Gesundheitsbezogene Werbung: Abmahngefahr Health-Claims-Verordnung

 
Gesund sein oder gesund werden, das wollen wir alle. Deshalb ist Werbung, die durch den Konsum eines Produkts Gesundheit und Wohlbefinden verspricht, häufig besonders wirksam.
 
Sind die Behauptungen jedoch unwahr, können sie die Gesundheit der Verbraucher*innen gefährden. Eine Vielzahl gesetzlicher Sonderregeln regelt daher die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben. Eine davon ist die europäische Health-Claims-Verordnung (HCVO). Sie wurde 2006 erlassen und bestimmt, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendet werden dürfen.
 
In diesem Rechtstipp der Woche fassen wir für Sie die wichtigsten Regelungen der HCVO zusammen und zeigen, welche Fälle aktuell besonders häufig abgemahnt werden.
Was Sie grundsätzlich beim Verkauf von Lebensmitteln beachten müssen, erfahren Sie in unserem Rechtstipp der Woche „Diese 5 Probleme beim Verkauf von Lebensmitteln sollten Sie kennen, um Abmahnungen zu vermeiden“.


Was sind nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben?

Die Health-Claims-Verordnung regelt insbesondere die Kennzeichnung und Werbung für Lebensmittel mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben.
 
Eine nährwertbezogene Angabe ist:
 
jede Angabe, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund der Energie (des Brennwerts), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, und/oder der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält (Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO).
 
Unter einer gesundheitsbezogenen Angabe ist nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO:
 
jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Dieser Zusammenhang ist weit zu verstehen (EuGH, Urt. v. 6. 9.2012 – C-544/10).
 
Anders als nährwertbezogene Angaben, welche nur auf die Zusammensetzung des Produkts hinweisen, stellen gesundheitsbezogene Angaben also einen Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Gesundheit her.
 
Nicht nur Aussagen, sondern auch Darstellungen können solche Angaben sein.
 
Bsp.: Beispielsweise handelte es sich nach Ansicht des OLG Hamm (Urt. v. 11.8.2022 – 4 U 81/21) bei einer Grafik, die verschiedene Keime in stilisierter Abbildung und zudem eine männliche Person zeigte, die ihre linke Hand in Abwehrhaltung gegen die Keime ausstreckt, um eine gesundheitsbezogene Angabe. Sie bringe zum Ausdruck, dass die unmittelbar darunter abgebildeten Produkte besondere Eigenschaften besitzen, und zwar eine die körpereigene Immunabwehr zumindest stärkende Wirkung.
 
Eine gesundheitsbezogene Angabe kann auch dann gegen die HCVO verstoßen, wenn sie nicht durch die Unternehmerin oder den Unternehmer selbst getroffen wird, sondern in Erfahrungsberichten von Produktnutzer*innen enthalten ist, welche zu Werbezwecken genutzt werden (OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015 – 13 U 47/15).
 
Wann handelt es sich nicht um Angaben im Sinne der Health-Claims-Verordnung?
 
Eine Aussage oder Darstellung ist nur dann eine Angabe über ein Lebensmittel im Sinne der HCVO, wenn mit ihr zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass das das Lebensmittel eine besondere Eigenschaft besitzt.
 
Bsp.: Eine solche Angabe liegt hingegen nicht vor, „wenn eine Aussage oder Darstellung aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher*innen lediglich auf eine Eigenschaft eines Lebensmittels hinweist, die alle Lebensmittel der angesprochenen Gattung besitzen“. Eine solche lediglich beschreibende Aussage sah der BGH in der Produktbezeichnung „Energy und Vodka“. Sie drücke nur aus, dass es sich um ein Mischgetränk aus Vodka und Energydrink handle (BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 167/12).
 
Auch auf Angaben zum allgemeinen Wohlbefinden findet die HCVO keine Anwendung. Die Aussagen „Haribo macht Kinder froh“ oder „Red Bull verleiht Flügel” sind demnach keine gesundheitsbezogenen Angaben, sondern Angaben zum allgemeinen Wohlbefinden.


Wann sind nährwertbezogene Angaben erlaubt?

Für die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben bestehen jeweils besondere Voraussetzungen.
 
Nährwertbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn sie im Anhang der HCVO aufgeführt sind und den dortigen Bedingungen entsprechen.
 
  • Eine solche Angabe ist z.B. „ENERGIEARM“. Der Anhang gibt dazu vor: „Die Angabe, ein Lebensmittel sei energiearm, sowie jede Angabe, die für die Verbraucher*innen voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, ist nur zulässig, wenn das Produkt im Falle von festen Lebensmitteln nicht mehr als 40 kcal (170 kJ)/100 g oder im Falle von flüssigen Lebensmitteln nicht mehr als 20 kcal (80 kJ)/100 ml enthält. Für Tafelsüßen gilt ein Grenzwert von 4 kcal (17 kJ) pro Portion, die der süßenden Wirkung von 6 g Saccharose (ca. 1 Teelöffel Zucker) entspricht“.
  • Die Angabe „Low Carb“ wurde z.B. mehrfach von den Gerichten als nährwertbezogene Angabe eingestuft (z.B. OLG Hamburg, Beschl. v. 5.8.2020 – 3 U 10/20). Sie kennzeichnet verschiedene Lebensmittel, die einen Anteil an Kohlenhydraten, also an Nährstoffen, aufweisen und hebt deren besondere Eigenschaft, nämlich die Kohlenhydratarmut, hervor. Da die Angabe „Low Carb“ jedoch nicht im Anhang der HCVO aufgeführt ist, handelt es sich um eine unzulässige nährwertbezogene Angabe.

Wann sind gesundheitsbezogene Angaben erlaubt?

Bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Nach Art. 10 Abs. 1 HCVO sind sie grundsätzlich verboten, es sei denn, sie sind nach der HCVO ausdrücklich zugelassen.

Es dürfen zum einen nur gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden, die in der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben aufgeführt werden. Diese findet sich im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 und auf der Seite der Europäischen Kommission.

Die folgenden Angaben sind z.B. zugelassen:

  • „Calcium wird für die Erhaltung normaler Zähne benötigt“
  • „Eisen trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei“
  • „Fluorid trägt zur Erhaltung der Zahnmineralisierung bei“
  • „Getrocknete Pflaumen tragen zu einer normalen Darmfunktion bei“.

Bsp.: Neben den zulässigen Aussagen enthält die Liste auch Bedingungen für die Verwendung der Angabe. Die Angabe „Getrocknete Pflaumen tragen zu einer normalen Darmfunktion bei“ darf z.B. nur für Lebensmittel verwendet werden, deren Verzehr eine tägliche Aufnahme von 100 g getrockneter Pflaumen gewährleistet. Damit die Angabe zulässig ist, sind die Verbraucher*innen darüber zu unterrichten, dass sich die positive Wirkung bei einer täglichen Aufnahme von 100 g getrockneter Pflaumen einstellt. Zudem sind bei bestimmten Aussagen zusätzliche Warnungen erforderlich.

! Ist eine Angabe, mit der geworben werden soll, noch nicht zugelassen, kann die Zulassung beantragt werden – und zwar seit dem 29.03.2021 ausschließlich elektronisch über die E-submission Food Chain (ESFC) Plattform der Europäischen Kommission.

Bsp.: Der BGH (Beschl. v. 29.03.2017 - I ZR 71/16) stellte klar, dass die Bezeichnung „Detox“ für Tees eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe ist und nicht nur einen Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden enthalte. Da die Angabe „Detox“ eine gesundheitsbezogene Angabe ist, die nicht durch die EU-Kommission zugelassen wurde, ist sie unzulässig.

Für die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben fordert die HCVO außerdem, dass bestimmte Hinweispflichten erfüllt werden:

a) einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,
b) Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,
c) gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und
d) einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten

Unspezifische gesundheitsbezogene Angaben

Die HCVO unterscheidet spezifische und unspezifische gesundheitsbezogene Aussagen. Letztere verweisen auf einen allgemeinen Vorteil des Lebensmittels oder Nährstoffs. Wegen ihrer allgemeinen Formulierung sind sie nicht zulassungsfähig, bergen aber ein großes Irreführungspotenzial. Deshalb sind sie von der HCVO umfasst und gem. Art. 10 Abs. 3 HCVO nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

Bsp: Die Aussage „bekömmlich“ in Bezug auf Kaffee stufte z.B. u.a. das OLG München (Beschl. v. 11.02.2020 – 29 W 1562/19) als unspezifische gesundheitsbezogene Angabe ein. Auch die Angabe „The Power for you“, mit der ein Getränkesirup gekennzeichnet wurde, ist nach Ansicht des OLG Hamburg eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe, da der Slogan eine Steigerung der Leistungsfähigkeit durch den Konsum des Produkts impliziere (OLG Hamburg, Urt. v. 26.03.2020 – 3 U 56/19).

Allgemeine Bedingungen für die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben

Neben den besonderen Voraussetzungen für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben gibt es allgemeine Voraussetzungen, die für alle Angaben gelten.

Art. 3 HCVO

At. 5HCVO

-    nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend


-    keine Zweifel über die Sicherheit anderer Lebensmittel wecken


-    dürfen nicht zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen


-    nicht suggerieren, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern kann


-    nicht auf körperliche Veränderungen Bezug nehmen, die bei Verbraucher*innen Ängste auslösen könnten

 

-    Angabe nur verwenden, wenn die positive Wirkung des Nähstoffs anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist


-    Nährstoff muss im Endprodukt in einer Menge vorhanden sein, in der er die behauptete Wirkung erzielen kann


-    Nährstoff muss in einer Form vorliegen, die für den menschlichen Körper verfügbar ist


-    Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, muss eine signifikante Menge des Nährstoffs liefern


-    Angabe muss sich auf das verzehrfertige Produkt beziehen


-    die durchschnittliche Verbraucher*in muss die Angabe verstehen



 
 
 

Verbotene gesundheitsbezogene Angaben

Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen gem. Art. 4 Abs. 3 lit. a HCVO keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen.
Auch folgende gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 12 HCVO unzulässig:

a) Angaben, die den Eindruck erwecken, durch Verzicht auf das Lebensmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden;
b) Angaben über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme;
c) Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe und von Vereinigungen, die nicht in Artikel 11 genannt werden, verweisen.


Health Claims bei Tierfuttermitteln

Übrigens sind leere Gesundheitsversprechen nicht nur bei Nahrung von Menschen unzulässig. Auch Tierfuttermittel darf nicht mit besonderen Wirkungen oder Eigenschaften beworben werden, die das Futtermittel nicht besitzt oder die alle vergleichbaren Futtermittel besitzen. Auch die Heilung einer Krankheit durch das Futtermittel darf die Unternehmerin oder der
 
Unternehmer nicht behaupten. So entschied z.B. das OLG Stuttgart, dass ein Futtermittel mit der Bewerbung ,,Anti-Zecken-Snack“ irreführend sei, da der Eindruck erweckt wurde, dass das Futter gleichzeitig dem Zeckenbefall vorbeuge, ohne dass die Aussage hinreichend wissenschaftlich gesichert sei (OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.19 – 2 U 144/18).
 
 

Rechtsfolgen von Verstößen

Die HCVO regelt, ob und unter welchen Bedingungen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zulässig sind. Sie regelt hingegen nicht, welche Rechtsfolgen ein Verstoß nach sich zieht.
 
Der BGH versteht die HCVO als Marktverhaltensregel im Sinne des Wettbewerbsrechts (z.B. BGH, Urt. v. 26.2.2014 – I ZR 178/12). Verstößt ein eine Unternehmerin oder ein Unternehmer also gegen die HCVO und ist der Verstoß geeignet, die Interessen von Verbraucher*innen, sonstigen Marktteilnehmer*innen oder Mitbewerber*innen spürbar zu beeinträchtigen, handelt sie oder er gem. § 3a UWG unlauter.
 
Wer unlauter handelt, läuft Gefahr abgemahnt zu werden. Unser Abmahnradar zeigt, dass hier Vorsicht geboten ist: Im Dezember 2022 lag 50 % der Abmahnungen ein Verstoß gegen besonderes Produktrecht zugrunde. Viele Verstöße gab es im Bereich der gesundheitsbezogenen Angaben.
 

Folgende Aussagen wurden dabei besonders häufig abgemahnt:

  • Werbung mit magenfreundlichen, verträglichen & bekömmlichen Kaffee
  • Werbung mit zuckerfrei bei alkoholischem Produkt
  • Werbung für ein Produkt als „Marmelade“, obwohl es nicht wie vorgeschrieben Zitrusfrüchte enthält
  • Werbung mit einem Mittel gegen „Männergrippe“

 

Unser Tipp

Sog. Health Claims sind besonders werbewirksam, aber auch besonders abmahngefährdet. Die HCVO ist eine Marktverhaltensregel, deren Verletzung gem. § 3a UWG unlauter sein kann. Mitbewerber und Verbraucherschutzverbände können Verstöße gegen die HCVO demnach abmahnen und - wie unser Abmahnradar zeigt - sie tun es auch. Die Regelungen der HCVO sind sehr komplex. Wenn Sie mit gesundheitsbezogenen Angaben werben möchten, seien Sie nicht kreativ, sondern verwenden Sie nur die Aussagen, die in die Listen mit zulässigen Angaben aufgenommen wurden. Erwägen Sie auch, einen spezialisierten Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen.

 
 
 

Über die Autorin


Autorin Anne Lehmann

Anne Lehmann, LL.M., ist Legal Consultant bei Trusted Shops im Bereich Legal Services. Bachelor an der Hanse Law School in Vergleichendem und Europäischem Recht sowie Master in Unternehmensrecht in Internationalem Kontext an der HWR Berlin. Im Rahmen ihrer Tätigkeit war sie ab 2013 zunächst für die Prüfung von Online-Shops der Märkte DACH, NL sowie UK zuständig und verantwortete das Key Account Operational Management. Seit 2017 betreut sie die Trusted Shops Legal Produkte und beschäftigt sich intensiv mit den für Online-Händler relevanten Rechtsgebieten.

23.02.23

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