Minderjährige bestellen im Online-Shop - Was ist zu beachten?

Ob es zum Musik hören, zum Spielen oder zum Chatten ist – immer häufiger haben auch Kinder und Jugendliche Zugriff auf das Internet. Sei es über ein eigenes Smartphone oder den Familiencomputer, es kann passieren, dass sie sich im Internet Produkte bestellen. Einkäufe in Online-Shops sind ja schließlich schnell getätigt.

Bestellt die Jüngste der Familie Ackermann die brandneuste Stereoanlage, um ihre Heavy Metal Sammlung in vollen Züge zu genießen, kann es nicht nur für ihre Eltern, sondern auch für die Betreiber des Online-Shops von Interesse sein, die Rechtslage zum Vertragsschluss mit Minderjährigen zu kennen.

Diese stellen wir Ihnen in diesem Rechtstipp der Woche vor.

 

Geschäftsfähig oder nicht?

Es stellt sich also die Frage, ob die Jüngste der Familie Ackermann (nennen wir sie Louisa) einen Vertrag über den Kauf einer Stereoanlage in Ihrem Online-Shop wirksam abschließen kann.

Ein Vertrag besteht grundsätzlich aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen – dem Angebot und der Annahme. Diese müssen von geschäftsfähigen Personen abgegeben werden. Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam vorzunehmen. Fehlt sie bei einem der zwei Erklärenden, so ist ihre bzw. seine Willenserklärung gemäß § 105 Abs. 1 BGB nichtig und der Kaufvertrag ist nicht wirksam zustande gekommen.  

Volljährige (18 Jahre oder älter) sind in der Regel vollgeschäftsfähig. Bei Minderjährigen muss allerdings zwischen Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit unterschieden werden.

 

Geschäftsunfähigkeit

Kinder, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten gesetzlich als geschäftsunfähig, so § 104 Nr. 1 BGB. War die junge Louisa also erst sechs Jahre alt, so konnte sie keine wirksame Willenserklärung abgeben und es ist kein wirksamer Vertrag geschlossen worden. Schon erbrachte Leistungen sind dann dem anderen Teil zurückzugewähren. Dies bedeutet, dass, sofern Louisa bereits gezahlt hatte, Sie den Kaufpreis zurückerstatten müssen. Allerdings bekommen Sie auch Ihre Stereoanlage zurück.

 

Beschränkte Geschäftsfähigkeit

Etwas komplizierter ist die Regelung für Kinder und Jugendliche, die zwischen sieben und siebzehn Jahre alt sind. Diese gelten gem. § 106 BGB als beschränkt geschäftsfähig. Sie sind dann berechtigt, eigenständig rechtlich vorteilhafte Geschäfte abzuschließen. Darunter fallen beispielsweise Schenkungen, bei dem die minderjährige Person ohne Gegenleistung ein Geschenk erhält. Möchten Sie also Ihre hochwertige Stereoanlage verschenken, kann eine siebzehnjährige Louisa sie annehmen.

Wer einen Kaufvertrag schließt, erlangt jedoch nicht nur einen rechtlichen Vorteil, sondern geht auch eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung ein. Um solch eine Willenserklärung wirksam abgeben zu können, benötigen beschränkt Geschäftsfähige die Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters (in der Regel beide Elternteile zusammen). Da das Gesetz den Begriff der Einwilligung als vorherige Zustimmung definiert, muss sie vor Abgabe der Bestellung vorliegen. Hat Louisa also vor Abgabe ihrer Willenserklärung die Erlaubnis ihrer Eltern bekommen, so ist der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen.

 

Nachträgliche Zustimmung

Hat die siebzehnjährige Louisa der Philosophie des „Es ist oft einfacher, um Vergebung als um Erlaubnis zu bitten“ entsprechend die Einwilligung ihrer Eltern nicht eingeholt, heißt es jedoch nicht, dass der Vertrag automatisch nichtig ist. Er ist zunächst schwebend unwirksam. Ein schwebend unwirksamer Vertrag kann dadurch wirksam werden, dass der gesetzlicher Vertreter dem Vertrag durch Erteilung einer sog. Genehmigung nachträglich zustimmt (§ 108 Abs. 1 BGB).

Der gesetzliche Vertreter kann den Vertrag entweder gegenüber dem Minderjährigen oder direkt gegenüber dem anderen Teil genehmigen.

Damit Sie als Händlerin bzw. Händler nicht zu lange warten müssen, sieht das BGB vor, dass Sie den gesetzlichen Vertreter dazu auffordern können, eine Erklärung über die Genehmigung abzugeben. Dann kann der Vertreter nur noch Ihnen gegenüber den Vertrag genehmigen. Eine dem Minderjährigen bereits erteilte Genehmigung oder Verweigerung ist dann unwirksam. Es gilt nur noch das, was der Vertreter Ihnen gegenüber erklärt.

Entscheidet sich der gesetzliche Vertreter dazu, die Genehmigung zu verweigern, wird aus dem schwebenden Vertragsverhältnis ein vollständig unwirksamer Vertrag. Sie haben dann keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises durch den Minderjährigen.

Wenn Sie den Vertreter zu einer Erklärung aufgefordert haben, hat er zwei Wochen ab Empfang der Aufforderung Zeit, um den Vertrag zu genehmigen. Lässt er die Frist verstreichen, gilt die Genehmigung als verweigert und der Vertrag ist nichtig.  

Übrigens: Hat Louisa in der in der Zeit ihren 18. Geburtstag gefeiert, kann sie selbst den Vertrag genehmigen. Dazu verpflichtet ist sie jedoch nicht.

 

Reicht die Erklärung eines einzigen Elternteils?

Nein, es sei denn, er hat das alleinige Sorgerecht oder die Entscheidung wurde ihm von einem Gericht im Einzelfall hierzu übertragen. Gemäß § 1629, Abs. 1 BGB vertreten Eltern ihr Kind gemeinschaftlich. Dies bedeutet, dass beide Eltern grundsätzlich nur zusammen eine Einwilligung oder Genehmigung erteilen können.

Genehmigt nur eins der Elternteile den Kauf der Stereoanlage, während der andere Teil die Genehmigung verweigert, liegt keine wirksame Zustimmung vor.

Hat eins der Elternteile der Familie Ackermann unter Verstoß gegen den Gesamtvertretungsgrundsatz in den Kauf der Stereoanlage allein eingewilligt und hat Louisa basierend auf diese Einwilligung ihre Willenserklärung zum Kauf abgegeben, so finden die Vorschriften zum Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht Anwendung (§§ 177 ff. BGB). Die von Louisa abgegebene Willenserklärung ist dann schwebend unwirksam, wobei der übergangene Elternteil sie  genehmigen kann. Verweigert er jedoch seine Genehmigung, ist der Vertrag mit Louisa nicht wirksam zustande gekommen.

Allerdings haftet in diesem Fall der ohne Vertretungsmacht handelnde Elternteil gemäß § 179 BGB. Sie können dann nach Ihrer Wahl Erfüllung (Zahlung des Kaufpreises) oder Schadensersatz verlangen. Haben Sie wiederum gewusst oder fahrlässig verkannt, dass der Elternteil ohne Vertretungsmacht handelte, ist diese Haftung jedoch ausgeschlossen.

 

Sie haben die Möglichkeit zu widerrufen

Wenn Ihnen das Ganze zu kompliziert ist und Sie nicht auf die Entscheidung des gesetzlichen Vertreters warten wollen, können Sie grundsätzlich auch den Vertrag gemäß § 109 BGB widerrufen. Dabei muss die Widerrufserklärung nicht einmal gegenüber dem Vertreter erfolgen, sondern kann auch direkt gegenüber dem Minderjährigen getätigt werden. Hat der gesetzlicher Vertreter den Vertrag bereits genehmigt, sind Sie allerdings daran gebunden.

Es gibt jedoch eine Ausnahme: Sollten Sie gewusst haben, dass Louisa minderjährig ist, können Sie den Vertrag nur widerrufen, wenn Louisa wahrheitswidrig behauptet hat, ihre Eltern hätten in den Kauf vorher eingewilligt. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass Sie nicht wussten, dass die Einwilligung in Wirklichkeit gar nicht vorlag. Diese Ausnahme zum Widerrufsrecht wird im Online-Handel kaum Anwendung finden können, da der Verkäufer sein Vertragspartner weder sieht, noch mit ihm vor Vertragsschluss kommuniziert.

 

Sonderfall: Taschengeld

Eine Sonderregelung sieht der sog. „Taschengeldparagraph“ in § 110 BGB vor. Demnach ist der von einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen abgeschlossene Vertrag von Anfang an wirksam, wenn er für die Erfüllung seiner Leistung Mittel nutzt, die ihm für diesen Zweck oder zur freien Verfügung von dem gesetzlichen Vertreter überlassen worden sind.

Hat Louisa also ihr Taschengeld, dass sie monatlich zur freien Verfügung erhält, gespart, um sich damit eine preiswerte Stereoanlage zu kaufen, ist der Vertrag auch ohne Zustimmung ihrer Eltern wirksam geschlossen worden. Hat sie Geld für den Kauf einer solchen Anlage bekommen, ohne dass die Eltern genau hingeschaut haben, welche sie kauft, ist dies auch vom diesem Paragraphen umfasst. Das gleiche gilt übrigens auch für Mittel, die sie von einem Dritten, z. B. dem Patenonkel oder der Großmutter, erhalten hat, sofern ihre Eltern darin zugestimmt haben.

Hat sie jedoch das Geld, mit denen sie am Sonntag die Frühstücksbrötchen holen sollte, zweckentfremdet, um die Anlage zu kaufen, so sind die Bedingungen des § 110 nicht erfüllt. Der Vertrag ist dann schwebend unwirksam und muss von den Eltern genehmigt werden.

Um die Bedingungen des § 110 zu erfüllen, muss es sich um Mittel handeln, die der Minderjährige tatsächlich besitzt. Er soll sich dabei nicht verschulden.

Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob die Vertragspflichten des Minderjährigen bar oder durch Überweisung erfüllt werden, sodass die Regelungen auch auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrages angewendet werden können. Allerdings muss die Leistung sofort bewirkt werden. Hat Louisa also die Zahlungsart Kauf auf Rechnung ausgewählt, ist der Fall nicht von der Sonderregelung umfasst und die Zustimmung ihrer Eltern ist erforderlich.

Auch nicht von der Sonderregelung des Taschengeldparagraphs umfasst, sind solche Verträge, bei denen die minderjährige Person regelmäßige Zahlungen zu leisten hat, wie z. B. bei Handyverträgen. Für die Wirksamkeit eines solchen Abo-Vertrags ist in jedem Fall die Einwilligung oder Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erforderlich.  

Nichtsdestotrotz ist es Minderjährigen grundsätzlich möglich, Alltagsgeschäfte, deren Tragweite überschaubar ist, auch ohne konkrete Einwilligung des Vertreters eigenständig zu tätigen, z. B. der Kauf eines neuen Computerspiels oder eines Buchs.

 

Besser die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters einholen

Wann die Tragweite eines Geschäfts nicht mehr überschaubar ist, ist nicht immer leicht zu bewerten. Grundsätzlich ist es nämlich auch möglich, teurere Produkte mit angespartem Geld zu kaufen. Bis zu welchem Betrag Kinder und Jugendliche jedoch einkaufen dürfen, ist rechtlich nicht explizit geregelt.

Für Sie birgt dies die Gefahr, sich in einem unklaren Vertragsstatus zu befinden.

Deshalb ist es aus Gründen der Rechtssicherheit ratsam, bei einem Vertrag mit einem Minderjährigen grundsätzlich auf die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu bestehen. Damit Sie im Zweifel diese nachweisen können, empfiehlt es sich, sie schriftlich, z. B. per E-Mail einzuholen. Eine mündliche Zustimmung ist jedoch grundsätzlich auch möglich.

Strengere Anforderungen bei altersbeschränkten Produkte

Verkaufen Sie in Ihrem Online-Shop Produkte, die einer bestimmten Altersbeschränkung unterliegen, stellen sich an den Verkauf strengere Anforderungen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Sie Tabakwaren, Alkohol oder FSK-/USK-Produkte anbieten. Was Sie in diesen und anderen Fällen beim Verkauf beachten sollten, erfahren Sie in unserem Rechtstipp „Erst ab 18? Was Sie beim Versand von Artikeln mit Altersbeschränkungen beachten müssen“.

 

Unser Tipp

Ob der Vertrag mit einer minderjährigen Person nun gültig ist oder nicht, kann nicht pauschal beantwortet werden. Verträge mit Kindern unter 7 Jahren sind in jedem Fall nichtig. Bei Verträgen mit Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und 17 Jahren ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgeblich. Fehlt die vorherige Einwilligung, befindet sich das Vertragsverhältnis in einem schwebend unwirksamen Zustand. Eine nachträgliche Genehmigung des Vertreters kann jedoch zur Wirksamkeit des Vertrags führen. Der Taschengeldparagraph ermöglicht außerdem Kindern und Jugendlichen zwischen sieben und 17 Jahren auch ohne explizite Einwilligung des gesetzlichen Vertreters Rechtsgeschäfte mit überschaubarer Tragweite und eigenen Mitteln einzugehen.

Wenn Sie sich unsicher sind, ob der Taschengeldparagraph im Einzelfall anwendbar ist, sollten Sie im Zweifel besser grundsätzlich die Zustimmung des Vertreters einholen.

 

 

Über die Autorin

autor laura schullerHannah Laura Schuller hat sich, nach einem erfolgreich absolvierten Jurastudium an der Université catholique de Louvain in Belgien, an der Universität zu Köln in deutschem Recht spezialisiert. Sie arbeitet seit Juli 2018 im Bereich Legal Expert Services der Trusted Shops GmbH, wo sie als Legal Consultant France tätig ist.

01.04.21
Hannah Laura Schuller

Hannah Laura Schuller

Hannah Laura Schuller, LL.M. arbeitet seit Juli 2018 im Bereich Legal Services bei Trusted Shops, wo sie als Senior Legal Consultant International tätig ist.

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