(Teil-) Inkrafttreten des Gesetzes für faire Verbraucherverträge: Einige AGB-Klauseln sind ab 1. März 2022 unzulässig!

Inhaltsverzeichnis:

1. Neue Rechtslage im Überblick
2. Mindestvertragslaufzeit und automatische Vertragsverlängerung – ein Auslaufmodell
3. 
Ausblick: Kündigungsschaltfläche – Button-Lösung für die Vertragsbeendigung
4. Fazit
5. Unser Tipp 

 

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Haben Sie die zahlreichen Gesetzesänderungen zum Jahresstart bereits verkraftet? Gut, denn wir haben schon wieder etwas Neues aus Berlin für Sie: Ab 1. März 2022 wird Ihr Kleingedrucktes wieder einmal auf die Probe gestellt. Denn an diesem Tag tritt Teil II des Gesetzes für faire Verbraucherverträge in Kraft.

Was das Gesetz beinhaltet und welche AGB-Klauseln mit dem Teilinkrafttreten zum 1. März unwirksam werden, wollen wir uns in diesem Rechtstipp der Woche genauer ansehen.

 

Neue Rechtslage im Überblick

Das Gesetz hat drei Bereiche zum Gegenstand. Einige Neuregelungen sind bereits in Kraft getreten, andere Teile folgen zum 1. März und 1. Juli 2022:

1. Dokumentationspflichten bei Telefonwerbung.

Bereits jetzt müssen Sie für Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern eine vorherige ausdrückliche Einwilligung einholen, andernfalls stellt diese Art von Werbung einen Verstoß gegen das UWG dar und kann mit Bußgeldern sanktioniert werden. In § 7a UWG hat der Gesetzgeber nun noch eine „angemessene“ Dokumentationspflicht für die Einwilligung in die Telefonwerbung  sowie dazugehörige Aufbewahrungsfristen (nach Erteilung bzw. jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre) ergänzt. Diese Neuregelung ist bereits seit dem 1. Oktober 2021 in Kraft.

2. Änderungen bei AGB-Klauseln

a) Ebenfalls seit dem 1. Oktober 2021 sind einige Abtretungsverbote in AGB unzulässig. Das gilt für auf Geld gerichtete Ansprüche und für andere (nicht finanzielle) Ansprüche, soweit es dem Unternehmer an einem schützenswerten Interesse am Abtretungsverbot fehlt oder die berechtigten Interessen des Verbrauchers überwiegen. Verbrauchern soll - ähnlich wie zwischen einer Vielzahl von Kaufleuten - die Möglichkeit erhalten bleiben, ihre Ansprüche zu „verkaufen“, sodass Dritte diese geltend machen können (z. B. Abtretung von Erstattungsansprüchen gegen die Airline bei Flugverspätungen). Für Altverträge, die vor dem 1. Oktober 2021 geschlossen wurden, gilt die Neuregelung übrigens nicht. Für die Dauer ihres Bestehens bleibt es bei der alten Rechtslage.

b) Außerdem wird die Zulässigkeit von Vertragsverlängerungs- und Kündigungsmodalitäten in AGB für Abo-Verträge angepasst. Diese Anpassungen finden ab dem 1. März 2022 Anwendung. Dazu zugleich ausführlicher.

3. Kündigungsbutton-Lösung

Zuletzt wird zum 1. Juli 2022 für die Vertragsbeendigung von entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen (z. B. von Abo- oder Mobilfunkverträgen) noch eine verpflichtende und zusätzliche Kündigungsoption ergänzt (vgl. Sie dazu unseren Ausblick weiter unten).

 

Mindestvertragslaufzeit und automatische Vertragsverlängerung – ein Auslaufmodell

In vielen Branchen sind bislang bei Abo-Verträgen Allgemeine Geschäftsbedingungen üblich, nach denen der Verbraucher eine Mindestvertragslaufzeit eingeht. Sollte der Vertrag nicht drei Monate vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit gekündigt werden, ist die Kundschaft meist ein weiteres Jahr gebunden.

Beispiel: Sollten Sie in Ihrem Online-Shop Zeitungs-Abonnements anbieten, könnte in Ihren bisherigen AGB festgelegt sein, dass Ihre Kundschaft 24 Monate an diesen Vertrag gebunden ist. Kündigt Ihr Kunde oder Ihre Kundin dann nicht innerhalb des 21. Monats, können Sie bislang in Ihren AGB vorsehen, dass sich der Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Die Kündigungsfrist bleibt dabei gleich.

Und wenn die Kundschaft dann erneut das nächste Kündigungszeitfenster versäumt, könnte das immer so weiter gehen. Eine richtig tolle Strategie für langfristig planbare und wiederkehrende Umsätze, nicht wahr? Insbesondere bei Mobilfunkanbietern und Fitnessstudios waren solche Vertragsklauseln daher recht beliebt.

Ab März ist damit aber erst einmal Schluss. Dann gelten neue Regelungen für die Kündigungsfrist und die Vertragsverlängerung und folgende (und ähnlich gestaltete) AGB-Klauseln werden unwirksam:

  • „Der Vertrag kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Vertragsende gekündigt werden“.

Die Kündigungsfrist darf in den AGB in Zukunft bei Neuverträgen nicht mehr als einen Monat betragen. Anders gelagerte Klauseln sind dann nicht mehr mit dem geltenden Recht vereinbar und werden bei einer AGB-Klausel kurzerhand als unwirksam deklariert. Die Kosten für den aussichtslosen Gerichtsstreit können Sie sich also definitiv sparen und besser investieren.

  • „Der Vertrag verlängert sich automatisch um ein Jahr, es sei denn, Sie kündigen den Vertrag frist- und formgerecht 3 Monate vor Laufzeitende.“

Außerdem ist eine automatische Vertragsverlängerung bei Neuverträgen dann nur unter den Bedingungen zulässig, dass sie für unbestimmte Zeit erfolgt und der Vertrag nach der Verlängerung sodann monatlich kündbar ist.

Beispiel: Für die AGB Ihres Online-Shops, der sich auf Zeitschriften-Abonnements spezialisiert hat, bedeutet das, dass Sie bei Neuverträgen immer noch die Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten beibehalten können. Der ursprüngliche Plan, dass die erstmalige Mindestlaufzeit bei Abo-Verträgen auf 1 Jahr beschränkt sein soll, wird zumindest vorerst doch nicht umgesetzt. Immerhin! In Zukunft müssen Sie jedoch eine Kündigung innerhalb des 23. Monats zulassen und als fristgerecht ansehen. Sollte keine Kündigung eingehen, kann per AGB keine automatische Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr vereinbart werden. Die Verlängerung darf nur mehr auf unbestimmte Zeit gelten und der Vertrag muss dann monatlich kündbar sein.

Zeit für den Frühjahrsputz: Räumen Sie bei Bedarf auch Ihr Kleingedrucktes auf!

Achtung! Diese Regeln gelten lediglich für das AGB-Recht gegenüber Verbrauchern. Sie sind weder auf Verträge im B2B-Geschäft, noch auf individuell ausgehandelte Vertragsklauseln anwendbar. Außerdem gelten Ausnahmen über die Lieferung zusammengehörig verkaufter Sachen, sowie für Versicherungsverträge.

 

Ausblick: Kündigungsschaltfläche – Button-Lösung für die Vertragsbeendigung

Dem Gesetzgeber war es außerdem ein Anliegen, dass die Kundschaft Verträge in ähnlicher Weise kündigen kann, wie sie sie geschlossen haben. Ab dem 1. Juli 2022 wird daher die sog. Kündigungsschaltfläche bei Dauerschuldverhältnissen, die den Verbraucher zur Zahlung eines Entgelts verpflichten, obligatorisch. Die neue Regelung zur Kündigung für online abgeschlossene Abo-Verträge orientiert sich an der für den Vertragsschluss einschlägigen Button-Lösung.

Was war noch gleich die Button-Lösung?

Die Button-Lösung soll sicherstellen, dass dem Verbraucher  bei Vertragsschluss im Internet bewusst wird, dass er sich zur Zahlung verpflichtet. Entsprechende Schaltflächen müssen deshalb gemäß § 312j Absatz 3 BGB gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Nur dann kommt auch ein Vertrag im Internet zustande.

Wie Sie außerdem Ihre Vertragsschluss-Klauseln in AGB rechtssicher gestalten, erfahren Sie in diesem Rechtstipp der Woche.

Wie muss die Kündigungsbutton-Lösung gestaltet werden?

Diese „einfache“ Vertragsschlusslösung soll - jedenfalls nach der Idee des Gesetzgebers - für die Vertragsbeendigung spiegelbildlich umgesetzt werden.

Ab 1. Juli 2022 müssen Unternehmer bei entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen  

  1. eine ständig verfügbare und unmittelbar und leicht zugängliche Schaltfläche (sog. Kündigungsschaltfläche) vorhalten, die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist,
  2. die den Verbraucher sodann unmittelbar zu einer sog. Bestätigungsseite führen, die den Verbraucher zur Angabe einiger Kündigungsdaten (u.a. zur Art der Kündigung, bei außerordentlicher Kündigung zum Kündigungsgrund, zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit, zur eindeutigen Bezeichnung des Vertrages, zum Zeitpunkt zu dem die Kündigung wirken soll) auffordert oder ihm zumindest diese Angabe ermöglicht und
  3. eine weitere nachgelagerte Schaltfläche (sog. Bestätigungsschaltfläche) vorhalten, mittels derer der Verbraucher schließlich seine Kündigung abgeben kann und die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Jetzt kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Den Volltext des ab 1. Juli 2022 geltenden § 312k BGB n.F. finden Sie hier (inkl. der Ausnahmen, wann dieser nicht gelten soll).

 

Fazit

Ob es sich bei der Kündigungslösung in drei Schritten wirklich um eine spiegelbildliche Umsetzung der zumindest nach dem Gesetzestext auf einem einzigen Klick beruhenden Vertragsschlussbutton-Lösung handelt, ist nicht unbedingt so eindeutig. Außerdem stellt sich die Frage, ob das an ein Kontaktformular erinnernde Prozedere wirklich so viel einfacher, effizienter und daher auch tatsächlich verbraucherfreundlicher ist als etwa eine weiterhin verpflichtend zu akzeptierende Kündigung in Textform (z. B. per E-Mail).

Ja Sie haben richtig gelesen, die Kündigungsbutton-Lösung ist zusätzlich (!) vorzuhalten. § 312k BGB n.F. soll die Kündigungsmöglichkeiten erweitern, nicht einschränken. Eine Vereinbarung (etwa in AGB), dass lediglich eine Kündigung per Kündigungsschaltflächen-Lösung möglich sein soll, ist daher unwirksam! Versuchen Sie es gar nicht erst, die Gesetzesbegründung nimmt hierauf ausdrücklich Bezug.

Übrigens, wenn Sie die Kündigungslösung bei entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen nicht (rechtzeitig) implementieren, laufen Sie Gefahr, dass der Neuvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ordentlich kündbar ist. Das heißt, auch die ab 1. März geltenden neue Maximallänge einer AGB-rechtlichen Kündigungsfrist von 1 Monat ist dann trotz einer Vorhandensein einer entsprechenden AGB-Klausel nicht vom Verbraucher einzuhalten! Die Kundschaft wäre vielmehr auf die erfolgte Kündigung hin sofort aus dem Vertrag zu entlassen!

 

Unser Tipp

Sofern Sie entgeltliche Abo-Verträge anbieten, sollten Sie den Anpassungsbedarf Ihrer AGB zügig prüfen. Da die Kündigungslösung neben rechtlichen auch technische Aufwände bescheren dürfte, sollten Sie sich bei Bedarf auch schon jetzt auf deren Einführung vorbereiten. Eine vorzeitige Umsetzung ist möglich!

 

Über den Autor

 

Florian Güster

Florian Güster ist seit Januar 2021 Legal Consultant (Legal Tech) bei Trusted Shops und Rechtsanwalt bei FÖHLISCH. Er absolvierte das Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit Schwerpunkt im internationalen und europäischen Recht. Darauf folgte sein Referendariat am Oberlandesgericht Nürnberg sowie in Valencia / Spanien. Während des Referendariats war er in Nebentätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht von Herrn Prof. Dr. Wegener in Erlangen beschäftigt; während dieser Zeit nahm er u.a. auch Lehrtätigkeiten wahr. Seither war er vor allem als Legal Counsel für deutsche Unternehmen im Bereich E-Commerce tätig, unter anderem in der Rechtsabteilung des Münchner Start-Ups FlixBus. Bei Trusted Shops und FÖHLISCH ist er mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.

 

24.02.22

Florian Güster, MBA

Seit 2021 ist er als Legal Consultant bei Trusted Shops sowie Rechtsanwalt bei FÖHLISCH mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.

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