Widerrufsrecht - diese 7 häufigen Irrtümer sollten Sie vermeiden

 
Bestellen Verbraucher*innen online statt in ein Geschäft zu gehen, können sie die Produkte vor ihrer Kaufentscheidung nicht anfassen oder anprobieren. Daher steht ihnen bei sog. Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu, d.h. sie können sich innerhalb von 14 Tagen anders entscheiden, somit die Ware an Sie zurückgeben und das Geld von Ihnen zurückbekommen. Das Verbraucherwiderrufsrecht ist zwingend, Sie können es als Online-Händler*in in den AGB nicht ausschließen.
 
Klingt doch soweit ganz logisch. Aber die genauen Voraussetzungen, Ausnahmen und Rechtsfolgen sind oft anders, als viele denken. In diesem Rechtstipp der Woche machen wir Schluss mit sieben häufigen Irrtümern über das Widerrufsrecht und zeigen Ihnen, wie es richtig geht.
 

Irrtum Nr.1: Nach Benutzung oder bei Beschädigung der Ware erlischt das Widerrufsrecht.

Nein, aber Sie können ggf. Wertersatz verlangen.
 
Verbraucher*innen dürfen die Ware prüfen und ausprobieren, wie sie es auch in einem Geschäft dürften. Verliert die Ware jedoch dadurch an Wert, dass ein*e Verbraucher*in mit der Sache in einer Weise umgegangen ist, die nicht für die Prüfung ihrer Beschaffenheit, Eigenschaften oder Funktionsweise notwendig war, muss diese*r Ihnen Ersatz für den Wertverlust leisten. Voraussetzung ist, dass Sie die oder den Verbraucher*in ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert haben.
 
Bei unsachgemäßer Benutzung kann der*die Verbraucher*in den Vertrag also immer noch widerrufen. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, Sie haben jedoch einen Anspruch auf Wertersatz und bleiben daher nicht ungeschützt.
 

Irrtum Nr. 2: Bei Verträgen über die Bereitstellung von digitalen Inhalten gibt es kein Widerrufsrecht.

Doch, grundsätzlich schon. Das Widerrufsrecht kann jedoch vorzeitig erlöschen. Voraussetzung dafür ist,

  • dass Sie vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Vertragserfüllung begonnen haben,

  • die oder der Verbraucher*in Kenntnis davon bestätigt hat, dass durch Zustimmung mit Beginn der Vertragsausfüllung sie oder er das Widerrufsrecht verliert, und

  • Sie der oder dem Verbraucher*in eine Bestätigung des Vertrages gem. § 312f BGB zur Verfügung gestellt haben.

Erfüllen Sie eine dieser Voraussetzungen nicht, indem Sie bspw. keine Zustimmung einholen, bevor Sie mit der Vertragsausführung beginnen, erlischt das Widerrufsrecht der Verbraucherin oder des Verbrauchers nicht vorzeitig.

Irrtum Nr. 3: Bei personalisierten Waren und Hygieneartikeln gibt es kein Widerrufsrecht.

Jein. Richtig ist, dass für personalisierte Waren und Hygieneartikel eine gesetzliche Ausnahme vom Widerrufsrecht gilt. Diese besteht allerdings nicht pauschal für alle personalisierten Waren oder alle Hygieneartikel.

§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB sieht vor, dass kein Widerrufsrecht besteht bei Verträgen „zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind“.

Nach der Rechtsprechung gilt die Ausnahme vom Widerrufsrecht aber nur, wenn Ihnen durch die Rücknahme der personalisierten Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Das ist dann nicht der Fall, wenn Sie die Ware oder ihre Einzelteile ohne allzu großen Aufwand anderweitig verwenden oder verkaufen können.

Bei Hygieneartikeln ist das Widerrufsrecht gem. § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nur ausgeschlossen, wenn

  • die Ware mit Versiegelung an die Verbraucherin oder den Verbraucher geliefert wurde,

  • die Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet ist und

  • ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Auch hier kommt es nach der Rechtsprechung auf die Möglichkeit zur Weiterverwertung für Sie als Händler*in an. Ist diese auch bei einer Reinigung aus Gesundheits- oder Hygienegründen ausgeschlossen, besteht das Widerrufsrecht nicht.

Die Rechtsprechung zu diesen beiden Ausnahmen ist sehr vielfältig. Einzelne Grundsätze lassen sich nur schwer festsetzen. Es kommt sehr stark auf den Einzelfall an. In unseren Rechtstipps der Woche zu diesen beiden Ausnahmen vom Widerrufsrechts erfahren Sie Einzelheiten und wichtige Entscheidungen der Rechtsprechung:

Kundenspezifikationen – Widerrufsrecht ja oder nein?

Hygieneartikel widerrufen - geht das?

Irrtum Nr. 4: Die Rücksendekosten müssen die Verbraucher*innen tragen.

Hat die oder der Verbraucher*in das Widerrufsrecht geltend gemacht, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen das mit sich bringt.

Die Kosten für die Rücksendung der Ware zu Ihnen trägt die oder der Verbraucher*in nicht automatisch. Das Gesetz sieht vor, dass Verbraucher*innen die Kosten der Rücksendung nur tragen, wenn Sie diese über diese Pflicht unterrichtet haben. Ohne korrekte Unterrichtung tragen demnach Sie als Unternehmer*in die Rücksendekosten. Sie tragen die Kosten auch dann, wenn Sie sich bereit erklärt haben, die Rücksendekosten zu tragen.

Irrtum Nr. 5: Die Hinsendekosten bekommen Verbraucher*innen nicht erstattet.

Doch. Das Gesetz sieht vor, dass Sie Zahlungen der Verbraucherin oder des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren müssen. Dies gilt nicht, soweit ihr oder ihm zusätzliche Kosten entstanden sind, weil die Entscheidung auf eine andere Art der Lieferung als die von Ihnen angebotene günstigste Standardlieferung fiel, z.B. auf eine Expresslieferung.

Irrtum Nr. 6: Verbraucher*innen müssen die Ware in der Originalverpackung zurücksenden.

Nein, eine solche Pflicht sieht das Gesetz nicht vor. Deshalb dürfen Sie die Wirksamkeit des Widerrufsrechts auch nicht davon abhängig machen, dass die oder der Verbraucher*in die Ware in der Originalverpackung zurückgeschickt hat. Solche AGB-Klauseln sind regelmäßig unwirksam.
 
Allerdings darf diese*r die Ware für die Rücksendung auch nicht irgendwie verpacken – die Ware muss ausreichend vor möglichen Transportschäden geschützt sein.
 

Irrtum Nr. 7: Statt der Rückzahlung kann Verbraucher*innen ein Gutschein ausgestellt werden.

Grundsätzlich ist das nicht so. Sie müssen für die Rückzahlung dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das die oder der Verbraucher*in bei der Zahlung verwendet hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und der oder dem Verbraucher*in dadurch keine Kosten entstehen.
 
Nach dieser Regel können Sie im Falle des Widerrufs einen Gutschein ohne ausdrückliche Vereinbarung nur ausstellen, wenn die oder der Verbraucher*in die Ware bereits durch Einlösung eines Gutscheins gekauft hat.
 

Unser Tipp

Der Widerruf ist im B2C-Geschäft ein elementarer Bestandteil. Deshalb lohnt es sich, hier besonders gut Bescheid zu wissen. Diese sieben Irrtümer zu vermeiden ist schon mal ein guter Anfang. Da die Rechtsprechung jedoch vielfältig ist und es – wie so oft – auf den Einzelfall ankommt, ist unser Tipp: Treffen Sie keine vorschnellen Entscheidungen, ohne sich genauer mit dem Widerrufsrecht und der Rechtsprechung dazu befasst zu haben. Schließen Sie das Widerrufsrecht insbesondere nicht vorschnell aus und machen Sie sich genau klar, welche Rechtsfolgen Sie im Falle des Widerrufs durch Verbraucher*innen treffen.
 

Über die Autorin


Autorin Anne Lehmann

Anne Lehmann , LL.M., ist Legal Consultant bei Trusted Shops im Bereich Legal Services. Bachelor an der Hanse Law School in Vergleichendem und Europäischem Recht sowie Master in Unternehmensrecht in Internationalem Kontext an der HWR Berlin. Im Rahmen ihrer Tätigkeit war sie ab 2013 zunächst für die Prüfung von Online-Shops der Märkte DACH, NL sowie UK zuständig und verantwortete das Key Account Operational Management. Seit 2017 betreut sie die Trusted Shops Legal Produkte und beschäftigt sich intensiv mit den für Online-Händler relevanten Rechtsgebieten.

06.09.23
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