Das A und O des Mängelhaftungsrechts

Ein Kunde behauptet, Sie hätten ihm eine mangelhafte Ware verkauft? Keine Panik! Wir erklären Ihnen, was Sie beachten und tun müssen.

In solchen Fällen ist Mängelhaftungsrecht anzuwenden. Dies umfasst im juristischen Sinne die Rechte, die einem Käufer kraft Gesetzes zustehen, wenn die gekaufte Sache mangelhaft ist.

 

Aber fangen wir doch am Anfang an: Wann liegt ein Mangel vor?

Eine Sache ist mangelhaft im Sinne des BGB, wenn sie nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Kunde bei Ihnen einen in der Produktseite als blau angegebenen Föhn bestellt hat, Sie ihm aber einen roten zugeschickt haben.

Wurde insofern keine spezifische Beschaffenheit vertraglich vereinbart, dann ist die Sache trotzdem mangelhaft, wenn sie sich nicht für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Dies ist dann in unserem Föhnbeispiel der Fall, wenn dieser wie vertraglich vereinbart blau ist, jedoch nicht föhnt, sondern Luft saugt.

Wurde bezüglich des beanstandeten Fehlers weder eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen als auch eine besondere Verwendung vorausgesetzt, dann stellt sich die Frage, ob sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Ist dies nicht der Fall, dann liegt auch hier ein Mangel vor. Achten Sie darauf, dass die erwartete Beschaffenheit durch von Ihnen oder vom Hersteller getätigte öffentliche Äußerungen – z.B. durch Werbung - beeinflusst werden kann.

Auch eine fehlerhafte Montage oder eine mangelhafte Montageanleitung können zu einem Sachmangel führen. Ebenso steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache (Falschlieferung) oder eine zu geringe Menge (Zuweniglieferung) liefert.

 

Die Ware hat wirklich einen Mangel! Was nun?

Nun hat Ihr Kunde, der Käufer, gemäß § 437 BGB verschiedene Ansprüche:

Zunächst kann er gemäß § 439 BGB Nacherfüllung verlangen. Hier hat der Käufer die Wahl: Er kann entweder von Ihnen verlangen, dass Sie die mangelhafte Sache reparieren (Nachbesserung), oder, dass Sie ihm eine mangelfreie Sache liefern (Neulieferung). Dabei haben Sie als Verkäufer die Kosten für die, aufgrund der Nacherfüllung erforderlichen, Aufwendungen zu tragen (u.a. die Transport- und Materialkosten).

Verkaufen Sie keine Föhne sondern Waren, die gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht werden, wie z.B. Küchen oder Fliesen, dann müssen Sie die Aus- und Einbaukosten tragen. Seit 2018 gilt dies übrigens auch, wenn der Käufer selbst oder durch einen von ihm beauftragten Dritten die mangelhafte Sache eingebaut hat. 

 

In 2018, ist der Gesetzgeber weiter gegangen als das EuGH und hat entschieden, dies nicht nur im Verbrauchsgüterkauf gelten zu lassen, sondern auch bei Verträgen zwischen Unternehmern und bei solchen die zwischen Verbrauchern geschlossen werden! 

 

Hier muss jedoch unterschieden werden:

  • Hatten Sie sich nicht verpflichtet, die Küche aufzubauen und hat Ihr Kunde dies selbst oder mit Hilfe eines Dritten gemacht, dann kann er sie auch selber abbauen und die mangelfreie Küche wieder einbauen. Sie müssen dann die Kosten hierfür tragen.
  • Haben Sie jedoch ursprünglich mit Ihrem Kunden vereinbart, dass Sie die Küche einbauen, dann darf er sie auch nicht auf Ihre Kosten selbst oder durch einen Dritten abbauen und die neue Küche wieder einbauen lassen. Sie sind dann aber verpflichtet, die Küche aus- und wieder einzubauen.

Ist eine Art der Nacherfüllung, etwa die Reparatur, unmöglich, so kann der Käufer natürlich nur die andere Art wählen. Reparieren Sie allerdings die mangelhafte Sache, obwohl der Käufer Neulieferung wünscht, so kann er weiterhin Neulieferung verlangen. Im Falle einer Neulieferung können Sie übrigens nach § 439 Abs. 4 BGB die Herausgabe der mangelhaften Sache verlangen.

 

Dürfen Händler unter Umständen aussuchen, ob eine Neulieferung oder Reparatur durchgeführt wird?

Sie dürfen die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Sind beide Arten der Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, so dürfen Sie die Nacherfüllung im Ganzen verweigern. Sind beide Arten der Nacherfüllung unmöglich, so müssen Sie auch in diesem Fall nicht nacherfüllen. Stellen Sie sich vor: Sie verkaufen einem Kunde eine Waschmaschine im Wert von 500 Euro. Dabei fehlt eine Schraube im Wert von 10 Cent. Zwar ist die Waschmaschine hier mangelhaft, jedoch können Sie eine Neulieferung der ganzen Waschmaschine wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern. Allerdings müssen Sie die bereits gelieferte Maschine nachbessern, indem Sie die fehlende Schraube anbringen. Ein anderes Beispiel wäre, wenn Sie dem Kunden ein mangelhaftes Smartphone im Wert von 100 Euro verkaufen, der Mangel sich zwar beheben lassen könnte, die Reparatur jedoch 200 Euro kosten würde. Dann ist die Reparatur unverhältnismäßig und Sie dürfen sie verweigern.

 

Welche Ansprüche außer der Nacherfüllung gibt es noch?

Der Käufer kann unter bestimmten Umständen auch entscheiden, vom Vertrag zurückzutreten (Rücktritt). Hierdurch wird der Kaufvertrag rückabgewickelt. Das bedeutet, dass der Käufer Ihnen die gekaufte Sache zurückschicken muss, Sie aber wiederum verpflichtet sind, ihm den Kaufpreis zurückzuerstatten.

Der Käufer muss Ihnen jedoch zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben und diese muss erfolglos verstrichen sein. Eine angemessene Frist muss deshalb gesetzt werden, weil der Gesetzgeber möchte, dass Sie eine Chance haben, bei einer mangelhaften Sache den Vertrag doch noch korrekt zu erfüllen. Die Frist ist also angemessen, wenn sie Ihnen die Möglichkeit lässt, die gewünschte Art der Nacherfüllung umzusetzen (das heißt für unseren Föhnhändler, einen neuen funktionierenden Föhn zu liefern oder den mangelhaften Föhn zu reparieren, je nach Wunsch des Kunden).

 

Allerdings ist diese Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich, wenn:

  • die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Die Nachbesserung gilt grundsätzlich nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen,
  • Sie die Nacherfüllung verweigern, sei es zu Unrecht oder weil beide Arten der Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sind,
  • beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind,
  • die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, z.B. wenn Sie den Mangel bewusst verschwiegen haben,
  • der Käufer die Sache für einen im Kaufvertrag bestimmten Termin oder einer im Vertrag bestimmten Frist bestellt hatte, diese Frist für ihn wesentlich war und dies nach einer Mitteilung des Käufers oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände ersichtlich war. Haben Sie ihm zu diesem Termin eine mangelhafte Sache geliefert, muss er nicht Nacherfüllung verlangen, weil für ihn wesentlich war, die mangelfreie Sache an diesem bestimmten Termin zu erhalten. Die Wesentlichkeit des Termins ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls. 
  • oder in besonderen Umständen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

In allen Fällen muss der Kunde Ihnen gegenüber seinen Rücktritt erklären und der beanstandete Mangel darf nicht unerheblich sein. Hat der gelieferte blaue Föhn einen kaum bemerkbaren Kratzer, dann darf der Käufer wegen Unerheblichkeit des Mangels nicht zurücktreten.

Anstatt vom Kaufvertrag zurückzutreten, kann der Käufer auch die mangelhafte Sache behalten und den Kaufpreis mindern. Mindert er den Kaufpreis, so müssen Sie ihm die Differenz zum tatsächlich gezahlten Preis erstatten. Die Minderung kann unter denselben Voraussetzungen verlangt werden wie der Rücktritt, mit dem Unterschied, dass der Sachmangel nicht erheblich sein muss (das heißt also, dass der Kunde mit dem kaum bemerkbar verkratzten Föhn zwar nicht zurücktreten, jedoch von Ihnen den Preisunterschied verlangen darf).

Schließlich könnte der Käufer auch Schadensersatzansprüche gegen Sie geltend machen. Diese Ansprüche kann er dann, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, neben seinen Ansprüchen auf Nacherfüllung, Rücktritt oder Kaufpreisminderung geltend machen.

 

Der Käufer hat also verschiedene Rechte im Falle eines Mangels - wie lange kann er sie denn geltend machen?

Die oben dargestellten Mängelansprüche verjähren gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach zwei Jahren. Diese Frist beginnt mit der Lieferung des Kaufgegenstandes. Nach Ablauf dieser Frist sind die Ansprüche des Käufers nicht mehr durchsetzbar.

Diese Frist kann im B2B-Verkauf durch AGB auf ein Jahr verkürzt werden. Der EuGH hat eine solche Verkürzung der Verjährungsfrist gegenüber Verbrauchern bei gebrauchten Sachen für europarechtswidrig erklärt (Urteil v. 13.07.2017, RS C‑133/16). Hierzu ein toller Blogbeitrag: https://shopbetreiber-blog.de/2018/08/16/eugh-verkuerzte-verjaehrungsfrist-fuer-gewaehrleistung-bei-gebrauchtwaren-unzulaessig/

 

Wer muss denn beweisen, dass die Sache von Anfang an mangelhaft war?

Grundsätzlich muss der Kunde beweisen, dass die Ware von Anfang an mangelhaft war, was regelmäßig nicht gelingt, denn in den meisten Fällen ist eine solche Beweisführung schwierig bis unmöglich. In den ersten sechs Monaten sind Verbraucher jedoch im Vorteil, es gilt dann die sogenannte Beweislastumkehr. Tritt der Mangel innerhalb dieses Zeitraums auf, so wird vermutet, dass er bereits von Anfang an vorlag, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Mangels unvereinbar (etwa bei normalen Abnutzungserscheinungen, z.B. bei Schuhen). Der Kunde muss nur nachweisen, dass der Mangel innerhalb der Sechsmonatsfrist aufgetreten ist und nicht später.
Sie können aber diese Vermutung widerlegen, indem Sie das Gegenteil beweisen.

 

Okay, aber müssen Händler bei Mängeln alle Kosten tragen, obwohl sie die Sachen nicht unbedingt selber herstellen?

Gegenüber dem Kunden: Ja. Jedoch können Sie bei einer von Anfang an mangelhaften Sache unter bestimmten Voraussetzungen Regress gegen den Händler nehmen, von welchem Sie die Ware bezogen haben (Unternehmerregress i.S.d. § 478 BGB). Dies ist jedoch ein Thema für einen weiteren Artikel.

 

Zusammengefasst:

Liegt ein Mangel vor, so muss der Kunde Ihnen in den meisten Fällen die Möglichkeit geben, den Gegenstand entweder zu reparieren oder neu zu liefern (Nacherfüllung). Unter Umständen kann er daneben auch Schadensersatzansprüche geltend machen.
In zweiter Linie hat der Kunde das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder die Minderung des Kaufpreises zu verlangen.
Tritt der Mangel innerhalb der ersten sechs Monate auf, dann gilt die Beweislastumkehr und der Verbraucher muss nicht beweisen, dass die Sache von Anfang an mangelhaft war.
Diese Ansprüche kann er zwei Jahre lang geltend machen. Ist Ihr Kunde selbst Unternehmer, dann können Sie diese Frist auf ein Jahr verkürzen.

 

Unser Tipp:

Schauen Sie sich jedes Mal den Sachverhalt genau an, es ist immer eine Frage des Einzelfalles. Und vergessen Sie nicht, in Ihren AGB über das gesetzliche Mängelhaftungsrecht zu informieren!

 

Über die Autorin

autor_anne_hattenauerHannah Laura Schuller hat sich, nach einem erfolgreich absolvierten Jurastudium an der Université catholique de Louvain in Belgien, an der Universität zu Köln in deutschem Recht spezialisiert. Sie arbeitet seit Juli 2018 im Bereich Legal Expert Services der Trusted Shops GmbH, wo sie als Legal Consultant France tätig ist.

25.10.18
Hannah Laura Schuller

Hannah Laura Schuller

Hannah Laura Schuller, LL.M. arbeitet seit Juli 2018 im Bereich Legal Services bei Trusted Shops, wo sie als Senior Legal Consultant International tätig ist.

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