DSGVO-Kopplungsverbot im Online-Shop – das gilt es zu beachten!

Inhaltsverzeichnis:

1. Was bedeutet "Kopplungsverbot" eigentlich?
2. Werbe-Einwilligung bei Gratisdiensten
3. Kopplung bei entgeltlichen Verträgen
4. Keine Freiwilligkeit bei Cookie-Walls
5. Was gilt bei Cookie-Paywalls?
6. Datenpreisgabe gegen Gewinnspielteilnahme
7. Unser Tipp

 

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Das dumpf vibrierende Geräusch, welches durch die Verbindung von zwei Zugwaggons entsteht, dürfte jedem Zugreisenden bekannt sein. Ohne die Kopplung von Zug und Waggon wäre eine sichere Zugfahrt wohl denkbar unmöglich.

Im Datenschutzrecht dürfen Sie eine Kopplung jedoch nicht ohne weiteres vornehmen.

Wenn Sie unsere Beiträge zum Thema Datenschutz schon länger verfolgen, wird Ihnen sicherlich nicht neu sein, dass Sie für jede DSGVO-konforme Verarbeitung personenbezogener Daten eine entsprechende Rechtfertigung benötigen. Eine rechtmäßige Datenverarbeitung kann beispielsweise auf eine freiwillig erteilte Einwilligung der betroffenen Person gestützt werden. An der Freiwilligkeit der Einwilligung kann jedoch dann gezweifelt werden, wenn z. B. die Voraussetzung für die Teilnahme an einem Online-Gewinnspiel die Einwilligung in den Erhalt eines Newsletters ist. Mit Blick auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften kann eine solche „Kopplung“ gegebenenfalls unzulässig sein.

Wann dies der Fall ist, was Sie bei der Kopplung beachten sollten und ob es sinnvoll ist, überhaupt solche Konstellationen zu wählen, erfahren Sie in diesem Rechtstipp der Woche.

 

Was bedeutet "Kopplungsverbot" eigentlich?

Das datenschutzrechtliche Kopplungsverbot wird aus Art. 7 Abs. 4 DSVGO abgeleitet. Dort heißt es:

Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.“

Faustformel: Unzulässige Kopplung = „abhängige“ Einwilligung + anderweitige Datenverarbeitung (z. B. Kaufvertrag)

Nicht selten findet man Aussagen, nach denen der Vertragsschluss nur dann von einer Einwilligung in eine Datenverarbeitung abhängig gemacht werden dürfe, wenn die Datenverarbeitung für die Leistungserbringen erforderlich ist. Die Einwilligung bei einer Newsletter-Anmeldung als Voraussetzung um an einem Gewinnspiel teilzunehmen, wäre demnach in jedem Fall unzulässig, da die Datenverarbeitung zur Gewinnspielteilnahme nicht erforderlich ist.

Jedoch geht diese Annahme von einem sog. absoluten Kopplungsverbot aus.

Die Formulierung der DSGVO-Vorschrift lässt jedoch vielmehr darauf schließen, dass eine Kopplung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Sie stellt lediglich ein Bewertungskriterium für die Freiwilligkeit einer Einwilligung dar (sog. relatives Kopplungsverbot). Es ist im Falle der Kopplung zu prüfen, ob die Entscheidung über die Erteilung der Einwilligung durch den Betroffenen trotz Kopplung frei, also zwanglos getroffen werden kann. Sollte dies der Fall sein, dann kann eine Kopplung grundsätzlich zulässig sein.

Vertragsschlüsse von Einwilligungen abhängig zu machen ist in der Praxis vielfältig, weshalb wir im Folgenden anhand einer Auswahl praxisrelevanter Beispiele die Zulässigkeit von Kopplungen deutlich machen.

 

Werbe-Einwilligung bei Gratisdiensten

Das italienische Kassationsgericht musste sich 2018 mit folgendem Fall beschäftigen:

Ein Webseitenbetreiber bot einen Newsletter zu Finanz- und Steuerthemen an, den die User der Seite kostenlos abonnieren konnten. Voraussetzung für den Erhalt des Newsletters war jedoch die Einwilligung in den Versand von Werbung Dritter.

Für die Beurteilung der Freiwilligkeit einer Einwilligung prüfte das Gericht, wie unersetzbar oder unverzichtbar der angebotene Dienst für den Betroffenen ist. Sofern Informationen problemlos auf anderer Weise erlangt werden können, (z. B. durch zahlungspflichtige Webseiten) muss die Kopplung von Einwilligung und Nutzung des Dienstes erlaubt bleiben. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Einwilligung für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich ist.

Etwas anders sieht es das Bayrische Landesamt für Datenaufsicht (BayLDA). Ein Verlag stellte eine nahezu kostenlose Software auf einem Online-Portal zur Verfügung. Um diese Software herunterzuladen mussten User im Gegenzug der Anmeldung zum Newsletter des Verlags zwingend zustimmen. Alternativ konnte die Software auf einem eigenen Portal des Verlags kostenpflichtig jedoch ohne Einwilligung in die werbliche Nutzung erworben werden.

Nach Ansicht des BayLDA, das sich auf die Richtlinien des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) bezieht, liegt in solchen Fällen keine freiwillige Einwilligung vor. Eine Anmeldung zu einem Newsletter im Gegenzug zu einem kostenlosen Produkt sei nur dann freiwillig, wenn das gleiche Produkt auf derselben Plattform kostenpflichtig und ohne Pflicht zur Newsletter-Anmeldung angeboten würde. Es reiche nicht aus, das Produkt kostenpflichtig auf einer völlig anderen Plattform von einem Drittanbieter anzubieten.

Zusammenfassend kann bei kostenlosen Dienstleistungen auf die Aussage der Datenschutzkonferenz verwiesen werden: Ist bei einem unentgeltlichen Tausch von personenbezogenen Daten gegen eine Leistung in Verbindung mit der Zustimmung zur werbliche Nutzung der Daten (z. B. kostenloses Whitepaper gegen Zustimmung für Newsletterversand) die vereinbarte Gegenleistung für den User bei Vertragsschluss klar und verständlich ersichtlich (Newsletterversand), so ist keine zusätzliche Einwilligung in den Newsletterversand notwendig.

 

Kopplung bei entgeltlichen Verträgen

Auch der Oberste Gerichtshof in Österreich (OGH) beschäftigte sich bereits 2018 mit der Frage, ob die Verknüpfung einer Einwilligung mit dem Vertragsschluss eines DVB-T Fernsehprogrammanbieters gegen die Regelungen zum Kopplungsverbot verstößt. Das Gericht stellt an die Beurteilung einer freiwillig erteilten Einwilligung hohe Anforderungen:

Bei der Kopplung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsschluss ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen.

Im Einzelfall kann also die Ausführung von besonderen Umständen für die Freiwilligkeit sprechen. Diese sind jedoch von der datenverarbeitenden verantwortlichen Stelle zu dokumentieren, um sich im Zweifel auch darauf berufen zu können.

 

Keine Freiwilligkeit bei Cookie-Walls

Kopplungen von Einwilligung und Vertragserfüllung findet man auch bei sog. „Cookie-Walls“. Bei diesen muss sich der Betroffene zunächst entscheiden, ob er in die Nutzung von Cookies einwilligt, bevor er Zugriff auf die Webseiteninhalte hat. Dafür verwendet der Webseitenbetreiber ein Skript, das die Sichtbarkeit der Inhalte blockiert, wenn die Cookies und die Informationen über die Cookie-Einstellung sowie der Zweck der Datenverarbeitung nicht akzeptiert wird. Dabei ist es nicht möglich, auf den Inhalt der Webseite zuzugreifen, ohne auf den Button „Cookies akzeptieren“ zu klicken.

Der EDSA ist der Ansicht, dass die Person, die die Webseite besucht, keine echte Wahl habe. Daher gilt eine Einwilligung in den Fällen von Cookie-Walls nicht als freiwillig erteilt. Ferner könne sich der Verantwortliche auch nicht darauf berufen, dass eine vergleichbare Dienstleistung von einem anderen Verantwortlichen erbracht wird und damit eine Wahlmöglichkeit besteht. Ein Anbieter könne betroffene Personen nicht daran hindern, auf einen Dienst zuzugreifen, nur weil sie keine Einwilligung erteilen.  

 

Was gilt bei Cookie-Paywalls?

Anders kann es sich bei sog. „Cookie-Paywalls“ verhalten. Wer häufiger auf den Webseiten großer Zeitungsverlage unterwegs ist, wurde mit Sicherheit schon mit so einer „Mauer“ konfrontiert. Leserinnen und Leser haben dabei die Wahl, die angebotenen Inhalte gegen Entgelt zu beziehen oder kostenlos zu lesen, verbunden mit personalisierter Werbung und Tracking.

Gegen diese Cookie-Paywall wurde im vergangenen Jahr Beschwerde von Max Schrems und seiner Nichtregierungsorganisation noyb bei den jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden eingelegt. Der Vorwurf lautet, dass die Freiwilligkeit der Einwilligung in die Weitergabe der personenbezogenen Daten nicht gegeben sei, wenn die Betroffenen eine Einwilligung nur mit der Konsequenz eines kostenpflichtigen Abos verweigern können.

Inwieweit die Beschwerde am Ende Erfolg hat, bleibt jedoch abzuwarten. Die österreichische Datenschutzbehörde hat die Praxis der Cookie-Paywall im Jahr 2018 jedoch bereits für zulässig erklärt. Und auch der EDSA meint, dass eine Einwilligung freiwillig erteilt werde, wenn der betroffenen Person neben der Option zur Einwilligung in die Datenverarbeitung für zusätzliche Zwecke, die Alternative angeboten wird, die Dienstleistung auch ohne eine solche Einwilligung zu erbringen.

 

Datenpreisgabe gegen Gewinnspielteilnahme

Ein beliebtes Marketinginstrument für Unternehmen, um Newsletter-Anmeldungen zu steigern, ist die Verbindung von Datenpreisgabe mit einem Gewinnspiel. Voraussetzung für die Teilnahme am Gewinnspiel ist u.a. die Einwilligung in den Newsletterversand des Unternehmens.

Das OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 27.6.2019 – 6 U 6/19) hat sich schon 2019 mit genau dieser Situation beschäftigt. Dabei ging es um einen Stromanbieter, der ein Gewinnspiel veranstaltet hat. Für die Teilnahme war erforderlich, dass die Nutzerinnern und Nutzer in künftige Werbeanrufe einwilligten. Das Gericht entschied damals, dass es für die Freiwilligkeit der Einwilligung genüge, wenn die betroffene Person eine echte oder freie Wahl hat und in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden (Erwägungsgrund 42 DSGVO). Insbesondere dürfe auf die betroffene Person kein Druck ausgeübt werden. Ein bloßes Anlocken durch Versprechen einer Vergünstigung, etwa - wie hier - einer Teilnahme an einem Gewinnspiel, reiche dafür aber nicht aus. Einer Freiwilligkeit stehe nicht entgegen, dass die Einwilligungserklärung mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel verknüpft ist. Der Verbraucher könne und müsse selbst entscheiden, ob ihm die Teilnahme die Preisgabe seiner Daten „wert“ ist.

Eigentlich bereits entschieden, ignoriert jedoch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW (LDI NRW) in ihrem Tätigkeitsbericht (S. 40) die Ausführungen und das Urteil des OLG Frankfurt a. M. Demnach wird es doch als Nachteil bewertet, dass die Nutzerinnen und Nutzer im Falle der Ablehnung des Newsletter-Abos nicht am Gewinnspiel teilnehmen können. Da die Einwilligung in die E-Mail-Werbung regelmäßig nicht erforderlich für die Durchführung des Gewinnspiels sei, werde zudem ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot angenommen.

Im Ergebnis kommt jedoch auch die LDI NRW zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme am Gewinnspiel an das Newsletter-Abo geknüpft werden kann. Als Rechtsgrundlage soll dann nicht die Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO), sondern der Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO dienen. Hiernach ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrages erforderlich ist, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist. Das Gewinnspiel dürfe dann entsprechend nicht als „kostenlos“ angeboten werden, sondern müsse offen als zweiseitiger Vertrag („Gewinnchance gegen Daten für Zusendung des Newsletters“) gekennzeichnet werden, bei dem die wesentlichen Vertragsmodalitäten den Nutzerinnen und Nutzern offengelegt werden. 

Auch in diesem Falle bleibt festzuhalten, dass es nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. und der LDI NRW weiterhin möglich ist, Gewinnspiele von der Zustimmung in ein Newsletter-Abo abhängig zu machen. Jedenfalls dann, wenn die Modalitäten des Gewinnspiels und der Datenverarbeitung klar und verständlich offengelegt werden.

Ob dieses Vorgehen jedoch als Umgehung des gesetzlichen Kopplungsverbots höchstrichterlich anders entschieden werden kann, bleibt derzeit noch abzuwarten.

 

Unser Tipp

Die Kopplung von Zugwaggons ist mit der Kopplung im Datenschutzrecht nicht vergleichbar.

Wer weiterhin Vertragsschlüsse an die Einwilligung für eine zusätzliche und für die Vertragserfüllung nicht erforderliche Datenverarbeitung koppeln will, sollte dies nur in Ausnahmefällen tun. Es ist ein schmaler Grat, ob eine Einwilligung in diesen Fällen wirklich freiwillig erfolgt oder nicht. Während die Praktik „Daten gegen Gewinnspielteilnahme“ unter transparenten Voraussetzungen wohl möglich ist, sollte insbesondere von Cookie-Walls Abstand genommen werden.

Grundsätzlich ist zu empfehlen, die Datenverarbeitungsprozesse voneinander zu trennen (und so zu „entkoppeln“) oder sich im Vorfeld entsprechender Marketing-Aktionen rechtlicher Expertise zu bedienen.

Diesbezüglich sind im Bereich des Angebots von kostenlosen digitalen Inhalten im Tausch gegen personenbezogenen Daten die gesetzlichen Neuregelungen ab dem 01.01.2022 zu beachten. Dabei sollten Sie unbedingt beachten, inwieweit die über den Dienstleistungsvertrag hinausgehenden Datenverarbeitungen nur mittels einer zusätzlichen, freiwilligen Einwilligung erlaubt ist. Weitere Informationen dazu finden Sie in diesem Blogbeitrag.

 

 

Über den Autor


Konstantin

Konstantin Schröter ist Master of Laws (LL.M.), zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV) und als Produkt Manager Datenschutz bei Trusted Shops tätig. Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts an der Technischen Universität Dresden sowie Masterstudium an der Technischen Hochschule Köln. Im Rahmen seiner Tätigkeit betreut er die Trusted Shops Legal Produkte und ist für die Weiterentwicklung der Legal-Tech-Produkte im Bereich Datenschutz zuständig.

13.01.22
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