Plagiat – oder nicht? So verkaufen Sie Nachahmungen rechtssicher

Wenn die Konkurrenz ein erfolgreiches Produkt hat, kommt manch eine findige Unternehmerin bzw. ein findiger Unternehmer auf die Idee, dieses Produkt nachzustellen. Das hat vor allem einen wirtschaftlichen Hintergrund, da man Kosten sparen und so die hohe Nachfrage mit günstigeren Preisen bedienen kann.

Doch sind Nachahmungen überhaupt erlaubt? Worauf Sie bei einer Nachahmung achten müssen, erklären wir in diesem Rechtstipp der Woche. 

 

Sind Nachahmungen zulässig?

Grundsätzlich gilt in Deutschland das Prinzip der Nachahmungsfreiheit. Dieses ergibt sich zum einen aus dem Interesse der Wettbewerbsfreiheit, zum anderen aus dem Umkehrschluss, dass sondergesetzliche Regelungen bestehen.

Wenn also ein bestimmtes Produkt nicht gesondert geschützt wird (z. B. urheberrechtlich oder als Design), so sind Nachahmungen dieses Produkts grundsätzlich erlaubt. Anders kann es sein, wenn besondere Umstände hinzukommen, die eine Wettbewerbswidrigkeit im Einzelfall begründen.

Viele Innovationen können dann entstehen, wenn das Gute einer Leistung so aufgegriffen werden kann, dass es zum Besseren weiterentwickelt wird. Ein grundsätzliches Verbot, Produkte und andere Leistungen nachzuahmen, würde den Fortschritt zu sehr einschränken.

Daneben kann auch der Verbraucher positiven Nutzen aus dieser Handhabung ziehen, da durch die Nachahmungsfreiheit eine größere Produkt- und Anbietervielfalt entsteht.

Jedoch würde eine grenzenlose Freiheit auch dazu führen, dass der Anreiz für die Ersterfinderin oder den Ersterfinder einer Innovation, die sie bzw. er ggf. unter hohen Kosten entwickelt hat, schwindet. Ein rechtlicher Schutz vor Nachahmungen zwingt die Unternehmen zusätzlich dazu, Produkte nicht bloß zu imitieren, sondern wirklich innovativ weiterzuentwickeln.

 

Vorsicht bei Produktpiraterie!

Um Produktpiraterie zu verhindern, gibt es die Sonderschutzrechte. Diese Rechte sind in eigenständigen Gesetzen geregelt und bieten absolute subjektive Rechte, etwa an einer Leistung. Das bedeutet, dass es grundsätzlich rechtswidrig ist, wenn Sie ein durch ein Sonderschutzrecht geschütztes Produkt nachahmen.

In der Praxis wird dies auch als „Produktpiraterie“ bezeichnet.

Die Sonderschutzrechte sind in Deutschland unter anderem in nachfolgenden Gesetzen geregelt:

→   Markengesetz für Marken und sonstige Kennzeichen

→   Urheberrechtsgesetz für Werke der geistigen Schöpfung

→   Designgesetz

→   Patent- und Gebrauchsmustergesetz für technische oder sonstige Erfindungen

 

Bedeutet kein Sonderrechtsschutz zulässige Nachahmung?

Neben den Sonderschutzrechten gibt es auch noch den so genannten ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, der sich primär aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergibt (§§ 3, 4 Nr. 3 UWG).

Es kann beispielsweise vorkommen, dass Ihre Konkurrenz ein Produkt entwickelt, sie dessen äußere Form- und Farbgestaltung aber nicht als Design schützt und das Produkt auch nicht die Voraussetzungen für einen urheberrechtlichen Schutz erfüllt. Das Leistungsergebnis kann aber trotzdem im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes vor Nachahmungen geschützt sein.

Im Verhältnis dazu sind die Sonderschutzrechte jedoch nicht vorrangig. Deshalb kann ein Anspruch aus dem ergänzenden Leistungsschutz unabhängig von Ansprüchen aus einem Sonderschutzrecht bestehen, wenn bestimmte ergänzende Umstände vorliegen. Jedoch besteht der ergänzende Leistungsschutz dann nicht, wenn in den Regelungen der Sonderschutzrechte ein Schutz der Leistung bewusst fehlt, z. B. explizit ausgeschlossen wird.

 

Ergänzender Leistungsschutz im Einzelnen

Die Regelung des ergänzenden Leistungsschutzes (§§ 3, 4 Nr. 3 UWG) ist in Form eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ausgestaltet. So ist in der Regel die Nachahmung erlaubt, jedoch kann sie in Ausnahmefällen unzulässig sein. 

Ausnahmefälle bestehen dann, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

 

a)   Konkretes Wettbewerbsverhältnis

Zunächst muss es sich bei dem Nachahmer um einen Mitbewerber handeln, der in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Unternehmen steht. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn beide Unternehmen dieselbe Kundschaft haben und auf demselben relevanten Markt tätig sind.

Beispiel: Sowohl Unternehmen A als auch Unternehmen B verkaufen Proteinpulver für den Muskelaufbau.

 

b)   Angebot von nachgeahmter Ware oder Dienstleistung

Ferner muss auch eine Nachahmung der Ware oder Dienstleistung vom Mitbewerber angeboten werden. Dies ist nicht nur bei (fast) identischen Nachbildungen der Fall, sondern auch bei nachschaffenden Übernahmen. Bei einer nachschaffenden Übernahme galt die ursprüngliche Ware oder Dienstleistung als Vorbild, an dem sich das nachgeahmte Produkt mehr oder weniger anlehnt.

Beispiel: Die Verpackung des Proteinpulvers von Unternehmen B ist seinem Vorbild von Unternehmen A überwiegend ähnlich. Jedoch ist der Beutel von B im Vergleich zu dem von A blau anstatt rot.

 

c)   Wettbewerbliche Eigenart

Damit der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz nur schutzwürdigen Erzeugnissen zukommt, wird zusätzlich eine sogenannte wettbewerbliche Eigenart benötigt.

Wettbewerbliche Eigenart besteht, wenn sich das Produkt durch seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale von anderen Produkten im Markt so abhebt, dass die Kundinnen und Kunden es einer bestimmten Herstellerin oder einem bestimmten Hersteller zuordnen.

Dabei kommt es übrigens nicht darauf an, ob ein Produkt besonders originell oder bekannt ist.

Beispiel: Auch eine Küchenmaschine mit zurückhaltendem Design kann geeignet sein, die Aufmerksamkeit der Kundschaft zu erwecken und sich als Hinweis auf die Herstellerin oder den Hersteller einzuprägen.

 

d)   Besondere wettbewerbliche Umstände

Das Nachahmen wettbewerblich eigenartiger Produkte ist nur dann unzulässig, wenn besondere wettbewerbliche Umstände hinzutreten. Das UWG bietet hierfür einen nicht abschließenden Beispielkatalog, der z. B. durch Rechtsprechung ergänzt werden kann.

 

Vermeidbare Herkunftstäuschung

Eine Herkunftstäuschung liegt regelmäßig vor, wenn die Kundinnen und Kunden den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme mittelbar oder unmittelbar von der Herstellerin oder vom Hersteller des Originals. Ist es dem Nachahmer in zumutbarer Weise möglich eine Täuschung zu verhindern, so gilt sie als vermeidbar.

 

Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung

Nutzt Ihre Konkurrenz den guten Ruf eines Produkts von Ihnen in der Weise aus, dass durch die Nachahmung die Wertschätzung des Originals auf das nachgeahmte Produkt übertragen wird, so ist dies eine unzulässige Rufausbeutung.

Daneben gibt es auch die unlautere Beeinträchtigung. Diese liegt vor, wenn eine Beeinträchtigung dadurch erfolgt, dass z. B. bei exklusiven Produkten ein massenhafter Vertrieb der Nachahmung erfolgt.

Beispiel: Unternehmen C verkauft schon jahrelang erfolgreich Schokoladenriegel, bei denen die Kundinnen und Kunden mit der Zeit gewisse Qualitätsvorstellungen entwickelt haben. Unternehmen D kommt nun ebenfalls mit Schokoladenriegeln auf den Markt, die dem Originalprodukt von C überwiegend ähnlichsehen. Ein großer Teil der Kundinnen und Kunden überträgt die Qualitätsvorstellungen des Originals auf den nachgeahmten Schokoriegel, wodurch sich D an das Image anhängt und so an der Wertschätzung von C partizipiert.

 

Unredliche Erlangung von Kenntnissen oder Unterlagen

Ferner ist eine Nachahmung unzulässig, wenn die Konkurrenz die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat.

Neben der Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände wie Diebstahl, fällt auch der Bruch eines vertraglichen oder vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses unter die unredliche Erlangung, z. B. die Verwendung von im Rahmen gescheiterter Vertragsverhandlungen überlassener Muster.

Beispiel: Unternehmen B stiehlt das Designlayout für die Verpackung des Proteinpulvers von Unternehmen A.

 

Unser Tipp

Wenn Sie gerade überlegen, sich an ein bereits bestehendes Produkt anzulehnen und dieses womöglich in einer ähnlichen Gestaltung anzubieten, sollten Sie den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit sicherlich nicht aus den Augen verlieren. Dieser ist nämlich in einer Marktwirtschaft wichtig und trägt ohne Weiteres zum Innovationsklima bei.

Die Grenzen zu einer Rechtswidrigkeit, sei es wegen bestehender Sonderschutzrechte oder aufgrund einer unlauteren Nachahmung sind allerdings fließend, das potenzielle rechtliche Risiko sollten Sie keinesfalls unterschätzen.

Ein Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften kann schnell zu kostenpflichtigen Abmahnungen führen, die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Nicht selten werden diese Ansprüche auch gerichtlich geltend gemacht, was hohe Prozesskosten bedeutet.

Deshalb gilt trotz grundsätzlicher Nachahmungsfreiheit: Große Vorsicht ist bei jeder Nachahmung geboten, im Zweifel sollten Sie immer eine Beratung in Anspruch nehmen, um etwaige Risiken der Beanstandung zu minimieren und möglichst rechtssicher zu agieren. 

 

 

Über den Autor


Lazar Slavov

Lazar Slavov, LL.M.
Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH und Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH. Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Bonn. Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln mit Stationen u.a. bei der Mediengruppe RTL sowie der Bundesstadt Bonn. Master of Laws (Gewerblicher Rechtsschutz) an der Universität Düsseldorf. Von Mai 2014 bis Februar 2018 Tätigkeit als Rechtsanwalt im Fachbereich Marken- und Wettbewerbsrecht bei der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, dort unter anderem zuständig für die Betreuung internationaler Mandate. Seit März 2018 Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH und seit Januar 2020 Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH.

24.09.20
Select Country: