Kundenverlust vermeiden, Kundenbindung steigern – So geht's

Wie sieht die Zukunft des E-Commerce aus?

Steigende Kosten für Kundenakquisition, Wettbewerb aus dem Ausland oder durch Hersteller selbst, junge Direct-to-Consumer Marken, die die digitale Klaviatur spielend beherrschen, diese Herausforderungen zwingen Shopbetreiber*innen nahezu dazu, sich um ihre Bestandskund*innen zu kümmern und sie zu halten. Eine Bestandsaufnahme zeigt, dass selbst eine begeisterte Kundschaft im E-Commerce nicht automatisch wiederkommt.

Wie lassen sich gefährdete Kund*innen erkennen, die im Begriff sind, verloren zu gehen?

Für Abo-Modelle und Vertragsanbieter sind die kritischen Entscheidungsphasen klar, Kündigungsfristen geregelt und die Zeitpunkte definiert, wann mit ansprechenden Treue-Angeboten Bestandskund*innen kontaktiert werden sollten.

Für das Gros der Online-Händler*innen sind die Anzeichen von Kundenabwanderung schwieriger zu deuten. Besteht im E-Commerce sowieso eine niedrigere Kundenbindungsrate als im stationären Handel, so stellt sich die Frage, wie und wodurch Kundenverlust zu messen ist und wie er verhindert werden kann.

Wann sollten die Alarmglocken läuten?

Wann können schlafende, also inaktive Kundengruppen nicht mehr reaktiviert werden und gelten als verloren? Für Online-Shops oder Marktplätze steht im Normalfall kein Vertrag mit Kündigungsklausel als Grundlage der Geschäftsbeziehung zur Verfügung.

Mit Hilfe von Kaufhistorie und Kundenverhalten müssen Signale identifiziert werden, die richtig interpretiert werden wollen. Anzeichen können sein:

  • Kund*innen sind seit längerem inaktiv: Aktivität umfasst nicht nur den eigentlichen Kauf, sondern bereits das Interesse am Kauf. Entsprechend gilt hier zu untersuchen: Wann wurde das letzte Mal gekauft? Wann erfolgte der letzte Besuch im Shop ohne zu kaufen? Wie hoch sind die abgebrochenen Warenkörbe? Wie die Zeiträume genau definiert werden, hängt sehr stark von der Branche ab.

  • Kund*innen bestellen geringere Bestellmengen: Insbesondere bei regelmäßig wiederkehrenden Bestellmengen stellt eine Reduzierung des Warenkorbs ein Alarmsignal dar. Wenn ein Kunde oder eine Kundin bei einer Online-Apotheke seit längerem Nahrungsergänzungsmittel bestellt und plötzlich ein Produkt nicht mehr kauf, kann das daran liegen, dass es das Produkt wo anders günstiger oder mit besserem Service gibt.

  • Kund*innen reagieren nicht auf Reaktivierungsmaßnahmen des Marketings: Wenn selbst auf Gutschein- oder Rabattaktionen keine Response zu verzeichnen ist, scheint das Interesse am Wiederkauf sehr gering zu sein.

  • Wenn Beschwerden, Reklamationen, Retouren steigen, dann sind dies deutliche Signale, dass die Kundin oder der Kunde mit den gekauften Produkten oder dem Service nicht zufrieden ist.

  • Rechnungen werden später bezahlt: Früher wurden Bestellungen direkt bezahlt, jetzt überzieht der Kunde oder die Kundin sein Zahlungsziel.

  • Kund*innen äußern Unzufriedenheit in Bewertungen und Umfragen: Verbale Äußerungen in Kommentaren oder Bewertungen sind ein ernst zu nehmendes Signal. Unternehmen können Kundenfeedback auch aktiv abfragen durch Kundenzufriedenheitsumfragen.
    Auch die Weiterempfehlungsrate, gemessen beispielsweise durch den 
    Net Promoter Score® (NPS) oder aber durch tatsächliche Weiterempfehlungen, gibt Aufschluss über die Zufriedenheit der Kundin oder des Kunden. Noch alarmierender ist jedoch, wenn die Unzufriedenheit gar nicht geäußert wird (stille Abwanderung).

Bei allen Signalen hilft es, genauer hinzusehen und die Gründe für das Verhalten zu ermitteln. So können die Magnesium-Tabletten einfach nicht mehr gebraucht werden oder wo anders billiger entdeckt worden sein.

Lese-Tipp: So erstellen Sie eine Buyer Persona

Warum wandert die Kundschaft ab?

Dieses Beispiel zeigt, dass es ganz natürliche Gründe für ausbleibende Käufe gibt, die nicht zu ändern sind. Jedes Unternehmen sollte sich in puncto Kundenbindungsstrategie Gedanken machen über die Gründe für das Desinteresse ihrer Kund*innen.

In welchen Fällen kann Kundenabwanderung vermieden werden?

Unzufriedenheit mit den Leistungen des Unternehmens

Unzufriedenheit über die Qualität der Produkte, Lieferprobleme, schlechter Kundenservice, ein zu hoher Preis oder schlechte Beratung, diese Gründe betreffen das Unternehmen selbst und können behoben werden.

Wieviel Unzufriedenheit soll in Kauf genommen werden, mit wieviel Aufwand werden interne Probleme behoben?

Kund*innen haben keinen Bedarf mehr

Die Kundin oder der Kunde kann aber auch selbst Grund für die Abwanderung sein, weil sich beispielsweise Interessen, Lebensstil oder Werte geändert haben.

Ein Umzug, eine Ernährungsumstellung aufgrund einer Allergie, Familiengründung, Jobverlust oder eine Beförderung beeinflussen die Kaufkraft und das Kaufverhalten.

Der Wettbewerb ist attraktiver

Am schwierigsten zu identifizieren sind die Gründe, für die der Wettbewerb verantwortlich ist: ein günstigerer Preis, ein besseres Image, ein breiteres Sortiment. Was auch immer Ihre Kund*innen zum Wettbewerb zieht, lohnt sich herauszufinden. Denn die Kaufkraft ist da, nur nicht bei Ihnen. 

Sobald die Gründe für eine Kundenabwanderung bekannt sind, folgt eine Entscheidung, welche Reaktivierungsmaßnahmen sinnvoll sind. 

Lese-Tipp: Sie verkaufen die gleichen Produkte wie die Konkurrenz? Hier sind 5 Tipps, um sich von der Konkurrenz abzuheben

Wie wird Kundenverlust gemessen?

Die Formel zur Berechnung der Kundenverlustrate ist einfach:

Kundenabwanderungsrate = Anzahl der verlorenen Kund*innen / Gesamtzahl der Kund*innen (Zeitraum) x 100

Viel schwieriger lässt sich die Anzahl der verlorenen Kundinnen und Kunden bestimmen. Welche Kennzahlen oder KPIs kann ein Unternehmen verwenden, um abwanderungswillige Kundschaft zu erkennen?

Je mehr Daten zur Auswertung zur Verfügung stehen, desto deutlicher kann die Gefahr der Abwanderung ermittelt werden. Die Grundlage dafür bildet eine Software, die unterschiedlichste Daten wie Transaktionsdaten, Kunden- und Kampagnendaten, Customer-Service-Daten, etc. zusammenführt und auswerten kann. Hilfreich sind folgende Indikatoren:

  • Nachlassende Kauffrequenz

  • Sinkender Bestellwert

  • Steigende Retourenquote

  • Niedrige Bereitschaft weiterzuempfehlen (NPS)

Mit Hilfe dieser Daten können Kundinnen und Kunden in Cluster eingeteilt werden und entsprechend für Reaktivierungsmaßnahmen selektiert werden. Wo genau die Grenze ist, muss jedes Unternehmen gemäß der eigenen Ziele definieren. 

Zur Analyse der vergangenen Transaktionen und Identifizierung von inaktiven Kund*innen kann eine RFM-Analyse herangezogen werden. Dabei wird die Kaufhäufigkeit mit dem Abstand zum letzten Kauf und dem Bestellwert ins Verhältnis gesetzt. Gefährdete Kund*innen gelten beispielsweise als diejenigen, die unregelmäßig, aber teilweise mit hohen Beträgen kaufen. Ziel ist, diese Kund*innen zu häufigeren Käufen zu animieren.

Machine learning zur Vorhersage von Kundenabwanderung

Für die Bestimmung der Rentabilität einer Kundin oder eines Kunden sind aber nicht nur vergangene Werte relevant, sondern auch seine zukünftigen Umsätze. Selbst wenn mit hohen Akquisekosten gestartet worden ist und bis heute die Umsätze die Kosten nicht decken, so kann die Geschäftsbeziehung hochrentabel werden, wenn in Zukunft weitere Umsätze fließen. 

Mit Hilfe von Machine Learning werden Algorithmen entwickelt werden, die die Wahrscheinlichkeit einer Kundenlebensdauer und entsprechend einer Kundenabwanderung berechnen.

Eine wichtige Voraussetzung ist die Datenbasis, mit der das Modell gefüttert und trainiert wird. Welche Aspekte des vergangenen Kundenverhaltens sind relevant? Transaktionsdaten, Nutzerdaten, demografische Daten aber auch Informationen aus dem Kundenservice oder der Kundenbetreuung bieten wertvollen Input.

Die Herausforderung besteht darin, die Veränderungen der Kundenmerkmale im Zeitverlauf abzubilden: Kund*innen, die ihren Familienstand ändern oder den Job wechseln samt Umzug, haben nicht mehr dasselbe Verhalten wie vorher. 

Für die Umsetzung der Ergebnisse eignen sich Ampelsysteme, damit das Stadium des jeweiligen Kund*innen schnell einsortiert werden kann und mit entsprechenden Maßnahmen reagiert werden kann.

Grafik, die zeigt, wie man die Konversionsrate in einem Online-Shop steigern kann

Wie kann Kundenbindung funktionieren?

Jetzt wissen wir zwar, welches Kundensegment gefährdet ist, aber was passiert damit? Das richtige Set an Reaktivierungsmaßnahmen muss für jede Kundengruppe durch das Churn oder Customer Relationship Management Team zusammengestellt werden. 

Klassischerweise zählen zu den Maßnahmen zur Kundenbindung:

  • Kundenfeedback aktiv einholen durch gezielte Bewertungen von Produkten, Lieferservice oder Unternehmen

  • Kundenkarte oder Club-Mitgliedschaft mit Vorteilen für treue Kund*innen

  • Abo-Modelle einführen, d.h. die Kund*innen, die sich zu Treue verpflichten erhalten besondere Belohnungen

  • Gezielte Gutscheine und Kaufanreize in sensiblen Phasen

In jedem Fall sollte der Kunde oder die Kundin durch die Maßnahmen einen echten Mehrwert verspüren, denn der Wechsel zum nächsten Shop ist online noch viel einfacher als offline.

25.01.22
Gastautorin Christiane Richters

Gastautorin Christiane Richters

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