Kennzeichnungspflichten beim Online-Vertrieb von Chemikalien

Inhaltsverzeichnis:
1. Welche Pflichtinformationen gelten nach der CLP-VO?
2. Wo sind die Informationen nach der CLP-VO zu platzieren?
3. Welche Pflichtinformationen gelten nach der REACH-VO?
4. Wie ist das Sicherheitsdatenblatt zu Verfügung zu stellen?
5. Gibt es Ausnahmen?
6. Fazit

Der Handel mit Chemikalien unterliegt besonderer Regulierung. Neben einer Reihe von Spezialgesetzen für bestimmte Produkte (z.B. Biozide, Pflanzenschutzmittel, Waschmittel, Lacke etc.) gelten die  REACH- und die CLP-Verordnung für eine Mehrzahl an Stoffen und Gemischen. Diese sehen besondere Informations- und Kennzeichnungspflichten vor, die auch im Online-Vertrieb von Bedeutung sind.

1. Welche Pflichtinformationen gelten nach der CLP-VO?

Beim Online-Vertrieb von Chemikalien ist zunächst die Verordnung bezüglich der Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO) zu beachten. Diese soll sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, bzw. Verbraucherinnen und Verbraucher eine einheitliche Kennzeichnung mit einheitlichen Angaben erhalten, die sie deutlich über die schädlichen Auswirkungen informieren.

Hinsichtlich der Pflichtangaben in der Werbung unterscheidet die Verordnung zwischen als gefährlich eingestuften Stoffen und als gefährlich eingestuften oder durch die CLP-VO besonders geregelten Gemischen.

Als gefährlich gilt der Stoff, wenn er bestimmten Kriterien für physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren oder Umweltgefahren entspricht (z.B. explosive Stoffe, entzündbare Gase und Aerosole). Diese sind im Anhang I Teile 2 bis 5 der CLP-VO näher geregelt.

Wenn Sie solche Stoffe online anbieten, müssen Sie gemäß Art. 48 Abs. 1 CLP-VO bei jeglicher Werbung angeben:

  • die Gefahrenklasse, d.h. die Art der physikalischen Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, oder
  • die Gefahrenkategorie, d.h. die Untergliederung nach Kriterien innerhalb der einzelnen Gefahrenklassen zur Angabe der Schwere der Gefahr.

Gemische gelten ebenfalls als gefährlich, wenn sie den im Anhang I Teile 2 bis 5 der CLP-VO dargelegten Kriterien entsprechen. Besonders geregelt sind Gemische, die  einen als gefährlich eingestuften Stoff enthalten.

Hier müssen Sie bereits in der Werbung die Gefahreigenschaften nennen, die auf dem Kennzeichnungsetikett angegeben sind, wenn die Werbung es einem privaten Endverbraucher ermöglicht, ohne vorherige Ansicht des Kennzeichnungsetiketts einen Kaufvertrag abzuschließen.

Folgende Angaben sind danach in der Werbung erforderlich, Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Art 17 Abs. 1 d)-h) CLP-VO:

  • Angabe des Gefahrenpiktogramms, Art. 19 CLP-VO
  • Angabe der Signalwörter, Art. 20 CLP-VO
  • Sicherheitshinweise, Art. 22 CLP-VO
  • Angabe ergänzender Informationen, Art. 25 CLP-VO

 2. Wo sind die Informationen nach der CLP-VO zu platzieren?

Sie müssen Ihrer Kundschaft diese Informationen vor Abgabe der Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Hinsichtlich der Frage, an welcher Stelle im Online-Shop die Pflichtangaben zu platzieren sind, ist der Verordnungszweck heranzuziehen, die mit der Nutzung des Produkts einhergehenden Gefahren den Verbraucher*innen zwingend vor Augen zu führen. Die Gefahrenhinweise sind daher so platzieren, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sie zwangsläufig wahrnehmen müssen, bevor sie den Bestellprozess mit dem Einlegen des Produkts in den Warenkorb starten.

Unzureichend wäre also eine Darstellung allein auf der Produktseite, wenn das Produkt aus einer Übersichtseite direkt in den Warenkorb gelegt werden könnte.

Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Gefahrenhinweise stets und hinreichend transparent angezeigt werden. Dies bedeutet, dass:

  • Gefahrenpiktogramme stets den gesetzlichen Vorgaben entsprechen müssen.
  • Signalworte im Textformat und in deutlicher Schriftart und -größe bereitzuhalten sind.
  • Verbraucher*innen ohne langes Scrollen die Gefahrenhinweise erreichen können.

Zudem bestimmt § 4 Abs. 3 GefStoffV, dass die Kennzeichnung von Stoffen und  Gemischen, die in Deutschland in den Verkehr gebracht werden, in deutscher Sprache erfolgen muss

3. Welche Pflichtinformationen gelten nach der REACH-VO?

Die REACH-Verordnung ist die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (EG) Nr. 1907/2006. Sie ist der wichtigste Teil der EU-Gesetzgebung für chemische Stoffe und deckt im Wesentlichen alle Stoffe ab, die als solche oder in Gemischen oder in Erzeugnissen für industrielle, gewerbliche oder private Zwecke verwendet werden.

Art. 31 der REACH-VO sieht für bestimmte Stoffe und Gemische (unter anderem für als gefährlich eigestufte Stoffe und Gemische im Sinne der CLP-VO) eine weitere Informationspflicht vor. Danach muss der Lieferant dem Abnehmer ein Sicherheitsdatenblatt (SDB) zur Verfügung stellen.

Der Begriff des Lieferanten ist in Art. 3 Nr. 32 REACH-Verordnung definiert und erfasst Hersteller, Importeure, nachgeschaltete Anwender und Händler.

Nach Art. 31 Abs. 6 REACH-VO muss das Sicherheitsdatenblatt datiert sein und folgende Rubriken enthalten:

  • Bezeichnung des Stoffes, bzw. des Gemischs und Firmenbezeichnung;
  • mögliche Gefahren;
  • Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen;
  • Erste-Hilfe-Maßnahmen;
  • Maßnahmen zur Brandbekämpfung;
  • Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung;
  • Handhabung und Lagerung;
  • Begrenzung und Überwachung der Exposition/Persönliche Schutzausrüstung;
  • physikalische und chemische Eigenschaften;
  • Stabilität und Reaktivität;
  • toxikologische Angaben;
  • Umweltbezogene Angaben;
  • Hinweise zur Entsorgung;
  • Angaben zum Transport;
  • Rechtsvorschriften;
  • sonstige Angaben.

Weitere Anforderungen an das Sicherheitsdatenblatt sind in Anhang II der REACH-VO näher geregelt.

4. Wie ist das Sicherheitsdatenblatt zu Verfügung zu stellen?

Auch das SDB ist in deutscher Sprache zur Verfügung zu stellen. Die Verordnung besagt, dass ein SDB auf Papier (z.B. innerhalb der Sendung) oder elektronisch (z.B. per E-Mail) zur Verfügung zu stellen ist.

Das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Auffassung vertreten, dass die Bereitstellung innerhalb des Online-Shops den Händler nicht von der Pflicht entbindet, es spätestens bei der ersten Lieferung aktiv zur Verfügung zu stellen.

5. Gibt es Ausnahmen?

Art. 31 Abs. 4 REACH-Verordnung sieht eine Ausnahme für den Fall vor, dass gefährliche Stoffe oder Zubereitungen, die der breiten Öffentlichkeit angeboten oder verkauft werden, mit ausreichenden Informationen versehen sind, die es dem Anwender ermöglichen, die erforderlichen Maßnahmen für den Schutz der menschlichen Gesundheit, für die Sicherheit und für die Umwelt zu ergreifen. Darunter wird auch der Online-Handel mit Verbraucher*innen verstanden.

  • Gegenüber Verbraucher*innen können Sie sich auf die Ausnahme allerdings nur dann berufen, wenn die Produkte tatsächlich mit den erforderlichen Informationenversehen sind. Wir empfehlen, dies sorgfältig zu prüfen, bevor Sie sich gegen die Zusendung eines SDB entscheiden.
  • Gewerblichen Anwender*innen (nachgeschalteten Anwender*innen) müssen Sie hingegen das SDB stets zu Verfügung stellen.

Weitere Ausnahmen gelten für bestimmte Stoffe und Gemische, die entweder außerhalb der REACH-VO oder zumindest des Titel IV („Information in der Lieferkette“) der REACH-VO geregelt sind (wie radioaktive Stoffe oder Abfall) oder die nicht unter den Geltungsbereich fallen. Beim B2C-Handel ist somit kein SDB erforderlich bei

  • Lebensmitteln,
  • Arzneimitteln bzw. Tierarzneimitteln,
  • kosmetischen Mitteln
  • bestimmten Medizinprodukten

6. Fazit

Der Online-Vertrieb von Chemikalien stellt Händlerinnen und Händler vor besondere Herausforderungen. Bereits an die Produktpräsentation im Online-Shop bestehen höhere Anforderungen als bei anderen Produkten. Vor dem Verkauf von chemischen Stoffen und Gemischen sollten Sie sich daher in besonderem Maße mit dem Produkt auseinandersetzen und die erforderlichen Informationen von Ihren Lieferantinnen und Lieferanten verlangen. Dies nicht nur wegen der bestehenden Abmahnmöglichkeiten durch Ihre Mitbewerber, sondern auch wegen der drohenden Gefahren für das Leben und die Gesundheit Ihrer Kundschaft.

 

Über die Autorin

autor_tanya_stariradeffTanya Stariradeff ist Rechtsanwältin und Legal Consultant bei Trusted Shops. Sie studierte Rechtswissenschaft an der Universität Bonn mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Wettbewerb. Nach der ersten juristischen Prüfung vor dem OLG Köln folgten Stationen bei CMS Hasche Sigle und eBay und das zweite Staatsexamen. Tanya veröffentlicht in verschiedenen juristischen Zeitschriften zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels. Seit Mai 2008 ist sie Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Trusted Shops.

 

27.07.23
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