Digitale Inhalte und Dienstleistungen: Diese Regeln werden bald gelten!

Inhaltsverzeichnis:

1. Hintergrund
2. Anwendungsbereich
3. Bereitstellung der digitalen Produkte
4. Mängelhaftung
5. Aktualisierungspflicht
6. Gewährleistungsrechte
7. Verjährung und Beweislastumkehr
8. Nutzung nach Vertragsbeendigung
9. Rückgriffsanspruch des Unternehmers
10. Unser Tipp

 

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Trusted Shops Legal Services · Digitale Inhalte und Dienstleistungen: Diese Regeln werden bald gelten!

 

Von der Bereitstellung des Zugangs zu Streaming-Plattformen oder sonstigen Video- und Audioinhalten, über den Verkauf von E-Books bis hin zum Angebot diverser Dienstleistungen im digitalen Bereich – das Thema digitale Güter ist in der heutigen Welt relevanter denn je. Am 11. Juni 2019 ist die neue EU-Richtlinie 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten müssen nunmehr bis zum 1. Juli 2021 die entsprechenden Vorschriften zur Umsetzung erlassen und diese ab dem 1. Januar 2022 anwenden. Für die nationale Umsetzung in Deutschland hat die Bundesregierung Anfang des Jahres einen Regierungsentwurf erstellt, der umfangreiche Änderungen des BGB vorsieht. Dieser Gesetzesentwurf wurde am 24.06.2021 vom Bundestag beschlossen und am 30.06.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet.

Wir möchten Ihnen in diesem Rechtstipp der Woche bereits vorab die wichtigsten geplanten Änderungen des Gesetzesvorhabens vorstellen.

Hintergrund

Ziel der EU-Richtlinie 2019/770 ist es, ein hohes Verbraucherschutzniveau innerhalb der EU herzustellen, indem gemeinsame Vorschriften an B2C-Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen festgelegt werden. Aufgrund der Vollharmonisierung dürfen die Mitgliedstaaten weder strengere noch weniger strenge Vorschriften aufrechterhalten oder einführen, sofern dies nicht ausdrücklich durch die betreffenden Richtlinienbestimmungen gestattet wird.

Zur Umsetzung der Richtlinie wird u.a. ein neuer Titel 2a zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte mit den §§ 327 bis 327u im BGB eingefügt werden.

Anwendungsbereich

Der aktualisierte § 326 BGB regelt den Anwendungsbereich. Demnach finden die Regelungen Anwendung auf Verbraucherverträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen (digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben.

Unter die Begriffe digitaler Inhalt und digitale Dienstleistung fallen unter anderem Computerprogramme, Audiodateien, digitale Spiele oder eBooks sowie Cloud-Computing-Dienste oder Software-as-a-Service.

Ein Novum stellt die Erstreckung auf Verträge mit personenbezogenen Daten als Gegenleistungen dar, es sei denn, die Daten werden verarbeitet, um die Leistungspflicht des Unternehmers oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen, und werden nur zu diesem Zweck verarbeitet.

Ebenso umfasst sind Verträge über körperliche Datenträger, welche ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen, z. B. USB-Sticks, CDs oder Speicherkarten. Ausgenommen von den geplanten Regelungen sind u.a. Behandlungsverträge oder Verträge über Finanzdienstleistungen.

Bereitstellung der digitalen Produkte

Ein digitaler Inhalt gilt als bereitgestellt, wenn er dem Verbraucher zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist.  „Zur Verfügung gestellt“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dem Verbraucher eine eigenständige Zugriffsmöglichkeit verschafft wurde. Im Gegensatz dazu meint „zugänglich machen“ das Schaffen einer entsprechenden Möglichkeit zur Nutzung eines Dienstes durch den Verbraucher unter fremder Kontrolle. Es ist hierfür nicht nötig, dass der Verbraucher von dieser Möglichkeit tatsächlich auch Gebrauch macht. Der Verbraucher soll dabei über den Beginn der Nutzung selbst entscheiden können. Der Unternehmer erfüllt seine Verpflichtung bereits dann, wenn dem Verbraucher ohne weitere hierfür nötige Handlungen des Unternehmers der ungehinderte Zugriff ermöglicht wird.

Ähnliches gilt im Übrigen für digitale Dienstleistungen, bei denen jedoch die Möglichkeit der Zugänglichmachung entfällt.

Die Frage, wann das digitale Produkt breitgestellt wird, ist insbesondere relevant für die Bestimmung der Verjährungsfrist.

Sollte ein Unternehmer seiner Pflicht zur Bereitstellung nicht nachkommen, ergeben sich für den Verbraucher weitere Rechte. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es ihm dann möglich, den Vertrag zu beenden und Schadensersatz zu verlangen.

Mängelhaftung

Ähnlich wie im Warenverkehr, ist der Unternehmer auch bei Verträgen zur Bereitstellung eines digitalen Produkts dazu verpflichtet, dieses frei von Produkt- und Rechtsmängeln bereitzustellen. Die Bewertung, wann ein Produktmangel vorliegt und wann nicht, ist jedoch sehr umfassend. Der neue § 327e BGB fordert nämlich, dass das digitale Produkt dann frei von Produktmängeln ist, wenn es den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Anforderungen an die Integration entspricht. In den Absätzen 2 bis 4 der Vorschrift werden die drei Anforderungstypen näher konkretisiert.  

Beispielsweise kann ein Produktmangel vorliegen, wenn das digitale Produkt in einer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses veralteten Version bereitgestellt wird, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben (§ 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BGB(neu)). Auch eine fehlende Integration des Produkts in die Umgebung des Verbrauchers stellt nach der neuen Regelung ein Produktmangel dar (§ 327e Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BGB(neu)).

Aktualisierungspflicht

Um das digitale Produkt auf Grund häufiger Änderungen der digitalen Umgebung anzupassen und auch Sicherheitslücken zu schließen, ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderlich sind, z. B. Sicherheits-Updates, bereitzustellen und den Verbraucher darüber zu informieren.

Sofern es sich um eine dauerhafte Bereitstellung handelt, z. B. bei Cloud-Diensten, ist der maßgeblich Zeitraum der Bereitstellungszeitraum. Bei einmaliger Bereitstellung bezieht sich der maßgebliche Zeitraum auf den Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der digitalen Produkte und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten konnte.

Gewährleistungsrechte

Sofern das digitale Produkt mangelhaft ist, stehen dem Verbraucher nach den neuen §§ 327i – 327n BGB verschiedene gewährleistungsrechtliche Ansprüche und Rechte zu. Das umfasst den Anspruch auf Nacherfüllung, das Recht zur Vertragsbeendigung, das Recht zur Minderung und der Anspruch auf Schaden- bzw. Aufwendungsersatz.

Wie im Kaufrecht besteht zunächst der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands. Im Gegensatz zum Warenkauf steht dem Verbraucher hierbei kein Wahlrecht hinsichtlich der Nacherfüllung zu. Wie der Unternehmer die Vertragsmäßigkeit herstellt, etwa durch Nachbesserung oder erneute Bereitstellung, wird ihm überlassen. Die Nacherfüllung muss für den Verbraucher unentgeltlich erfolgen.

Verjährung und Beweislastumkehr

Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre. Eine Besonderheit enthält jedoch § 327j Abs. 4 BGB (neu). Dort ist eine Ergänzung der Frist um vier Monate für Fälle vorgesehen, in denen wegen des nahenden Endes der Verjährungsfrist eine rechtzeitige Geltendmachung der Gewährleistungsrechte vereitelt werden könnte.

Beispiel: Ein Tag vor Ablauf der Verjährungsfrist zeigt sich ein Mangel des digitalen Produkts. Die Verjährung tritt dann nicht am folgenden Tag ein, sondern frühestens erst vier Monate nach dem Zeitpunkt, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.

Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich zum Zeitpunkt der Bereitstellung zu laufen, bei dauerhaften Bereitstellungen erst mit dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Eine Sonderregelung betrifft die vorgesehene Aktualisierungspflicht bei einmaligen Bereitstellungen: Hier wird der Beginn der Verjährung an das Ende des im Einzelfall zu bestimmenden Zeitraums der Aktualisierungspflicht gekoppelt.

Innerhalb eines Jahres nach Bereitstellung des Produkts wird vermutet, dass der Mangel bereits bei Bereitstellung vorlag. Gegenteiliges müssten Sie während dieses Zeitraums beweisen.

Nutzung nach Vertragsbeendigung

Wird der Vertrag über die Bereitstellung eines digitalen Produkts beendet, ist der Verbraucher verpflichtet, die weitere Nutzung des digitalen Produkts und dessen Weitergabe an Dritte zu unterlassen. Zudem darf der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten Inhalte, die keine personenbezogenen Daten darstellen, grundsätzlich nicht weiter nutzen. Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich im neuen § 327p Abs. 2 BGB (neu), z. B. wenn die Inhalte vom Verbraucher gemeinsam mit anderen erzeugt wurden und andere Verbraucher die Inhalte weiterhin nutzen können.

Rückgriffsanspruch des Unternehmers

Durch den neuen § 327u BGB räumt Ihnen der Gesetzgeber einen expliziten Regressanspruch bei Ihrem Vertriebspartner ein.

Der Rückgriffsanspruch besteht dann, wenn Ihnen Aufwendungen aufgrund einer durch den Vertriebspartner verursachten unterbliebenen Bereitstellung entstanden sind. Ferner können Sie Aufwendungen im Rahmen der Nacherfüllung regressieren, sofern der Mangel bereits bei der Bereitstellung durch den Vertriebspartner vorhanden war.

An dieser Stelle ist eine Verjährungsfrist von sechs Monaten vorgesehen. Diese beginnt erst dann zu laufen, wenn Sie die Ansprüche des Verbrauchers, z. B. Nacherfüllung, erfüllt haben.

 

Unser Tipp

Nachdem bereits im Bereich des Widerrufsrecht explizite Vorschriften ergangen sind, werden zukünftig auch weitere Regelungen zu digitalen Produkten gelten und u.a. die Gewährleistungsrechte der Verbraucher regeln.

Durch die vollharmonisierende Ausgestaltung der EU-Richtlinie soll das Geschäft mit digitalen Inhalten und Dienstleistungen auch länderübergreifend vereinheitlicht werden und für ein hohes Verbraucherschutzniveau sorgen.

Falls Sie digitale Inhalte Produkte anbieten, sind gewisse Anpassungen Ihrer Rechtstexte erforderlich. Unser Team aus Expertinnen und Experten unterstützt Sie dabei gerne im Rahmen einer individuellen Rechtsberatung.

 

Diesen Artikel haben wir ursprünglich im Juni 2021 veröffentlicht und aufgrund des Abschlusses des Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland jetzt für Sie aktualisiert.

 

Über den Autor


Lazar Slavov

Lazar Slavov, LL.M.
Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH und Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH. Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Bonn. Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln mit Stationen u.a. bei der Mediengruppe RTL sowie der Bundesstadt Bonn. Master of Laws (Gewerblicher Rechtsschutz) an der Universität Düsseldorf. Von Mai 2014 bis Februar 2018 Tätigkeit als Rechtsanwalt im Fachbereich Marken- und Wettbewerbsrecht bei der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, dort unter anderem zuständig für die Betreuung internationaler Mandate. Seit März 2018 Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH und seit Januar 2020 Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH.

18.07.21
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