Was, wenn beim Transport etwas schiefgeht?
Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
1. Kreativ? Finger weg vom Muster!
2. Achten Sie auch auf Ihre AGB
3. Auch zwei Belehrungen sind rechtlich zulässig
4. Kein Widerrufsrecht bei Maßanfertigung
5. Telefonnummer im Impressum heißt Telefonnummer in der Belehrung
6. Unser Tipp
Das Widerrufsrecht ist immer noch eines der häufigsten Streitpunkte im Online-Handel - auch seitdem die EU-Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 die Regelungen für Unternehmer und Verbraucher europaweit vereinheitlichte.
Es gibt Käuferinnen und Käufern grundsätzlich das Recht, innerhalb von 14 Tagen nach einem Online-Kauf, den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu stornieren und den Kaufpreis, gegen Rückgabe der Ware, zurückzu fordern.
Sie müssen jedoch viel beachten, um rechtssicher aufzutreten und Abmahnungen zu vermeiden. Nicht ohne Grund behandeln wir das Thema regelmäßig in unseren Blogbeiträgen. Auch die Gerichte beschäftigen sich immer wieder mit Fragen des Widerrufsrechts.
Wir haben für Sie die fünf wichtigsten Urteile zum Thema Widerrufsrecht der letzten beiden Jahre zusammengefasst, die Sie als Online-Händlerinnen und -Händler unbedingt kennen müssen.
Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist ist eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung (§ 356 Abs. 3 S. 1 BGB für Fernabsatzverträge oder § 356b Abs. 2 S. 1 BGB für Verbraucherdarlehensverträge).
Grundsätzlich gilt jedoch: entspricht Ihre Widerrufsbelehrung dem amtlich vorgeschriebenen Muster, gilt die gesetzliche Vermutung (= sogenannte „Gesetzlichkeitsfiktion“), dass diese auch den gesetzlichen Anforderungen und Vorgaben entspricht. So ist der ordnungsgemäße Beginn der Widerrufsfrist von 14 Tagen grundsätzlich garantiert.
Im vorliegenden Fall benutzte das Unternehmen jedoch einen Vordruck der Musterwiderrufsbelehrung, bei welcher die Zwischenüberschriften fehlten.
Der BGH (Urt. v. 10.11.2020, XI ZR 426/19) musste nun entscheiden, ob auch in diesem Fall die gesetzliche Vermutung greift. Dies verneinte er in seiner Entscheidung:
„Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion (...) berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 (...) entspricht. Dies ist (...) nicht der Fall.“
Folglich konnte der Kunde hier seinen Verbraucherdarlehensvertrag noch Jahre nach Abschluss widerrufen.
Seien Sie also vorsichtig, wenn Sie Änderungen an der Widerrufsbelehrung vornehmen wollen. Bereits kleine Unachtsamkeiten können diese unwirksam machen. Um ganz sicher zugehen, empfehlen wir Ihnen unseren Rechtstexter, mit welchem Sie kostenlos eine rechtssichere Widerrufsbelehrung erstellen können.
Auch in einem anderen Fall musste sich der BGH (Urt. v. 20.5.2021, III ZR 126/19) mit der Musterwiderrufsbelehrung auseinandersetzen.
Vorliegend stritt eine Online-Partnervermittlung mit einer Kundin, die ihren Vertrag widerrufen hatte, über die Höhe des zu zahlenden Wertersatzes. Dieser Anspruch besteht gem. § 357 Abs. 8 S. 2 BGB nur, wenn der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde.
Die Beklagte hatte hier die Musterwiderrufsbelehrung verwendet, sodass grundsätzlich die gesetzliche Vermutung einer ordnungsgemäßen Belehrung galt. Der BGH entschied jedoch, dass der Unternehmer sich nicht auf eine ordnungsgemäße Belehrung berufen kann, wenn der Verbraucher durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einer rechtzeitigen Ausübung seines Rechts abgehalten wird.
Dies war hier der Fall, das Unternehmen verwendete außerhalb der Widerrufsbelehrung eine Klausel zur Berechnung des Wertersatzes, welche erheblich zum Nachteil der Verbraucher von der gesetzlichen Regelung in der Widerrufsbelehrung, abwich. Hierdurch wurde, aus Sicht des Gerichts, der Verbraucher in die Irre geführt und die Widerrufsbelehrung erfolgte somit nicht ordnungsgemäß.
„Die von der Beklagten verwendete Wertersatzklausel ist unwirksam, denn von den Regelungen zum Widerrufsrecht kann gemäß § 361 Abs. 2 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. (…) Durch die von der Beklagten verwendeten „Hinweise zum Wertersatz“ wird der Verbraucher in die Irre geführt und kann von einem rechtzeitigen Widerruf abgehalten werden. Dies hat zur Folge, dass die Widerrufsbelehrung insgesamt nicht ordnungsgemäß ist, (…)“
Ein Anspruch auf Wertersatz des Unternehmens bestand somit nicht.
Achten Sie darauf, dass Ihre AGB nicht der Widerrufsbelehrung widersprechen oder dieser zuwiderlaufen und die Verbraucher somit ungehindert ihr Widerrufsrecht ausüben können.
Das OLG Köln (Urt. v. 23.4.2021, 6 U 149/20) beschäftigte sich mit der Abmahnung eines Händlers, der verschiedene Widerrufsbelehrungen für verschiedene Produkte verwendete. Der Händler verwendete eine Belehrung für nicht paketfähige Waren (Speditionswaren) und paketfähige Waren (Standardware). Sie unterscheiden sich darin, wer die Kosten der Rücksendung trägt. Für Speditionsware wollte der Händler die Kosten des Rückversands übernehmen, für Standardware jedoch nicht. Vor dem Kauf konnte die Kundschaft über einen Hyperlink jeweils beide Belehrungen einsehen.
Aus Sicht des OLG Köln entsprachen beide Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen. Auch war es nicht irreführend, dass zwei verschiedene Belehrungen für verschiedene Produkte verwendet werden, insbesondere da für den Verbraucher klar erkennbar war, welche Widerrufsbelehrung für welche Ware gelte und wie sie sich unterscheiden.
„Die Widerrufsbelehrungen sind über einen einfachen Klick / Link zugänglich. Sie sind gut lesbar und inhaltlich verständlich. Sie gleichen der Musterwiderrufsbelehrung aus der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Die Widerrufsbelehrungen sind auch nicht in sich widersprüchlich. Die eine gilt für Waren, die so beschaffen sind, dass sie per Post zurückgesandt werden können, und die andere für Waren, die nicht so beschaffen sind. Der Verbraucher erfährt, dass er im einen Fall die Kosten für die Rücksendung zu tragen hat, im anderen nicht. Mehr ist nach den vertragsrechtlichen Informationspflichten nicht erforderlich.“
Sie haben also die Möglichkeit, rechtssicher verschiedene Rücksenderegelungen für verschiedene Waren in Ihrem Online-Shop festzulegen.
Grundsätzlich gilt, dass der Verbraucher kein Widerrufsrecht hat, wenn die Ware auf ihn persönlich zugeschnitten wird, § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB. Fraglich war jedoch, ob dieser Ausschluss auch besteht, wenn der Unternehmer noch nicht mit der Anfertigung der Ware begonnen hat.
Im Rahmen einer Messe schloss ein Kunde einen Kaufvertrag über eine Küche, die der Hersteller persönlich auf ihn zuschneiden sollte. Kurze Zeit später widerrief der Käufer den Vertrag jedoch und verlangte sein Geld zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Küchenbauer noch nicht mit der Herstellung der Küche begonnen.
Der EuGH (Urt. v. 21.10.2020, C-529/19) entschied nun, dass das Widerrufsrecht ausgeschlossen bleibt, unabhängig davon, ob der Hersteller schon mit der Produktion begonnen hat oder nicht. Er legte somit eindeutig fest, dass kein weiteres Ereignis hinzutreten muss, damit das Widerrufsrecht erlischt.
„Vielmehr ergibt sich (…) ausdrücklich, dass diese Ausnahme gerade zum Gegenstand eines solchen Vertrags gehört, nämlich der Herstellung einer Ware, die im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2011/83 nach Verbraucherspezifikation angefertigt ist, so dass diese Ausnahme dem Verbraucher unmittelbar entgegengehalten werden kann, ohne dass es darauf ankommt, ob ein solches Ereignis eintritt oder ob der Vertrag vom Unternehmer ausgeführt wurde oder wird.“
Diese Entscheidung ist sehr zu begrüßen, da eine andere Umsetzung in der Praxis sowohl für Sie als auch Ihre Kundschaft zu erheblichen Unsicherheiten führen würde, ob ein Widerrufsrecht noch besteht oder nicht. Mit dieser Entscheidung konnte der EuGH demnach beiden Vertragsparteien helfen.
Das gesetzliche Belehrungsmuster sieht grundsätzlich vor, neben Namen und Anschrift, soweit verfügbar, Telefonnummer, Faxnummer und eine E-Mail-Adresse anzugeben. Eine Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer besteht demnach nicht. Strittig ist jedoch, was „soweit verfügbar“ bedeutet. Nun musste sich der BGH (Urt. v. 24.9.2020, I ZR 169/17), der die Frage zunächst dem EuGH vorlegte, mit dieser Frage beschäftigen.
Im Rechtsstreit hatte ein Erotikartikelhersteller einen Konkurrenten abgemahnt, da dieser in der Muster-Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer angegeben hatte, obwohl sich sowohl im Impressum als auch im Footer der Website, eine Telefonnummer befand.
Der BGH entschied, auf Linie mit dem EuGH: wenn eine Telefonnummer auf der Website zu finden ist und dem Verbraucher somit suggeriert wird, dass der Unternehmer die Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt, die Telefonnummer auch als verfügbar im Sinne der Widerrufsbelehrung zu betrachten ist.
„[Die Beklagte] hat an der dafür vorgesehenen Stelle des Informationsformulars keine Telefonnummer eingefügt, obwohl sie einen geschäftlich genutzten Telefonanschluss unterhält. Dadurch, dass die Telefonnummer dieses Telefonanschlusses nach Darstellung der Klägerin im Rahmen ihres Impressums genannt und auf der Startseite ihres Internetauftritts im unteren Bereich klar und deutlich dargestellt ist, wird einem Durchschnittsverbraucher suggeriert, dass die Klägerin diese Telefonnummer für ihre Kontakte mit Verbrauchern nutzt. Unter diesen Umständen hat die Klägerin die Telefonnummer auch in der Muster-Widerrufsbelehrung anzugeben, selbst wenn sie – wie sie geltend gemacht hat – keine Verträge am Telefon abschließt.“
Durch die Entscheidung des BGH wurde das Merkmal „verfügbar“ näher definiert, sodass nun Sicherheit herrscht, wann eine Telefonnummer auch in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss.
Für Sie bedeutet dies: überprüfen Sie, ob Sie im Impressum oder sonst auf Ihrer Website eine Telefonnummer zum Kundenkontakt angeben und tragen Sie diese ggf. in Ihrer Widerrufsbelehrung nach.
Das Widerrufsrecht wird wohl weiterhin einer der größten Streitpunkte im Online-Handel bleiben und die Gerichte weiter beschäftigen. Mit einer rechtssicheren Widerrufsbelehrung sind Sie jedoch auf der sicheren Seite und schützen sich vor Abmahnungen sowie vor einem verlängerten Widerrufsrecht von 12 Monaten und 14 Tagen.
Unsere Rechtsexperten beobachten die neuesten Entwicklungen zum Widerrufsrecht fortlaufend und informieren Sie gerne, wenn wichtige Änderungen anstehen.
Um sicherzugehen, dass Ihre Widerrufsbelehrung immer auf dem neuesten Stand ist, nutzen Sie gerne den Update-Service unserer Abmahnschutzprodukte und halten Sie so Ihre Texte up to date.
Anne Lehmann, LL.M., ist Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Services. Bachelor an der Hanse Law School in Vergleichendem und Europäischem Recht sowie Master in Unternehmensrecht in Internationalem Kontext an der HWR Berlin. Im Rahmen ihrer Tätigkeit war sie ab 2013 zunächst für die Prüfung von Online-Shops der Märkte DACH, NL sowie UK zuständig und verantwortete das Key Account Operational Management. Seit 2017 betreut sie die Trusted Shops Legal Produkte und beschäftigt sich intensiv mit den für Online-Händler relevanten Rechtsgebieten.
02.09.21Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
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