5 Evergreens aus dem Widerrufsrecht – What a wonderful world... Widerrufsbelehrung!

Inhaltsverzeichnis:

1. Hit-Nr. 1 – Rückversand ausschließlich in Originalverpackung?
2. Hit-Nr. 2 – Prüfen vs. Ausprobieren, oder beides?
3. 
Hit-Nr. 3 – Ausschluss des Widerrufsrechts aufgrund von Kundenspezifikation?
4. Hit-Nr. 4 – Versiegelte Ware?
5. Hit-Nr. 5. – Gestaltung & Darstellung
6. Unser Tipp

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Jeder kennt sie und jeder singt sie lauthals mit: Evergreens – Musiktitel aus längst vergangenen Tagen und dennoch in aller Munde bzw. Ohren. Aber nicht nur in der Musikbranche gibt es dieses Phänomen. Auch das Widerrufsrecht ist der ideale Tummelplatz für „Gassenhauer“. Der größte Unterschied? Wenn man den Leitspruch aus der Rechtsprechung anstimmt, hat keiner mehr so richtig Lust noch weiterzusingen. 

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit fünf Klassikern aus unserer Widerrufs-Hitparade. Wer sich informiert, kann solche längst ausgeurteilten Fehler ganz leicht vermeiden.

 

Hit-Nr. 1 – Rückversand ausschließlich in Originalverpackung?

Nicht selten kommt es vor, dass die Kundschaft die bestellten Waren nur teilweise oder ohne Originalverpackung zurückschicken. Daher liest man immer wieder in AGB, dass der Käufer verpflichtet sei, die Waren in der Originalverpackung (tlw. samt Innenverpackung) zurückzuschicken. Aber geht das wirklich? Dieser Hit wurde bereits 2005 in einem viel zitierten Urteil des OLG Frankfurt a.M. negativ beschieden. Das Widerrufsrecht hängt von einem fristgerecht ausgeübten Widerruf ab und darf an keine weiteren Bedingungen geknüpft werden, die nicht im Gesetz verankert sind. Erheben Sie die Originalverpackung jedoch als Voraussetzung eines wirksamen Widerrufsrechts, schränken Sie die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers unzulässigerweise ein. Auch wenn diese Klauseln immer noch häufig in dem ein oder anderen Online-Shop anzutreffen sind, lassen Sie die Finger davon, denn diese Klauseln sind regelmäßig unwirksam.

 

Hit-Nr. 2 – Prüfen vs. Ausprobieren, oder beides?

Die Kundschaft hat die Ware ausprobiert. Das darf Sie doch nicht, oder? Mit dieser Frage hatte sich unter anderem bereits der BGH zu beschäftigen. Das Ergebnis lautet: Die Prüfung der Ware ist nicht auf die bloße Inaugenscheinnahme beschränkt, sondern umfasst auch das Ausprobieren sowie bestimmte Vorbereitungshandlungen. So musste 2010 der beteiligte Online-Shop ein bereits befülltes Wasserbett ohne Wertersatz zurücknehmen. Da im Online-Handel meistens die üblichen Vergleichs-, Vorführ- und Beratungsmöglichkeiten fehlen, ist der Kundschaft als Ausgleich eine angemessene Prüfungsmöglichkeit einzuräumen. Der konkrete Online-Shop musste daher auch den prüfungsbedingten Wertverlustes des Wasserbettes hinnehmen, da bei einem Kauf in einem durchschnittlichen stationären Fachgeschäft typischerweise Musterstücke ausgestellt seien. Der probeweise Aufbau bei Möbeln und das Befüllen mit Wasser (soweit vorgesehen) bewegen sich nach der Ansicht des BGH damit im Rahmen des Prüfrechts und stellen keine übermäßigen Nutzungen dar, die zu Wertersatzforderungen berechtigen.

Allerdings soll jedenfalls bei manchen Produkten (z. B. Kaffeemaschinen, Grill, Rasenmäher oder Kfz-Katalysatoren) die bestimmungsmäßige Ingebrauchnahme auch nach der Verkehrssitte nicht üblich sein. In diesen Fällen ist es dann auch mit höchstrichterlicher Argumentation doch möglich, einen Wertersatz zu verlangen. Es kommt dabei maßgeblich auf einen Vergleich der Prüfungsmöglichkeit zum stationären Handel an. So dürfen z. B. auch verpackte Lebensmittel (Fertiggerichte) oder Medikamente nicht getestet werden, da eine solche Prüfung auch im Ladengeschäft unüblich ist. Bei den letzteren beiden Produkten scheidet ein Widerrufsrecht aber bereits häufig wegen bestehender Bereichsausnahmen des Widerrufsrechts von vorneherein aus (vergleichen Sie dazu Hit-Nr. 4).

 

Hit-Nr. 3 – Ausschluss des Widerrufsrechts aufgrund von Kundenspezifikation?

Wenn das Widerrufsrecht der Freund des Käufers ist, dann sind dessen Ausschlussgründe wohl die Freunde des Verkäufers? Diese Frage ließe sich mitunter dann bejahen, wenn man das konkrete Produkt tatsächlich und berechtigterweise in eine der Ausnahmekategorien einordnen kann. Eine dieser Ausnahmekategorien betreffen die sog. kundenspezifischen Produkte. Das Widerrufsrecht soll bei speziell für den Verbraucher hergestellten Waren ausgeschlossen sein, da der Unternehmer diese Ware nach einem Widerruf nicht oder nur mit erheblichem wirtschaftlichem Nachteil weiterverwerten kann – die vom Kunden veranlasste Warenanfertigung also nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann. Bislang kam es dann jedoch entschieden darauf an, ob nicht doch die Einzelteile eventuell weiterverkauft werden könnten. Sofern es mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand (z. B. mehr als 5 % des Warenwerts) möglich ist, die Bestandteile der Ware wieder in den Zustand vor der Zusammenstellung des Produkts zu versetzen, kann der Ausschlussgrund des Widerrufsrechts aber nicht bejaht werden. So ist nach Ansicht des BGH z. B. ein individuell konfiguriertes Notebook nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen, da es aus Standardbausteinen vom Verbraucher zusammengefügt wurde, die mit verhältnismäßig geringem Aufwand und ohne Beeinträchtigung der Substanz bzw. Funktionsfähigkeit wieder getrennt werden konnten. Auch bei der Kombination von Boxspringbetten aus einer Palette von Konfigurationsmöglichkeiten bzgl. des Kopfteils, der Standfüße und / oder der Matratze wurde der Ausschlussgrund verneint, da das Bett erneut und ohne Substanzverlust in die Einzelteile zerlegt werden konnte.

Hinweis: Insgesamt ist die Rechtsprechung zu Kundenspezifikationen im Detail aber doch sehr einzelfallabhängig. Eine Beratung durch einen fachkundigen Rechtsanwalt kann sich daher durchaus empfehlen.

 

Hit-Nr. 4 – Versiegelte Ware?

Auch für versiegelte Waren kann bereits ein Ausschluss des Widerrufsrechts bestehen. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene können solche Waren nicht zur Rückgabe geeignet sein, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie z. B. bei (Fertig-)Arzneimitteln ein gesetzliches Verbot der Weitergabe (z. B. § 7b AM-HandelsV) besteht. Aber auch ohne gesetzliches Weitergabeverbot kann diese Ausnahmeregelung greifen, wenn bei objektiver Betrachtung die Entsiegelung eine Weiterverwertung aus Gesundheits- oder Hygienegründen ausschließt. Die Weiterverwertung muss dabei dauerhaft ausgeschlossen sein. Sollte eine Reinigung und Weitervermarktung möglich sein, hat das LG Düsseldorf dies für einen nanobeschichteten WC-Sitz hingegen verneint. Auch bei Matratzen ist die Entfernung der Schutzfolie nicht per se ein Siegelbruch, der das Widerrufsrecht ausschließt. So entschied der BGH 2019, da zum einen ein Markt für gereinigte, gebrauchte Matratzen bestünde und außerdem eine Vergleichbarkeit zum Anprobieren von Kleidung bestünde, bei dem es auch zu einem direkten Körperkontakt kommen kann. Übrigens ist es auch nicht möglich, einfach per aufgedrucktem Warnhinweis die Ausnahmevorschrift durch „geschickte“ Gestaltung eröffnen zu wollen. Einem solchen „Gestaltungstrick“ hat der Gesetzgeber mittels des Umgehungsverbots in § 312m BGB einen gesetzesinternen Riegel vorgeschoben.

Hinweis: Auch im Bereich der versiegelten Ware gibt es jedoch mannigfaltige Einzelrechtsprechung. Insoweit kann im Einzelfall eine Beratung durch einen Experten empfehlenswert sein.

 

Hit-Nr. 5. – Gestaltung & Darstellung

Inhaltlich stimmt nun alles, dann kann gar nichts mehr schief gehen? Leider doch. Auch im Bereich der Darstellung und Gestaltung der Widerrufsbelehrung treten häufig Probleme auf. Das alleinige Vorhalten der Widerrufsbelehrung auf Ihrer Seite wird vielfach nicht ausreichen, der Kunde muss nämlich vor der Bestellung einmal mit dem Widerrufsrecht konfrontiert werden. Das heißt, dass Sie die Widerrufsbelehrung vor dem Vertragsschluss mit einem sog. sprechenden Link einpflegen sollten. Dabei sollte dieser unbedingt klar und deutlich bezeichnet sein. Hin und wieder versucht der Online- Handel außerdem seine Widerrufsbelehrung „möglichst platzsparend“ oder gar versteckt zu platzieren. Man sollte aber keinesfalls annehmen, dass die Gerichte diesbezüglich keine Handhabe hätten. So wurde in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass eine Platzierung der Belehrung in einer zu kleinen Scrollbox der Verständlichkeit Abbruch tun kann und insoweit eine ungeeignete Darstellungsweise darstellt. Auch das „Verstecken“ der Belehrung in unklar bezeichneten Reitern bzw. Rubriken kann unzureichend sein.

 

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Unser Tipp

Sie kannten alle diese Hitgiganten schon? Glückwunsch, dann sind Sie wohl bereits ein Experte im Widerrufsrecht! Allerdings ist die Rechtsprechung rund um dieses Thema mannigfaltig und gerade, wenn es ins Detail geht, kann man hier auch schnell den Überblick verlieren. Daher empfehlen wir Ihnen: Bleiben Sie am Ball! Das Widerrufrecht – so elementar es inzwischen im B2C-Vertrag geworden sein mag – beinhaltet nach wie vor einige Dynamiken und Fehlerquellen. Wir helfen Ihnen gerne über diese Fallstricke hinweg!

 

Benötigen Sie weitere Hilfe? Gerne können Sie mit uns einen Termin zur telefonischen Beratung vereinbaren, wir unterstützen Sie dabei!

 

Über den Autor

 

Florian Güster

Florian Güster ist seit Januar 2021 Legal Consultant (Legal Tech) bei Trusted Shops und Rechtsanwalt bei FÖHLISCH. Er absolvierte das Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit Schwerpunkt im internationalen und europäischen Recht. Darauf folgte sein Referendariat am Oberlandesgericht Nürnberg sowie in Valencia / Spanien. Während des Referendariats war er in Nebentätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht von Herrn Prof. Dr. Wegener in Erlangen beschäftigt; während dieser Zeit nahm er u.a. auch Lehrtätigkeiten wahr. Seither war er vor allem als Legal Counsel für deutsche Unternehmen im Bereich E-Commerce tätig, unter anderem in der Rechtsabteilung des Münchner Start-Ups FlixBus. Bei Trusted Shops und FÖHLISCH ist er mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.

 

25.08.22

Florian Güster, MBA

Seit 2021 ist er als Legal Consultant bei Trusted Shops sowie Rechtsanwalt bei FÖHLISCH mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.

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