Verjährungsfristen bei Mängelhaftung - Grenzen setzen, ohne auszuticken!

Willkommen zur wöchentlichen Dosis Rechtssicherheit! Diese Woche werfen wir einen Blick auf ein essenzielles Thema: die Verjährungsfristen bei Mängelhaftung. 

Die Verjährung ist wie ein Sanduhrmechanismus im Rechtssystem. Sie setzt eine zeitliche Grenze für rechtliche Ansprüche, wodurch nach einer bestimmten Zeit ein Schlussstrich unter die Gewährleistungsansprüche gezogen werden soll. Ähnlich einem Frühjahrsputz räumt die Verjährung nach Ablauf bestimmter Fristen auf, ohne den Ballast vergangener Angelegenheiten weiter zu schleppen, filtert veraltete Fälle aus und bewahrt so die Effizienz und Klarheit des Rechts.  
 
Da wäre es doch sehr praktisch, wenn man die Verjährung in AGB regeln könnte und so möglichst schnell aus der Gewährleistung käme? Doch Vorsicht! So verlockend diese Idee auch klingen mag, birgt sie doch einige Stolpersteine. Das Gesetz ermöglicht zwar einige (wenige) rechtliche Möglichkeiten, die Verjährungsfrist mittels AGB zu verkürzen, allerdings sind diese nur sehr begrenzt.  
Lassen Sie uns einen Blick auf typische Fragen des Verjährungsrecht werfen:
Wann verjähren Gewährleistungsrechte?
Die Gewährleistungsrechte im Kaufrecht verjähren grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren ab Gefahrübergang. Allerdings gibt es für bestimmte Produkte auch besondere Verjährungsfristen. Ansprüche in Bezug auf Baumaterialien, die für ein Bauwerk verwendet worden sind, verjähren von Gesetzes wegen beispielsweise erst nach 5 Jahren! 

 

Kann die Verjährungsfrist mittels AGB verkürzt werden?

Aber kommen wir einmal zu der Fragestellung, die Sie wohl am meisten interessiert: Kann die Verjährungsfrist mittels AGB verkürzt werden? Ja, aber nur in engen Grenzen. Hierbei ist zu unterscheiden, in welchem Verhältnis man verkauft (B2C oder B2B). Hier gilt: Grenzen setzen, ohne auszuticken! 

 

Verjährungsverkürzung im B2B-Verhältnis

Beginnen wir einmal mit dem B2B-Verhältnis. Gegenüber Unternehmer*innen dürfen Sie die Verjährungsfrist in AGB so beschränken:
•    bei Neuwaren darf die Verjährung auf ein Jahr reduziert werden. Doch Vorsicht, hier gibt es Rückausnahmen zu beachten. Bei bestimmten Baumaterialien (s.o.) darf die Verjährungsfrist von 5 Jahren nicht verkürzt werden!  
•    bei Gebrauchtwaren darf das Gewährleistungsrecht gegenüber Unternehmer*innen vollständig ausgeschlossen werden. Insoweit gibt es konsequenterweise auch keine Verjährungsfrist.

Verjährungsverkürzung im B2C-Verhältnis

Und was gilt gegenüber Verbraucher*innen? Gegenüber Verbraucher*innen ist die Fristverkürzung bei Neuwaren durch AGB unzulässig.  
Aber auch bei gebrauchten Waren ist Vorsicht geboten. Nach dem Gesetz ist es zwar grundsätzlich zulässig, die Verjährung bei gebrauchten Waren im B2C-Bereich auf ein Jahr zu verkürzen. Jedoch kann diese Fristverkürzung für gebrauchte Waren nicht (mehr) einfach in den AGB vereinbart werden!
Vielmehr ist die Verjährungsverkürzung bei Gebrauchtwaren seit der Gesetzesänderung 2022 gesondert und ausdrücklich (z.B. im weiteren Checkoutprozess) zu vereinbaren. Dazu sind Verbraucher*innen eigens über die Verkürzung in Kenntnis zu setzen und z.B. der Einsatz einer nicht vorausgefüllten Checkbox vorzusehen. Diese muss zwingend angeklickt werden, damit die Beschränkung ausdrücklich und gesondert bestätigt und der Bestellprozess sodann beendet wird.
Na, hat Sie das Verjährungsfristen-Rodeo schon abgeworfen oder sitzen Sie noch sicher im Sattel? Na, dann legen wir noch eine Neuregelung zu Verjährungsfristen aus dem letzten Jahr obendrauf:


Ablaufhemmungen im Verjährungsrecht – nanu, was ist denn das?

Dem Gesetzgeber waren es bis 2022 scheinbar noch nicht genug Regelungen zu Verjährungsfristen im Gesetz. Um Verbraucher*innen eine effektive Geltendmachung ihrer Gewährleistungsrechte auch kurz vor dem Ende der Verjährungsfrist zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber daher eine sog. Ablaufhemmung eingeführt. Wenn ein Mangel während der Verjährungsfrist auftritt, soll die Verjährung nicht früher als vier Monate nach erstmaligem Erscheinen des Mangels eintreten. Das gibt dem/der Verbraucher/in genügend Zeit, um aufgetretene Mängel angemessen zu verfolgen, ohne dass die Verjährungsfrist sofort abläuft.
Zu abstrakt? Dann vielleicht hier nochmal mit einem Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben an eine Kundin einen (neuen) Schreibtisch verkauft. Die Gewährleistungsansprüche würden nach dem Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist am 31. Dezember verjähren. Am 15. November tritt allerdings ein Materialfehler, also ein Mangel, erstmals in Erscheinung. Aufgrund der Ablaufhemmung wird die Verjährung daher um vier Monate, also bis März, gehemmt. Warum? Damit Ihre Kundin – ggf. nach Einholung eines Rechtsrates – ausreichend Zeit hat, vor Ablauf der Verjährungsfrist ihre Gewährleistungsrechte geltend zu machen.
 
Wie gesagt, das ist neu seit 2022; gilt aber auch nur im B2C-Verhältnis! Daher gilt auch in Bezug auf das Verjährungsrecht: Keep up to date!

 
Unser Tipp 

Bei Verjährungsfristen und AGB ist besondere Vorsicht geboten! Wenn Sie Ihre AGB mit dem Trusted Shops Rechtstexter erstellen, brauchen Sie sich darüber keine Gedanken zu machen – sie sind stets auf dem neusten Stand. Für Ihren Online-Shop und Ihre Prozesse gilt: Verstehen Sie die Besonderheiten bei B2B- und B2C-Verkäufen, setzen Sie Verjährungsfristen angemessen sowie rechtskonform und bedenken Sie die Ablaufhemmung. Wenn Sie diese Tipps befolgen, kann Ihnen das Fristen-Rodeo wohl kaum etwas anhaben.  
Legal Products Kund*innen finden weitere Informationen zum Gewährleistungsrecht in unserem Whitepaper “Gewährleistungsrecht bei Kaufverträgen” in ihrem Legal Account.


30.08.23
Florian Güster, MBA

Florian Güster, MBA

Seit 2021 ist er als Legal Consultant bei Trusted Shops sowie Rechtsanwalt bei FÖHLISCH mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.

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