Was, wenn beim Transport etwas schiefgeht?
Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
1. Bisherige Rechtslage
2. Neuregelungen ab Juli 2021
3. Macht es die neue Rechtslage noch komplizierter?
4. Wie können Sie den hohen Registrierungsaufwand umgehen?
5. Unser Tipp
Verkaufen Sie Ihre Waren über das Internet auch außerhalb Deutschlands an Verbraucher in anderen Ländern der EU, so ist Ihnen bestimmt bereits bewusst, dass Sie sich unter anderem auch mit den Regeln zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung Ihrer Verkäufe beschäftigen müssen. Vielleicht haben Sie sich schon den Kopf daran zerbrochen, herauszufinden, in welchem Land Sie die Mehrwertsteuer abführen müssen. Vielleicht haben Sie auch schon gehört, dass zu diesem Thema ab dem 01. Juli neue Regeln gelten werden. Tatsächlich setzt Deutschland mit dem Jahressteuergesetz 2020 zum 01.07.2021 eine EU-Richtlinie um, die die Umsatzbesteuerung von Warenlieferungen an Privatpersonen innerhalb der EU vereinfachen soll.
Die gute Nachricht ist: In diesem Rechtstipp erklären wir Ihnen die neuen Regeln und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich Ihnen für die Preisangaben in Ihrem Online-Shop bieten.
Im Falle der Lieferung von Waren an Privatpersonen im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EU gilt bisher gem. § 3 Abs. 6 UStG, dass Online-Händlerinnen und -Händler die Umsatzsteuer in dem Mitgliedstaat abzuführen haben, aus dem die Waren an die Verbraucher versendet werden.
Dies gilt jedoch nur, wenn die sogenannten Lieferschwellen nicht überschritten werden.
Folgendes Beispiel:
Der fiktive Online-Shop hosenausleder.com verkauft Lederhosen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich. Grundsätzlich muss dieser dafür als deutscher Online-Händler die Umsatzsteuer nach dem deutschen Steuersatz an das Finanzamt an seinem Unternehmenssitz abführen. Überschreitet der Shop allerdings die Lieferschwelle von 35.000 Euro Jahresumsatz in Österreich, so muss er sich in Österreich steuerrechtlich registrieren und die dortige Umsatzsteuer abführen. Ab dem Überschreiten der Lieferschwelle werden dann also nicht mehr 19% Umsatzsteuer in Deutschland fällig, sondern 20% in Österreich.
Das klingt doch gar nicht so kompliziert und aufwändig? Ist es aber! Denn jeder Mitgliedsstaat hat bisher eine eigene Lieferschwelle (zwischen 35.000 € und 100.000 €), deren Höhe und Einhaltung zu prüfen ist. Im Falle der Überschreitung einer Lieferschwelle müssen Sie sich im jeweiligen Empfängerland der Warensendungen steuerrechtlich registrieren und dort die Umsatzsteuer, zu dem dort geltenden Steuersatz, abführen.
Folglich steigt der Registrierungs- und Verwaltungsaufwand mit jedem Mitgliedsstaat, in den Sie Ihre Ware liefern. Immerhin besteht die Möglichkeit gem. § 3c Abs. 4 UStG auf die Lieferschwellen-Regelung zu verzichten. Machen Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, müssen Sie von Anfang an Ihre Umsätze in dem jeweiligen Zielland anmelden und die Steuer entsprechend abführen, auch wenn Sie die Lieferschwelle nicht überschreiten. Damit muss zwar nicht auf die Lieferschwellen geachtet werden, jedoch können wirtschaftliche Nachteile entstehen, wenn in dem Zielland die Lieferschwelle nicht überschritten wird, die Umsatzsteuer allerdings höher ist, als in Deutschland.
Unterschiedliche Lieferschwellen in den Mitgliedsstaaten gehören ab dem 01.07.2021 der Vergangenheit an. Sie werden durch eine einheitliche Lieferschwelle in Höhe von 10.000 € pro Kalenderjahr ersetzt. Dabei wird der Umsatz innerhalb der gesamten EU einberechnet. Wenn Sie die Lieferschwelle einmal überschreiten, oder auf die Lieferschwellen-Regelung verzichten, müssen Sie sich in jedem Mitgliedstaat, in den Sie anschließend liefern, registrieren lassen und dort die Umsatzsteuer abführen.
Bei der Ermittlung des Schwellenwertes werden nicht nur die Nettowerte für Waren errechnet, sondern zusätzlich erbrachte Dienstleistungen auf elektronischem Wege addiert. Darunter fallen beispielsweise kostenpflichtige Webinare, sowie Downloads von eBooks oder Fotos. Verkaufen Sie sowohl Waren als auch elektronische Dienstleistungen, so müssen Sie die Nettowerte der Waren und Dienstleistungen zusammenrechnen. Sollte die Lieferschwelle von 10.000 € hingegen nicht erreicht worden sein, ist die Umsatzsteuer wie bisher im Ursprungsland abzuführen.
Nicht von dieser neuen Regelung betroffen sind folgende Produkte:
Für unseren Lederhosen verkaufenden Online-Shop bedeuten die neuen Regeln, dass er sich weiterhin in jedem Mitgliedsstaat, in dem er verkauft, umsatzsteuerrechtlich registrieren muss, sobald er die neue EU-weite Lieferschwelle von 10.000 € überschreitet. Erspart bleibt ihm lediglich, seine Jahresumsätze für jeden Mitgliedsstaat zu überwachen, um festzustellen, in welchem Land er die Lieferschwelle überschreitet und in welchem nicht. Durch die Möglichkeit des Verzichts war ihm das jedoch auch schon vorher möglich.
Tatsächlich kann diese Vereinheitlichung der Lieferschwelle für unseren Shop sogar zu einem erhöhten Registrierungsaufwand führen. Macht er mit Lieferungen nach Österreich und Italien beispielsweise 11.000 € Jahresumsatz, während er in den Niederlanden nur 1.000 € Jahresumsatz erzielt, muss er sich in allen drei Ländern registrieren. Nach bisheriger Rechtslage hätte es keiner Registrierung bedurft und er hätte alle Umsätze in Deutschland versteuern können.
Bedeutet die Rechtsänderung also noch mehr Aufwand? Nicht unbedingt, denn das Gesetz bleibt nicht bei der Modifikation der Lieferschwelle stehen.
Zusätzlich eingeführt wird nämlich das sogenannte One-Stop-Shop Verfahren (kurz: OSS-Verfahren). Das Verfahren ermöglicht es Online-Händlerinnen und -Händlern, sich freiwillig beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern anzumelden und die anfallenden, ausländischen Umsatzsteuern in einer Steuererklärung zentral zu übermitteln.
So muss sich unser Lederhosen-Shop zumindest nicht mehr kostenpflichtig in mehreren Mitgliedstaaten registrieren.
Die niedrige Lieferschwelle von 10.000 € hat also zur Folge, dass Online-Shops ihre Umsätze häufiger als zuvor im Zielland ihrer Lieferung versteuern müssen. Das bringt angesichts der in der EU unterschiedlich geltenden Steuersätze allerdings Probleme bezüglich der Preiskalkulation mit sich.
Nach der Preisangabenverordnung (PAngV), müssen Sie in Ihrem Online-Shop die Bruttopreise anzeigen. Hinzu kommt die Pflicht, anzugeben, dass die Mehrwertsteuer im Preis enthalten ist. Die konkrete Höhe der Mehrwertsteuer muss jedoch nicht angegeben werden. Sie können also die Bruttopreise in Ihrem Online-Shop beibehalten. Je nach Mitgliedstaat und dem dort geltenden Steuersatz kann die Marge aber dadurch sinken. Werden die Lederhosen sowohl in Deutschland als auch in Österreich für 99,99 € inkl. Mehrwertsteuer angeboten, muss der Online-Händler 20% Mehrwertsteuer in Österreich abführen und erzielt im Ergebnis einen geringeren Erlös.
Eine andere Möglichkeit wäre es die Bruttopreise zu erhöhen, um Einbußen auszugleichen. In diesem Fall müssten dann jedoch damit verbundene Wettbewerbsnachteile in Kauf genommen werden.
Kommen Preiserhöhungen für Sie nicht in Frage, bleibt Ihnen noch die Option, Ländershops einzurichten. Das ist natürlich mit einem höherem Aufwand verbunden, allerdings bekämen Ihre Kunden ausschließlich den für sie passenden Preis angezeigt.
Hinweis: Bei Angleichung bzw. Beibehaltung der Brutto-Preise könnte es sich um einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Geoblocking-VO (VO [EU]) 2018/302) handeln. Danach müssen EU-Kunden in der Lage sein, unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige des Mitgliedstaats des Anbieters erwerben zu können – einschließlich der Nettopreise. Zwar würden die Kunden dieselben Bruttopreis angezeigt bekommen, die zugrundeliegenden Nettopreise wären jedoch möglicherweise je nach Mitgliedstaat des Kunden unterschiedlich. Da diese Frage derzeit noch ungeklärt ist, kann ein Restrisiko nicht ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung jeglichen Risikos bietet sich insofern die Einrichtung von Ländershops an.
Keine Option: Den Gesamtpreis während des Bestellprozesses verändern.
Der Grundsatz der Preiswahrheit bedeutet, dass der angegebene Preis mit dem Preis übereinstimmen muss, den der Verbraucher tatsächlich zu bezahlen hat. Sie dürfen also nicht während des Bestellprozesses, wie z.B. nach Eingabe der Lieferadresse, den Preis erhöhen oder senken um den dortigen Mehrwertsteuersatz einzuberechnen. Dies wäre ein Verstoß gegen die PAngV, aber auch ein Rechtsbruch im Sinne des § 3a UWG und eine Irreführung gem. § 5 Abs. 2, 3 UWG, sodass die Gefahr bestünde, wettbewerbsrechtlich abgemahnt zu werden.
Hannah Laura Schuller hat sich, nach einem erfolgreich absolvierten Jurastudium an der Université catholique de Louvain in Belgien, an der Universität zu Köln in deutschem Recht spezialisiert. Sie arbeitet seit Juli 2018 im Bereich Legal Expert Services der Trusted Shops GmbH, wo sie als Legal Consultant France tätig ist.
03.06.21Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
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