Lieferzeitangaben: Auf diese Formulierungen sollten Sie besser verzichten! (Update)

Inhaltsverzeichnis:

1. Die Angabe eines Liefertermins ist verpflichtend und verbindlich
2. Welche Lieferzeitangaben dürfen Sie verwenden?
3. Welche Lieferzeitangaben sollten Sie vermeiden?
4. Lieferzeitangaben bei vorübergehend nicht lieferbaren Artikeln
5. Wo sollten Sie die Lieferzeitangaben darstellen?
6. Unser Tipp

 

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Die Angabe einer möglichst kurzen Lieferzeit ist ein entscheidendes Verkaufsargument und daher im Online-Handel von zentraler Bedeutung. Allerdings sind Sie bei der Ausgestaltung der Lieferzeiten nicht gänzlich frei, sondern gesetzlichen Vorgaben unterworfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Online-Shops hinsichtlich der Kalkulation der Lieferzeit von der eigenen Belieferung durch den Lieferanten und dem eingesetzten Transportunternehmen abhängig sind. Die Zulässigkeit der Ausgestaltung von Lieferzeitangaben beschäftigt häufig die Rechtsprechung und es bestehen zahlreiche Urteile zu unzulässigen Lieferzeitangaben.

Wir möchten Ihnen in diesem Rechtstipp gerne aufzeigen, welche Stolpersteine bei der Angabe von Lieferzeiten drohen und Ihnen einen Überblick über die ergangene Rechtsprechung geben.

 

Die Angabe eines Liefertermins ist verpflichtend und verbindlich

Im Fernabsatz müssen Sie eine Vielzahl von Informationspflichten beachten und erfüllen. Diese sollen Informationsdefiziten entgegenwirken, die insbesondere dadurch entstehen können, dass Verbraucher die Waren anders als im stationären Handel nicht physisch wahrnehmen können.

Online-Shops sind daher nach Art. 246 a § 1 Abs.  1 S. 1 Nr. 7 EGBGB (ab dem 28.05.2022 nach Art. 246 a § 1 Abs.  1 S. 1 Nr. 10 EGBGB) verpflichtet, Verbrauchern vor dem Vertragsschluss einen „Termin“ mitzuteilen, zu dem die Lieferung der Ware erfolgt.

Der Liefertermin wird nach § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB Vertragsbestandteil, sofern die Vertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren und ist daher für Sie verbindlich.

Welche Rechtsfolgen drohen, wenn Sie die angegebene Lieferzeit nicht einhalten, haben wir in unserem Rechtstipp „Lieferzeit nicht eingehalten - welche Rechtsfolgen drohen bei Verzug?“ für Sie zusammengefasst.

 

Welche Lieferzeitangaben dürfen Sie verwenden?

Allerdings ist die Nennung eines konkreten Liefertermins in Form eines Datums nicht erforderlich. Vielmehr genügt die Angabe einer abstrakten Lieferfrist. Es ist daher zulässig, auf Zeitspannen wie z. B. „Lieferzeit 1 – 3 Tage“ oder „Lieferzeit 1 - 2 Wochen“ zurückzugreifen.

Entscheidend ist, dass der Tag, an dem die Ware spätestens eintrifft, eindeutig bestimmt ist und vom Verbraucher ermittelt werden kann. Sie müssen daher über den spätestmöglichen Liefertermin der Ware präzise informieren.

Nach der Ansicht des OLG München (Beschluss v. 8.10.2014 – 29 W 1935/14) ist die Angabe einer „ca.“-Lieferzeit sowie die Angabe in Werktagen zulässig, da diese den spätesten Liefertermin konkret festlegt:

„Lieferzeit ca. 2 – 4 Tage“, Lieferzeit ca. 2 – 4 Werktage

Sie können die Lieferzeitangabe grundsätzlich durch eine Angabe Ihrer Versandbereitschaft ergänzen:

„Sofort versandfertig, Lieferzeit 1 – 3 Tage“

Sofern eine Angabe der Versandbereitschaft erfolgt, sollten Sie darauf achten, dass keine Widersprüche zwischen den einzelnen Angaben entstehen und die angebotene Ware tatsächlich bei Ihnen vorrätig ist.

 

Welche Lieferzeitangaben sollten Sie vermeiden?

Die Angabe eines Liefertermins ist daher kein Marketinginstrument, sondern dient vielmehr der Erfüllung Ihrer gesetzlichen Informationspflichten. Sie soll eine informierte Entscheidung ermöglichen und es gilt der Grundsatz, dass die Angabe der Lieferzeit so präzise wie möglich zu erfolgen hat.

Versuchen Sie nicht, Ihre Lieferzeiten durch Relativierungen offen zu halten, um etwaige Verspätungen im Versand oder Störungen in der Lieferkette auszugleichen. Unverbindliche oder unklare Lieferzeiten erfüllen die Anforderungen an die gesetzliche Informationspflicht nicht und sind zu vermeiden.

Die Bestimmungen von Lieferfristen stellen regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen dar und somit sind auch die Bestimmtheitsanforderungen des § 308 Nr. 1 BGB zu berücksichtigen.

Die Rechtsprechung hat insbesondere die folgenden Lieferzeitangaben für unzulässig erachtet:

  • „Voraussichtliche“ Lieferzeiten

Das OLG Bremen (Urteil v. 5. 10. 2012 – 2 U 49/12) hält die Angabe „Voraussichtliche Lieferzeit: 1-3 Werktage“ nicht für gesetzeskonform und erblickt darin einen Verstoß gegen
§ 308 Nr. 1 BGB. Die Lieferzeit ist von einer subjektiven Einschätzung abhängig und es ist nicht deutlich, welche Lieferfrist gilt, sofern die Vorhersage nicht zutrifft.

  • „Lieferzeiten sind unverbindlich“

Es ist nach dem OLG Frankfurt am Main (Urteil v. 10. 11. 2005 - 1 U 127/05) unzulässig, in den AGB eine Klausel einzufügen, wonach „Angaben über die Lieferfristen unverbindlich sind, soweit nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich und schriftlich zugesagt wurde“.

  • „Lieferzeit nach Zahlungseingang“

Bestimmtheitsprobleme ergeben sich nach dem OLG Hamm (Urteil v. 12.1.2012 - I-4 U 107/11) ebenso, wenn die Lieferzeit an den Zahlungseingang geknüpft wird. Unzulässig ist danach die Angabe der Lieferfrist mit „in der Regel 3–4 Arbeitstage nach Zahlungseingang”.

  • Lieferzeit „in der Regel“

Eine Lieferzeit mit dem Zusatz „in der Regel“ ist nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main (Beschluss v. 27. 7. 2011 – 6 W 55/11) nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam. Der Vertragspartner könne nicht erkennen, nach welchen Maßstäben sich der Regelfall richtet und welche Frist im Ausnahmefall gilt.

Dies gilt nach Ansicht des OLG Bremen (Beschluss v. 8. 9. 2009 – 2 W 55/09) insbesondere für eine Klausel, nach der die „Lieferzeit in der Regel 1–2 Tage bei DHL-Versand“ in Anspruch nimmt, da hierbei zusätzlich unklar ist, welche Lieferzeit bei einem Versand mit einem anderen Transportunternehmen gilt.

Das OLG Hamm (Urteil v. 19.8.2021 – 4 U 57/21) geht hingegen von der Zulässigkeit der Werbung mit einer „Lieferzeit i. d. R. 48 Stunden“ aus. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob andere Gerichte sich der Rechtsauffassung des OLG Hamm anschließen. Angesichts der divergierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte sollten Sie bis zu einer endgültigen höchstrichterlichen Klärung auf die Relativierung „in der Regel“ verzichten.

  • „Sofort lieferbar“

Darüber hinaus dürfen nach der Rechtsprechung nur Waren, die tatsächlich am nächsten Werktag nach der Bestellung versendet werden, als „sofort lieferbar“ gekennzeichnet werden. Sofern dies nicht der Fall ist, ist die Lieferzeitangabe nach dem LG Aschaffenburg (Urteil v. 19.08.2014 - 2 HK O 14/14) irreführend und daher lauterkeitswidrig.

  • „Lieferzeit auf Nachfrage“

Das OLG Hamm (Urteil v. 17.03.2009 - 4 U 167/08) sieht die Angabe „Lieferzeit auf Nachfrage“ als wettbewerbswidrige Irreführung an, sofern das beworbene Produkt wegen einer Nichtbelieferung durch den Hersteller nicht zuverlässig lieferbar ist.

  • „Der Artikel ist bald verfügbar“

Nach Ansicht des OLG München (Urteil v. 17. 5. 2018 – 6 U 3815/17) ist es nicht ausreichend, sofern im Online-Shop nur der Hinweis „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“ vorgehalten wird. Die Angabe lässt weder einen Termin noch einen hinreichend bestimmbaren Lieferzeitraum erkennen, da dieser vollständig offenbleibt.

 

Lieferzeitangaben bei vorübergehend nicht lieferbaren Artikeln

Häufig stellt sich die Frage, wie die Lieferzeiten von vorübergehend nicht lieferbaren Artikeln anzugeben sind. In diesen Fällen steht der Zeitpunkt für eine Belieferung durch den eigenen Lieferanten entweder nicht fest oder liegt noch weit in der Zukunft. Dies führt zu den folgenden Problemen bei der Lieferzeitangabe.

Sofern Sie von Ihrem Lieferanten eine Lieferzeit erhalten haben und diese in Ihrem Online-Shop angeben, muss die Lieferzeit bei einem Vertragsschluss auch eingehalten werden. Das Überschreiten der vereinbarten Lieferfrist führt dazu, dass Sie sich mit der Erfüllung Ihrer Leistungspflicht in Verzug befinden.

Außerdem besteht die Gefahr, dass die Angabe einer unangemessen langen Lieferfrist nach
§ 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Die Angemessenheit einer Lieferfrist ist für den konkreten Einzelfall im Wege einer Interessenabwägung zu ermitteln und abhängig von der angebotenen Ware.

Während nach dem Kammergericht Berlin (Beschluss v. 3. 4. 2007 - 5 W 73/07) eine Lieferfrist von 14 Tagen im Online-Handel grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dürfte eine Lieferzeit von 6 Wochen für Artikel, die nicht zunächst auf Kundenwunsch angefertigt werden müssen, unzulässig sein.

Angesichts dieser Vorgaben sollten Sie die technische Bestellmöglichkeit für Artikel, deren Lieferzeit nicht feststeht oder unangemessen lang ist, für den Zeitraum bis zu ihrer Verfügbarkeit deaktivieren.

Sie können z. B. auf den Status "Artikel aktuell nicht lieferbar" zurückgreifen oder Ihrer Kundschaft die Möglichkeit einer unverbindlichen Reservierung einräumen. Es ist jedoch sicherzustellen, dass eine Bestellung tatsächlich nicht möglich ist.

 

Wo sollten Sie die Lieferzeitangaben darstellen?

Die erforderliche Angabe zur Lieferzeit sollte grundsätzlich auf der jeweiligen Produktdetailseite erfolgen, da die Lieferzeit der jeweiligen Artikel variieren kann.

Schwierigkeiten bereitet die Lieferzeitangabe, wenn Sie einen Auslandsversand anbieten, da die Lieferung in das Ausland zumeist deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Sofern Sie keine Ländershops vorhalten, besteht die Möglichkeit, über die abweichenden Lieferfristen mithilfe einer gesonderten Versandinformationsseite zu informieren.

Diese Versandinformationsseite sollten Sie mit den innerdeutschen Lieferzeitangaben auf der Produktdetailseite durch einen sprechenden Link verknüpfen. Es ist erforderlich, transparent dazustellen, auf welche Länder sich die angegebenen Lieferzeiten beziehen und welche Lieferzeiten für das jeweilige Lieferland gelten.

 

Unser Tipp

Die Angabe einer Lieferzeit ist im Online-Handel nicht nur verpflichtend, sondern auch verbindlich. Die Rechtsprechung hat die gesetzlichen Anforderungen durch zahlreiche Urteile konkretisiert und klare Vorgaben aufgestellt, die Sie beachten sollten.

Die Verletzung Ihrer Informationspflicht und irreführende Angaben über die Lieferzeit stellen einen Lauterkeitsverstoß dar und bergen die Gefahr einer Abmahnung. Diese Gefahr lässt sich allerdings durch eine Orientierung an den Vorgaben der Rechtsprechung verringern.

Unverbindliche sowie unklare Lieferzeiten ohne die Nennung einer Endfrist erfüllen die Anforderungen an die Informationspflicht nicht und Relativierungen sind zu vermeiden. Entscheidend ist, dass der Tag, an dem die Lieferung spätestens bei dem Verbraucher eintrifft, eindeutig bestimmt ist.

 

Update: Diesen Tipp der Woche haben wir ursprünglich im August 2015 mit Madeleine Winter als Autorin veröffentlicht und jetzt für Sie noch einmal aktualisiert.

 

Über den Autor


Ralf Markard ist Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und absolvierte zusätzlich ein Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts an der Rheinischen Fachhochschule Köln mit dem Schwerpunkt Mergers & Acquisitions/Insolvenzen. Anschließend schloss er ein Masterstudium (Master of Laws) an der FernUniversität in Hagen ab. Seit 2019 ist er bei der Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Services tätig. Er setzt sich intensiv mit dem Wettbewerbs- und E-Commerce-Recht auseinander und betreut die Trusted Shops Legal Produkte.

 

10.03.22

Ralf Markard

Ralf Markard ist als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig und betreut die Trusted Shops Legal Produkte.

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