen kommen kann. Auch die steuerliche Behandlung von Warenlieferungen nach UK haben sich durch den Austritt geändert. An dieser Stelle sollte auch immer der Sonderstatus Nordirlands bedacht werden.

Drastische Veränderungen in den Bereichen E-Commerce und Datenschutz gibt es bislang nicht, jedoch sollten Sie die Entwicklungen in den kommenden Monaten hinsichtlich eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission und abweichender britischer Gerichtsurteile beobachten.

In Kooperation mit unseren spezialisierten Partnerkanzleien beraten wir Sie im Rahmen unseres Abmahnschutzpakets ENTERPRISE dauernd zu etwaige relevanten rechtlichen Veränderungen im Zusammenhang mit dem Brexit und E-Commerce.

 

 

Über den Autor


Lazar Slavov

Lazar Slavov, LL.M.
Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH und Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH. Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Bonn. Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln mit Stationen u.a. bei der Mediengruppe RTL sowie der Bundesstadt Bonn. Master of Laws (Gewerblicher Rechtsschutz) an der Universität Düsseldorf. Von Mai 2014 bis Februar 2018 Tätigkeit als Rechtsanwalt im Fachbereich Marken- und Wettbewerbsrecht bei der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, dort unter anderem zuständig für die Betreuung internationaler Mandate. Seit März 2018 Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH und seit Januar 2020 Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH.

04.03.21

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