Vorsicht bei der Verwendung von „Tell a friend-Marketing“

Inhaltsverzeichnis:

1. Was ist “Tell a friend-Marketing”?
2. Grundsätzliche Unzulässigkeit von E-Mail-Werbung ohne Einwilligung
3. BGH erklärt „Tell a friend-Marketing“ für unzulässig
4. Ist „Tell a friend-Marketing“ unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt?
5. Unser Tipp 

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Rat und Empfehlungen von Freund*innen nimmt man sich zu Herzen. Wenn man ein neues Produkt ausprobiert, warum es dann nicht weiterempfehlen? Werbung mit Kundenempfehlungen oder „Tell a friend-Marketing“ ist authentisch und deshalb bei Online-Händler*innen sehr beliebt.

Doch Vorsicht: „Tell a friend-Marketing“ ist in der Regel unzulässig. Warum das so ist und ob es unter bestimmten Voraussetzungen doch erlaubt sein kann, erfahren Sie in diesem Rechtstipp der Woche.

 

Was ist “Tell a friend-Marketing”?

Das „Tell a friend-Marketing“ ist eine Form der Laienwerbung, bei der die Werbebotschaft nicht durch das Unternehmen selbst, sondern durch die Kundschaft verbreitet wird. Die Unternehmerin oder der Unternehmer sieht dazu oftmals eine Empfehlungsfunktion auf der Webseite vor, über die Kund*innen die E-Mail-Adresse einer anderen Person eingeben können, die noch nicht im Shop eingekauft hat. Der „Freund“ oder die „Freundin“ erhält dann eine E-Mail mit einem vorgefertigten Empfehlungstext zu einem bestimmten Produkt oder Unternehmen. Im Gegenzug erhalten die empfehlenden Kund*innen oftmals eine Prämie. 

Was für Sie ein einfacher Klick ist, ist für das Unternehmen eine kostengünstige Werbemaßnahme, die im besten Fall zum Gewinn neuer Kund*innen führt. 

Aber was ist mit den „Freund*innen“, deren E-Mail-Adressen an das Unternehmen weitergegeben wurden? Genau hierin steckt das Problem des „Tell a friend-Marketings“. 

 

Grundsätzliche Unzulässigkeit von E-Mail-Werbung ohne Einwilligung

E-Mail-Werbung, die ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung der Adressatin, bzw. des Adressaten verschickt wird, stellt eine unzumutbare Belästigung dar und ist damit unzulässig (§ 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG). Beim „Tell a friend-Marketing“ liegt eine Einwilligung der „Freund*innen“, welche die E-Mail mit der Empfehlung erhalten, in der Regel nicht vor. 

Andererseits ist es natürlich jedem*r erlaubt, sich gegenüber seinen Freund*innen in einer privaten E-Mail positiv über ein Unternehmen zu äußern und Empfehlungen zu Produkten zu geben, die er odersie bereits selbst ausprobiert hat. 

Gilt das auch, wenn ein Unternehmen die Empfehlungsfunktion auf seiner Seite anbietet und gegebenenfalls sogar Anreize zu ihrer Nutzung schafft?

 

BGH erklärt „Tell a friend-Marketing“ für unzulässig 

Im Jahr 2013 hat der BGH entschieden, dass eine E-Mail, die von einer Kundin oder einem Kunden an eine*n Dritte*n unverlangt versendet wird, nicht anders zu beurteilen ist als eine Werbe-E-Mail des Unternehmens selbst, wenn das Unternehmen auf seiner Webseite die Möglichkeit schafft, Empfehlungs-E-Mails an Dritte zu verschicken. Die Weiterempfehlung per E-Mail ist also als Werbung des empfohlenen Unternehmens einzustufen und nicht der empfehlenden Kund*innen.

Die Empfänger*innen dieser Werbe-E-Mail hätten nicht in diese Art Werbung eingewilligt und könnten sich praktisch nicht zur Wehr setzen. Durch die E-Mail-Werbung würden die Empfänger*innen in unzumutbarer Weise belästigt.

Dabei sei es ohne Bedeutung, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse durch eine*n Dritte*n, nämlich den Kund*innen, zurückgeht. Maßgeblich sei, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mail auf die gerade zu diesem Zweck zur Verfügung gestellte Weiterempfehlungsfunktion des Unternehmens zurückginge und das Unternehmen bei der Empfängerin oder einem Empfänger einer Empfehlungs-E-Mail als Absender erscheine.

Im Jahr 2016 stufte der BGH (Urteil v. 24.1.2014 –5 U 42/12) auch die E-Mails, die mit dem „Freunde-Finder“ von Facebook verschickt wurden, als unzumutbare belästigende  E-Mail-Werbung, und damit als Wettbewerbsverstoß, ein. Facebook stellte bei der Registrierung eine Anwendungsoption „Freunde finden“ zur Verfügung, mit der die Nutzer*innen das Durchsuchen ihres E-Mail-Kontos und das Importieren von E-Mail-Adressen veranlassen konnten. Waren die Kontaktpersonen noch kein Mitglied von Facebook, konnten ihnen sodann Einladungen per E-Mail verschickt werden. Die Personen, die in der E-Mail zur Registrierung bei Facebook aufgefordert wurden, hatten nicht in die E-Mail-Werbung eingewilligt.

Der BGH hat das „Tell a friend-Marketing“ also bisher als unzulässig angesehen. Es ist unlauter und kann demensprechend abgemahnt werden.

 

Ist „Tell a friend-Marketing“ unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt?

Ob „Tell a friend-Marketing“ unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt. Der BGH hat in seinen Urteilen die E-Mails der Kund*innen an „Freund*innen“ den werbenden Unternehmen zugerechnet und sie aufgrund der fehlenden Einwilligung als unzumutbare Belästigung eingestuft. Die Urteile anderer Gerichte zeigen aber, dass man die Sache auch anders sehen kann.

So heißt es z. B. in einem Urteil des Kammergerichts Berlin (Urteil v. 24.1.2014 - 5 U 42/12) über die Zulässigkeit der Freunde-Finden-Funktion von Facebook: 

„Es kann an einer E-Mail-Werbung des Unternehmens fehlen, wenn das Unternehmen zwar Nutzer auffordert, anderen Verbrauchern Einladungs-E-Mails zu übersenden, das Unternehmen dabei aber nur technische Hilfe leistet, damit die Nutzer bequem eine solche eigene persönliche Einladungs-E-Mail an Verwandte, Freunde und Bekannte versenden können. […] Eine solche Einladungs-E-Mail ist allein dem privaten Nutzer zuzurechnen, wenn dieser sich in Kenntnis aller wesentlichen Umstände – und damit eigenverantwortlich – zur Versendung dieser E-Mails entschließt. Der auch für das Unternehmen werbende Effekt wird dabei durch den privaten Zweck der Einladungs-E-Mails verdrängt. Denn dem Nutzer geht es dabei allein darum, mit den von ihm Eingeladenen ebenfalls über das soziale Netzwerk und die von diesem gebotenen Vorteile kommunizieren zu können“.

Obwohl das Gericht die Freunde-finden-Funktion im vorliegenden Fall für unzulässig erklärte, deutet es an, dass das „Tell a friend-Marketing“ nicht per se rechtswidrig sein muss. 

Nach Ansicht des OLG Nürnberg (Urteil v. 25.10.2005 - 3 U 1084/05) wäre das „Tell a friend-Marketing“ nicht als wettbewerbswidrig zu qualifizieren, wenn die E-Mail eine reine Produktempfehlung enthalten würde, deren Versand allein auf dem Entschluss der Kund*innen beruhte. 

Nach dem LG Berlin (Beschluss v. 18.08.2009 – 15 S 8/09) haftet, wer in einem Online-Shop eine „Tell a friend-Funktion“ anbietet, zumindest wenn sie oder er finanzielle Anreize für den Versand der werbenden E-Mails setzt.

Obwohl nicht alle Gerichte das „Tell a friend-Marketing“ für grundsätzlich rechtswidrig erklären, ist besondere Vorsicht geboten. Zwar gestaltet sich jeder Einzelfall anders; dennoch ist eine Linie der Rechtsprechung zu erkennen, nach der „Tell a friend-Marketing“ nicht oder nur in ganz engen Grenzen zulässig ist. Insbesondere hat der BGH zweimal gegen die Zulässigkeit von „Tell a friend-Marketing“ entschieden.

 

Unser Tipp

Falls Sie dennoch mit „Tell a friend-Funktionen“ werben wollen, sollten Sie unbedingt die folgenden Punkte beachten, um das Risiko einer Rechtsverletzung und Abmahnung wenigstens zu reduzieren: Der oder die empfehlende Kunde*in – nicht Sie – sollte Absender*in der E-Mail sein. Die E-Mails sollten keine weitergehende Werbung wie z.B. anstehende Rabattaktionen etc. enthalten, sondern lediglich die Weiterempfehlung. Außerdem sollten Sie darauf achten, dass pro Absender*in nur eine Empfehlung möglich ist und dass auch Empfänger*innen nicht mehr als eine Empfehlung erhalten können. Sie sollten zuletzt keine Anreize zur Weiterempfehlung wie Prämien oder Rabatte für die empfehlenden Kund*innen schaffen.

 

Über die Autorin


Scarlett Lüning

Scarlett Lüning ist Legal Consultant bei Trusted Shops und Rechtsanwältin bei FÖHLISCH. Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Passau mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationsrecht. Referendariat im Bezirk des Oberlandesgericht Düsseldorf. 2017-2021 Tätigkeit als Rechtsanwältin bei der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE. Zahlreiche Beiträge und Vorträge zum Thema Influencer Marketing.

01.12.22

Scarlett Lüning

Scarlett Lüning ist Rechtsanwältin der Kanzlei FÖHLISCH und als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig.

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