Was, wenn beim Transport etwas schiefgeht?
Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
Der Pullover hat die falsche Farbe, der Reißverschluss der Lederjacke ist kaputt, der Fön funktioniert nicht mehr – Sie ahnen Ärger, wenn sich ein Käufer einmal wieder mit einem Mangel an Sie wendet. Sind Sie auch unsicher, welche Rechte Ihre Kundinnen und Kunden haben und wie Sie in Ihren AGB Vorsorge treffen können? In unserem Zweiteiler des Rechtstipps der Woche finden Sie die Antworten.
Sie müssen sich mit den Gewährleistungsrechten Ihrer Kundschaft nicht erst nach der Anzeige eines Mangels auseinandersetzen, sondern bereits bei der Ausgestaltung Ihres Online-Shops. Zum einen haben Sie im Bereich des Online-Handels eine besondere Informationspflicht. Sie müssen bereits vor Vertragsschluss über „das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts“ informieren. Zum anderen können Sie Vorsorge treffen und Ihre Mängelhaftung – soweit möglich – in Ihren AGB einschränken.
Ein vollständiger Ausschluss der Mängelhaftung ist nur im B2B-Handel mit Gebrauchtwaren zulässig.
Meldet der Käufer einen Mangel bei Ihnen, gilt es erst einmal den Sachverhalt zu klären und festzustellen, ob der Fehler tatsächlich einen Gewährleistungsfall auslöst. Sie haben das Recht, die Ware zu überprüfen.
Auf ein Nacherfüllungsverlangen einer Kundin bzw. eines Kunden müssen Sie sich nur einlassen, wenn sie bzw. er Ihnen tatsächlich ermöglicht hat, die Ware zu überprüfen (BGH, Urteil vom 19.12.2012, VIII ZR 96/12).
Ein Gewährleistungsfall liegt vor, wenn ein Sachmangel bei Gefahrübergang vorgelegen hat und der Verbraucher seine Gewährleistungsrechte noch geltend machen kann. Bei der Klärung des Sachverhalts sollten Sie daher prüfen:
Nicht jeder Fehler begründet Ihre Mängelhaftung als Verkäufer. Die Abnutzung der Ware, die auf den gewöhnlichen Gebrauch zurückzuführen ist, sowie der Verschleiß, stellen keine Mängel dar. Nach § 434 BGB liegt ein Sachmangel dann vor, wenn die Ware:
Aber auch Umstände außerhalb der Ware selbst können einen Sachmangel begründen:
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, können Sie nur durch Prüfung der Ware feststellen. Helfen Fotos nicht weiter, wie z. B. im Fall eines technischen Defekts, müssen Sie die Ware tatsächlich untersuchen. Gerade bei hochwertigen Produkten stellt sich also die Frage, ob Sie von Ihrer Kundin bzw. Ihrem Kunden verlangen können, Ihnen die Ware zu schicken oder ob Sie einen Techniker zu der Kundin bzw. dem Kunden senden sollen.
Ausdrücklich geregelt ist diese Frage lediglich für die sogenannten Einbaufälle. Sowohl für die private als auch für die gewerbliche Kundschaft gilt (§ 439 Abs. 3 Satz 1 BGB):
„Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.“
In allen anderen Fällen sind die Händlerinnen und Händler auf die Leitlinien der Rechtsprechung angewiesen. Nach dem BGH (Urteil vom 13.04.2011, VIII ZR 220/10) hat die Prüfung der Ware grundsätzlich am Sitz des Verkäufers zu erfolgen. Etwas anderes könnte sich aber aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, z. B. aus der Ortsgebundenheit und Art der Leistung oder den Verkehrssitten.
Insbesondere im B2C-Bereich ist zudem das Ausmaß der Unannehmlichkeiten für den Käufer zu berücksichtigen. Diese Auffassung hat der EuGH in einer aktuellen Entscheidung bestätigt (Urteil vom 23.05.2019 – C 52/18). Besonders wichtig sind danach die folgenden Kriterien:
In diesen Fällen soll die Prüfung und Nacherfüllung am Wohnsitz des Käufers erfolgen. Kompakte Waren, die keine spezielle Handhabung oder besondere Transportweise erfordern, sind an den Geschäftssitz des Verkäufers zu schicken.
Gegenüber Unternehmern können Sie in Ihren AGB Ihren Sitz als Ort für die Prüfung und die Nacherfüllung bestimmen. Dann wäre der Käufer verpflichtet, Ihnen die Ware zur Prüfung zurückzuschicken. Gegenüber Verbrauchern raten wir von der Verwendung solcher Klauseln ausdrücklich ab.
Unabhängig davon, wo die Prüfung stattfindet, tragen Sie als Verkäufer grundsätzlich die Kosten einschließlich der Versandkosten. Verbraucher haben sogar ein Recht auf Vorschusszahlung (§ 475 Abs. 6 BGB). Stellt sich jedoch heraus, dass der Fehler eine andere Ursache hat als einen Sachmangel (z. B. Verschleiß), können Sie vom Käufer Ersatz Ihrer Kosten verlangen (LG Essen, Urteil vom 27.04.2010, 12 O 393/08), wenn er dies wusste oder fahrlässig nicht erkannt hat.
Dies unternehmensfreundliche Rechtsprechung dürfen Sie jedoch keinesfalls in einer AGB-Klausel gegenüber Verbrauchern festhalten, da dies den Käufer unzulässig abschreckt (BGH, Urteil vom 02.09.2010, VII ZR 110/09).
Wurde ein Mangel an der Ware festgestellt, lautet die nächste Frage, ob er bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Damit ist der Zeitpunkt gemeint, ab dem die Kundin oder der Kunde das Risiko der Verschlechterung der Ware trägt. Bei Bestellungen durch gewerbliche Kunden geht die Gefahr mit der Übergabe der Ware an das Transportunternehmen auf den Käufer über.
Wird die Ware also auf dem Transportweg zu der Kundin bzw. dem Kunden beschädigt, hat er oder sie im B2B-Handel keine Gewährleistungsansprüche gegen Sie . Bei Bestellungen von Verbrauchern hingegen geht die Gefahr grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Übergabe auf den Käufer über.
Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob ein Mangel vorliegt bzw. ob der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, sollten Sie wissen, dass der Käufer beides nachzuweisen hat. Dies gilt uneingeschränkt gegenüber gewerblichen Kundinnen und Kunden.
Im B2C-Bereich gilt allerdings die besondere Vorschrift des § 477 BGB. Danach wird grundsätzlich vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt.
Wenn also eine Kundin oder ein Kunde Ihnen einen Mangel innerhalb der ersten sechs Monaten nach Auslieferung der Ware meldet, müssen Sie nachweisen, dass die Ware bei der Lieferung mangelfrei war.
Meldet sich die Kundin oder der Kunde erst lange nach dem Kauf, fragen Sie sich bestimmt, ob Sie noch in Anspruch genommen werden können. Die Gewährleistungsrechte verjähren grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren ab Gefahrübergang (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB). Hier haben Sie noch einen gewissen Gestaltungsspielraum, wobei für den B2B- und den B2C-Bereich unterschiedliche Möglichkeiten bestehen.
Gegenüber Unternehmern dürfen Sie die Verjährungsfrist so beschränken:
Im B2C-Handel ist die Fristverkürzung bei Neuwaren unzulässig. Aber auch bei gebrauchten Waren ist Vorsicht geboten. Nach der aktuellen deutschen Regelung in § 476 Abs. 2 BGB ist es zulässig, die Verjährung bei gebrauchten Waren im B2C-Bereich auf ein Jahr zu verkürzen. Nach Auffassung der EuGH (Urteil vom 13.07.2017, C‑133/16) verstößt eine solche Norm jedoch gegen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. In einem aktuellen Gesetzesentwurf wird die Regelung daher angepasst:
„Bei gebrauchten Sachen können die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Unternehmer nur für einen Mangel haftet, der sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums seit der Ablieferung der Sache gezeigt hat. Dieser Zeitraum darf ein Jahr nicht unterschreiten.“
Sie können also zulässigerweise vorsehen, dass bei gebrauchten Ware jegliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind, wenn sich ein Mangel erst nach einem Jahr nach Ablieferung der Ware zeigt. Taucht der Mangel hingegen schon innerhalb eines Jahres nach Ablieferung auf, darf Ihre Kundin oder Ihr Kunde ihre bzw. seine Ansprüche innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren geltend machen. Diese Frist dürfen Sie nicht verkürzen.
Bis eine Gesetzesänderung beschlossen wird und in Kraft tritt, verbleibt die Wirksamkeit des § 476 Abs. 2 BGB. Dennoch empfehlen wir, Ihre Gewährleistungsklausel bereits jetzt entsprechend anzupassen.
Bei der Einschränkung der Gewährleistungsrechte der Kundin bzw. des Kunden müssen Sie zudem folgendes beachten: § 437 Nr. 3 BGB bestimmt, dass der Käufer unter Umständen Schadensersatz verlangen kann. Einschränkungen von Schadensersatzansprüchen sind allerdings nur in sehr engen Grenzen zulässig.
Pauschale Einschränkungen der Gewährleistungsrechte der Kundin oder des Kunden, die keine Rückausnahme oder Sonderregelung für Schadensersatzansprüche vorsehen, sind stets unzulässig. Mehr dazu können Sie in unserem Rechtstipp der Woche „Wirksame Haftungsbeschränkung - auf die Formulierung kommt es an!“ lesen.
Liegt nach alldem ein Gewährleistungsfall vor, kann der Käufer nach § 437 BGB
Einzelheiten zu den einzelnen Gewährleistungsrechte und deren Handhabung in den AGB erfahren Sie in unserem nächsten Rechtstipp der Woche.
Meldet sich der Kunde mit einem Mangel bei Ihnen, sollten Sie zunächst prüfen, ob ein Gewährleistungsfall vorliegt. Prüfen Sie aber nicht nur den Zustand der Ware, sondern klären Sie vor allem, wann das Defekt aufgetreten ist und wieviel Zeit seit der Warenübergabe an die Kundin bzw. den Kunden vergangen ist. Insbesondere zu den Fragen der Haftungsdauer und der Verjährung der Gewährleistungsansprüche können Sie Vorsorge in Ihren AGB treffen.
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Tanya Stariradeff ist Rechtsanwältin und Legal Consultant bei Trusted Shops. Sie studierte Rechtswissenschaft an der Universität Bonn mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Wettbewerb. Nach der ersten juristischen Prüfung vor dem OLG Köln folgten Stationen bei CMS Hasche Sigle und eBay und das zweite Staatsexamen. Tanya veröffentlicht in verschiedenen juristischen Zeitschriften zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels. Seit Mai 2008 ist sie Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Trusted Shops.
25.03.20Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
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