Ökodesign-Verordnung: Was bringt sie dem Online-Handel?

Ein grüner Einkaufswagen auf einem Karton, der auf einem Tisch steht

Die Ökodesign-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/1781 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG, auch ESPR) legt den europäischen Rechtsrahmen fest, um die Anforderungen an eine umweltgerechte Gestaltung von Produkten festzulegen.

Sie trat bereits am 18.07.24 in Kraft und löste die bis dahin geltende Ökodesign-Richtlinie (Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte) ab. Bis die einzelnen bestehenden Ökodesign-Produktverordnungen entsprechend novelliert werden, gilt weiterhin das Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG). Was ändert sich für Sie als Online-Händler*in?

 

Inhaltsverzeichnis

Was ist Ökodesign?

Der Begriff des Ökodesigns beschreibt die systematische Vorgehensweise, um möglichst frühzeitig Erwägungen der ökologischen Nachhaltigkeit in die Merkmale eines Produkts und die Prozesse, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Produkts stattfinden, einzubeziehen. Die neue ESPR gilt als zentraler Bestandteil des Europäischen Green Deals, mithilfe der entsprechenden Maßnahmen die EU bis 2050 klimaneutral sein möchte.

Bis 2020 wurden im Rahmen der bisherigen Ökodesign-Maßnahmen sowie des Energielabels jährlich 1750 Terrawattstunden eingespart. Dies entspricht dem Primärenergierverbrauch von Italien. Weiter rechnet die EU-Kommission, dass durch die im Jahr 2019 zehn neu verabschiedeten Produktverordnungen und sechs neuen Energielabelverordnungen europaweit bis zum Jahr 2030 jährlich 167 Terrawattstunden eingespart werden können. Dies entspricht dem Energieverbrauch Dänemarks und reduzierte die klimarelevanten Emissionen um 46 Mio. Tonnen CO²-Äquivalent jährlich. Insgesamt sparen europäische Haushalte somit durchschnittlich 435 Euro pro Jahr.

Ziel der ESPR

Ziel der Ökodesign-Verordnung ist es, für Produktgruppen über einzelne Produktverordnungen Mindestanforderungen (für Leistung oder Information) bzgl. der Energieeffizienz, Ressourceneffizienzen, usw. festzulegen. So sollen ineffiziente Geräte schrittweise vom EU-Binnenmarkt ausgeschlossen und nachhaltige Produkte zum Standard werden. Dies soll einheitliche Wettbewerbsbedingungen ermöglichen sowie Ressourcen und die Energieeffizienz von Konsumgütern und ihren Zwischenprodukten verbessern.

Die ESPR nennt Produktaspekte, die, soweit für die jeweilige Produktgruppe einschlägig, mithilfe der Parameter der einzelnen Produktverordnungen maßgeblich verbessert werden sollen. Dazu zählen Funktionsbeständigkeit, Zuverlässigkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit, Reparierbarkeit, die Möglichkeit der Wartung und Instandsetzung, das Vorhandensein besorgniserregender Stoffe, Energieverbrauch und Energieeffizienz, Wassernutzung und Wassereffizienz, Ressourcennutzung und Ressourceneffizienz, Rezyklatanteil, die Möglichkeit der Wiederaufarbeitung, Recyclingfähigkeit, die Möglichkeit der Verwertung von Materialien, Umweltauswirkungen (einschließlich des CO2-Fußabdrucks und des Umweltfußabdrucks) sowie die Menge des voraussichtlich entstehenden Abfalls.

Während Unternehmen mit der schrittweisen Stärkung der Nachhaltigkeit die Wettbewerbsfähigkeit möglich bleiben soll, soll der effiziente Ressourceneinsatz zu niedrigeren Produktionskosten und höherer Innovationskraft führen. Gleichzeitig sollen Verbraucher*innen von niedrigeren Stromverbrauchskosten sowie langlebigeren Produkten profitieren.

Welche Waren betrifft es?

Vom Geltungsbereich der ESPR werden nun fast alle physischen Waren umfasst, die in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, einschließlich Bauteile und Zwischenprodukte. Hiermit wird der Anwendungsbereich von bislang energieverbrauchenden und energieverbrauchsrelevanten Produkten – auch hinsichtlich der Ökodesign-Anforderungen – erweitert.

Ausnahmen gelten hingegen für Lebensmittel, Futtermittel, (Tier-)Arzneimittel, lebende Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, Erzeugnisse menschlichen Ursprungs, Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen sowie Fahrzeuge.

Die EU-Kommission erstellt nun bis März 2025 einen mehrjährigen Arbeitsplan und listet darin auf, welche produktspezifischen Verordnungen wann erarbeitet werden. Erste neue Produktgruppen sind: Textilien, Schuhe, Möbel, Eisen, Stahl, Aluminium, Detergenzien bzw. Reinigungsmittel sowie Chemikalien. Bereits begonnen wurde mit den delegierten Verordnungen für Textilien und Stahl – hier rechnet man mit dem Inkrafttreten bis Ende 2025. Dabei schlägt die Kommission jeweils konkrete Anforderungen vor, die mittels der Produktverordnungen umgesetzt werden sollen. Folglich erstellen das Umweltbundesamt (UBA) und die Bundesanstalt für Materialforschung und Materialprüfung (BAM) Stellungnahmen. Die EU-Kommission kann zudem nicht nur produktspezifisch regulieren, sondern auch horizontal und damit produktgruppenübergreifend Mindestanforderungen festlegen.

Sowohl das EVPG als auch das Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz (EnVKG) benennen die BAM als beauftragte Stelle. In dieser Funktion unterstützt die BAM die Wirtschaft, die Marktüberwachungsbehörden sowie die Verbraucher*innen.

Betroffene Unternehmen haben ab Inkrafttreten der jeweiligen Produktverordnung eine Übergangszeit von 18 Monaten zur Umsetzung. Für kleine und mittlere Unternehmen gelten hiervon teilweise Ausnahmeregelungen, zudem sollen die Mitgliedstaaten sowie die Kommission finanziell, technisch und organisatorisch unterstützen.

Vernichtungsverbot

Zwei Jahre nach Inkrafttreten der ESPR (ab dem 19. Juli 2026) gilt zudem ein Vernichtungsverbot für unverkaufte Textilien und Schuhe. Hierdurch soll das Abfallaufkommen reduziert und die Überproduktion unattraktiv gemacht werden.

Zudem müssen Wirtschaftsakteure, die unverkaufte Verbraucherprodukte unmittelbar entsorgen oder in ihrem Auftrag entsorgen lassen, bestimmte Informationen jährlich offenlegen: Menge (Anzahl und Gewicht) der entsorgten Verbraucherprodukte nach Art oder Kategorie der Produkte, die entsprechenden Gründe hierfür, den Anteil der zugeführten entsorgten Produkte zur Wiederverwendung/zum Recycling/zur sonstigen Verwertung sowie die Maßnahmen zugunsten der verhinderten Vernichtung.

Sowohl vom Vernichtungsverbot als auch von der Offenlegungspflicht sind Kleinst- und Kleinunternehmen gänzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahmeregelung von sechs Jahren gilt für mittlere Unternehmen, sodass beides erst ab dem 19. Juli 2030 einschlägig ist.

Es ist sicher davon auszugehen, dass die Kommission das Vernichtungsverbot erweitern wird. In den Erwägungsgründen der ESPR werden für die Aufnahme von weiteren Produktgruppen ausdrücklich Elektro- und Elektronikgeräte in den ersten Arbeitsplan genannt.

Digitaler Produktpass

Um Informationen über die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten bereitzustellen, führt die ESPR den digitalen Produktpass für Verbraucher*innen ein. Hierfür erstellt die Kommission bis zum 19. Juli 2026 ein digitales Produktpassregister, in dem auf sichere Weise mindestens die eindeutigen Produktkennungen gespeichert werden. Die*der Wirtschaftsteilnehmer*in, die*der das Produkt in Verkehr bringt oder in Betriebt nimmt, lädt die erforderlichen Daten in das Register hoch.

Zudem erstellt und pflegt die Kommission ein öffentlich zugängliches Webportal. Hiermit soll Verbraucher*innen möglich sein, die in Produktpässen enthaltenen Informationen zu suchen und vergleichen zu können. So sollen fundierte Kaufentscheidungen ermöglicht werden. Zudem soll der Produktpass auch anderen Wirtschaftsakteuren sowie den Zoll- sowie Marktüberwachungsbehörden Prüfungen und Kontrollen erleichtern – im Vordergrund steht Transparenz.

Die Informationsanforderungen sehen vor, dass Produkte nur dann in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden dürfen, wenn ein digitaler Produktpass verfügbar ist, der im Einklang mit den erlassenen anwendbaren delegierten Rechtsakten steht. Die Daten im digitalen Produktpass müssen zudem richtig, vollständig und auf dem neuesten Stand sein. Mittels eines QR-Codes sollen so die im Pass enthaltenen Daten abgerufen werden können. Hersteller von betroffenen Produkten sind demnach verpflichtet, die vom Gesetzgeber geforderten Informationen zum Produkt und dessen Eigenschaften bereitzustellen. Welche Informationen tatsächlich erforderlich sind, hängt von der Produktart ab. Möglich sind Angaben zu den Komponenten, Inhaltsstoffen und weiteren Eigenschaften von Produkten.

Weitere Aspekte

Weiter führt die ESPR verbindliche Anforderungen für die umweltorientierte Vergabe öffentlicher Aufträge ein. Hierdurch soll die Beschaffung nachhaltigerer Produkte angeregt werden.

Zudem soll die Energieverbrauchskennzeichnung um ein Ökodesign-Label bzw. einen Reparierbarkeitswert ergänzt werden, um Verbraucher*innen gegenüber die Umwelteigenschaften und insbesondere die Reparierbarkeit eines Produkts mitzuteilen, um so auch die Kaufentscheidung zu erleichtern.

Unser Tipp

Reflektieren Sie die Umwelteigenschaften sowie die Nachhaltigkeit Ihres Produktsortiments schon jetzt. Informieren Sie sich und Ihre Mitarbeitenden über die neuen Anforderungen der ESPR. Stärken Sie das Bewusstsein Ihrer Kundschaft mit Blick auf Nachhaltigkeit. Bleiben Sie auf dem neuesten Stand, was das Vernichtungsverbot sowie künftige Produktverordnungen betrifft und setzen Sie die Anforderungen, sofern sortimentsrelevant, entsprechend transparent um.

10.10.24
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