Was, wenn beim Transport etwas schiefgeht?
Wer haftet bei Transportverlust und Schäden? Was, wenn das Paket nicht ankommt? Diese und weitere für Händler wichtige Fragen beantworten wir im Beitrag.
Inhaltsverzeichnis:
1. Was ist Blickfangwerbung?
2. Warum kann Blickfangwerbung problematisch sein?
3. Das 3-Stufen-Modell
4. Das „Einbauküchen“-Urteil
5. Das „Schlafzimmer komplett“ Urteil
6. Das „All Net Flat“ Urteil
7. Wie muss denn nun ein Korrekturhinweis aussehen?
8. Verwandtes Thema: Preisermäßigungen
9. Unser Tipp
Schlafzimmer komplett 1499 Euro! Na ja, die Matratze ist nicht dabei. Und der Lattenrost nicht. Und die Deko auch nicht. Aber ansonsten schon komplett!
Sie merken: So richtig komplett ist das Schlafzimmer ohne Matratze und Lattenrost nicht. Dürfen Sie dann überhaupt mit „Schlafzimmer komplett“ werben? Und wenn ja: Wo muss denn ein klarstellender Hinweis erfolgen? Und welche Rolle spielt das überhaupt für Ihren Online-Shop?
Diese Fragen beantworten wir in unserem neuen Rechtstipp der Woche.
Unter Blickfangwerbung versteht man das Herausstellen einzelner Werbeaussagen gegenüber dem Rest einer Werbung. Eine solche Gestaltung soll die Aufmerksamkeit der Kundschaft besonders auf einzelne Aussagen lenken. Das Herausstellen kann dabei durch eine besonders große Schriftart, farbliche Betonung oder durch die Anordnung der Aussage erfolgen.
Blickfangwerbung ist dann problematisch, wenn die herausgestellte Aussage Verbraucherinnen und Verbraucher irreführen kann. Eine Irreführung kann grundsätzlich auf zwei Arten entstehen: durch Tun oder durch Unterlassen.
Eine Irreführung entsteht entweder durch eine unrichtige Aussage oder durch das Vorenthalten wichtiger Informationen. Der häufigere Fall bei der Blickfangwerbung ist, dass unrichtige Aussagen herausgestellt und dann nicht ausreichend korrigiert werden, sodass eine Fehlvorstellung bei der Kundin oder beim Kunden entsteht.
Wann eine Korrektur auf welche Weise erfolgen muss, kann nicht pauschal beantwortet werden, vielmehr kommt es hier (wie so oft) auf den Einzelfall an. Die Rechtsprechung hat sich hier mit einer Vielzahl von Fällen beschäftigt und das 3-Stufen-Modell entwickelt.
Blickfangwerbung kann in drei Fallgruppen eingeteilt werden, welche dann entsprechend unterschiedlich zu bewerten sind.
1. Der Blickfang enthält eine „dreiste Lüge“. Wenn die im Blickfang herausgestellte Aussage für sich genommen komplett unrichtig ist und für die Aussage kein vernünftiger Anlass besteht, dann kann auch ein klarstellender Hinweis nicht mehr helfen. Eine Werbung mit dreister Lüge im Blickfang ist unzulässig.
Beispiel: Eine Werbung behauptet, es gebe 20 % Rabatt auf das gesamte Sortiment, obwohl dies in keinem Fall zutrifft.
2. Enthält der Blickfang keine dreiste Lüge, sondern eine nicht ganz richtige oder unscharfe Aussage, so können Sie diese Aussage durch klarstellende Angaben aufklären. Der klarstellende Hinweis muss grundsätzlich am Blickfang teilhaben, jedoch gibt es hier auch Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn zu erwarten ist, dass die Verbraucherin oder der Verbraucher einen solchen Hinweis auch außerhalb des Blickfangs zur Kenntnis nimmt.
Beispiel: Eine Werbung behauptet, es gebe 20 % Rabatt auf das gesamte Sortiment, jedoch gilt das nur ab einem bestimmten Bestellwert.
3. Fehlvorstellungen, die durch nur mittelbar im Blickfang enthaltene Aussagen enthalten sind, können Sie unter Umständen durch allgemeine Hinweise bereinigen.
Beispiel: Durch eine Prospektwerbung entsteht bei der Kundschaft der Eindruck, das Produkt stehe beim Geschäft abholbereit zur Verfügung. Diese Vorstellung können Sie durch einen allgemeinen Hinweis in der Fußzeile ausräumen: „Keine Mitnahmegarantie. Sofern nicht vorhanden, gleich bestellen. Wir liefern umgehend.“
In jüngerer Vergangenheit entschied das OLG Nürnberg (Beschl. v. 16.8.2022 – 3 U 747/22) über eine objektiv unzutreffende Werbeaussage in der Blickfangwerbung eines Küchenhändlers.
In dem konkreten Fall warb die Beklagte mit dem Angebot „33 % auf alle Küchen + Gratis Backofen“. In einer Fußnote erklärte die Beklagte jedoch, dass der Rabatt von 33 % nur gewährt wird, wenn eine frei geplante Einbauküche ab einem Gesamtpreis von 6.900 Euro gekauft wird. Zusätzlich blieben verschiedene Küchenbestandteile bei der Berechnung unberücksichtigt.
Das OLG bewertete diese Werbeaussage als falsche Angabe einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache. Die anschließend hinzugefügte Fußnote konnte diesen Irrtum aufgrund des Fehlens eines vernünftigen Anlasses auch nicht korrigieren.
Des Weiteren erfüllte die Richtigstellung nicht die erforderlichen Voraussetzungen. Die Verwendung derselben Fußnote sowohl nach dem Wort „Küchen“ als auch nach dem Wort „Backofen“ führte nicht zu einem klaren und eindeutigen Hinweis. Darüber hinaus bestand die Gefahr, dass die Fußnote aufgrund des umfangreichen Textes nach der Blickfangwerbung aus dem Blickfeld der Kundin geriet.
Demzufolge ist es nicht möglich, Aussagen, die für sich genommen komplett unrichtig sind und für die auch kein vernünftiger Anlass besteht, allein durch einen erläuternden Zusatz richtigzustellen.
Weitere interessante Fälle finden auf der zweiten Stufe statt, wo im Blickfang irreführende Aussagen enthalten sind, die einer Korrektur bedürfen.
Im BGH-Urteil „Schlafzimmer komplett“ (Urteil vom 18.12.2014, Az.: I ZR 129/13) ging es um eine Prospektwerbung für ein Schlafzimmer. Dort wurde blickfangmäßig durch große Schrift herausgestellt „1499,- Schlafzimmer komplett“ und an anderer Stelle
„Komplett
- Drehtürenschrank
- Doppelbett
- Nachtkonsolen“
In kleiner Schrift wurde dann im Footer (Fußzeile) darüber informiert, dass die Lattenroste, Matratzen, Beimöbel und Deko nicht dabei sind. Durch die Blickfangwerbung „Komplett (…) Doppelbett“ wurde der Eindruck erweckt, dass das Bett im Preis enthalten sei.
Zunächst bejahte der BGH die Frage, ob Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund der Blickfangwerbung und des Produktbildes erwarten, dass die Matratzen und der Lattenrost im Preis inbegriffen sind.
Jedoch lehnte dieser im vorliegenden Fall eine mögliche Irreführungsgefahr ab. Er argumentierte, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auch ohne Sternchenhinweis durch klärende Angaben im weiteren Text aufgeklärt werden können, vorausgesetzt, dass sie sich vor einer Entscheidung aufgrund der Produktart oder des Produktpreises mit dem gesamten Text auseinandersetzen.
Für Unternehmen eröffnete diese Rechtsprechung größere Gestaltungsmöglichkeiten bei der Blickfangwerbung. Einen irreführenden Eindruck können Sie danach ohne einen am Blickfang teilhabenden Hinweis ausräumen, sofern:
1. zu erwarten ist, dass sich Kundinnen und Kunden eingehend mit der gesamten Werbeaussage befassen werden, und
2. der aufklärende Hinweis eindeutig, unmissverständlich und dazu geeignet ist, den bei der Kundschaft zuvor erweckten gegenteiligen Eindruck zu beseitigen und Verbraucherinnen und Verbraucher von einer auf Irrtum beruhenden geschäftlichen Entscheidung abzuhalten.
Jedoch wurde dieses Urteil in einigen Fällen als weitgehende Liberalisierung missverstanden und es erging später eine weitere wichtige Entscheidung des BGH, in welcher dieser Bewertung Grenzen gesetzt wurden.
In der „All-Net-Flat“ Entscheidung des BGH (Urteil vom 13.10.2015, Az.: I ZR 260/14) ging es um die Werbung für einen Mobilfunkvertrag. Die Werbung war recht unübersichtlich gestaltet und es ging im Wesentlichen um die Frage, ob Verbraucherinnen und Verbraucher ohne einen entsprechenden Sternchenverweis auf den Hinweis stoßen, dass eine Aktivierungsgebühr anfällt.
Der BGH führte aus:
„Die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, ist nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt“.
Diese vom BGH geforderten „engen Voraussetzungen“ sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die Werbung insgesamt intransparent ist und die klarstellenden Hinweise versteckt sind.
Das „Schlafzimmer komplett“ Urteil gibt also keinen Freibrief, klarstellende Hinweise einfach im Kleingedruckten zu verstecken. Vielmehr ist eine Klarstellung mit einem Hinweis, der nicht direkt am Blickfang teilhat, nur in engen Grenzen möglich.
Nach diesen wichtigen Entscheidungen gilt, dass ein klarstellender Hinweis grundsätzlich am Blickfang teilhaben muss. Das kann entweder durch einen aufklärenden Hinweis direkt im Blickfang erfolgen oder durch einen Sternchenverweis. Den Hinweis können Sie im Online-Bereich auch sprechend verlinken, das heißt, mit einem eindeutig bezeichneten und als solchen erkennbaren Link.
Der Hinweis muss nur dann nicht direkt im Blickfang enthalten sein, wenn nach den Gesamtumständen damit zu rechnen ist, dass die Verbraucherin oder der Verbraucher den Hinweis wahrnimmt. Wann das der Fall ist, lässt sich nicht pauschal beantworten.
Sicherlich spielt hier der Produktpreis eine Rolle:
Verbraucherinnen und Verbraucher werden Werbung für ein preiswertes Produkt eher beiläufig betrachten als Werbung für ein teures Produkt
Zudem wird es auf die Produktkategorie ankommen.
Befindet sich in der Blickfangwerbung eine objektiv unzutreffende und leicht zu vermeidende Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht, kann der dadurch erzeugte Irrtum jedoch nicht durch einen erläuternden Zusatz in Form einer Fußnote oder ähnlichem richtiggestellt werden!
Um Risiken auszuschließen, gilt es unzutreffende Aussagen zu vermeiden und Sternchenverweise direkt im Blickfang mit entsprechend transparenter Auflösung hinzuzufügen. So räumen Sie Fehlvorstellungen des Verbrauchers aus.
Ein ähnliches Thema ist das Werben mit Streichpreisen und prozentualen Ermäßigungen. Um Abmahnungen durch die falsche Darstellung von Preisermäßigungen zu vermeiden, empfehlen wir Ihnen unseren Rechtstipp der Woche: „Heiße Angebote – eiskalt erwischt: Worauf Sie bei Preisermäßigungen im Sommerschlussverkauf besonders achten sollten“.
Wenn Sie in Ihrer Werbung einzelne Aussagen blickfangmäßig herausstellen, müssen Sie darauf achten, dass diese Aussagen für sich genommen nicht komplett falsch sind. Wenn die Aussagen zumindest teilweise, aber eben nicht ganz richtig sind, ist ein Korrekturhinweis erforderlich, der eine Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher ausschließt.
Wie dieser konkret aussehen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Um Risiken auszuschließen, sollte der Hinweis zumindest per Sternchenverweis und transparenter Auflösung am Blickfang teilhaben. Entscheidend ist hier die zu erwartende Sicht der Kundschaft.
Update: Wir haben diesen Blogartikel im November 2019 veröffentlicht und im Mai 2023 für Sie aktualisiert.
Frieder Schelle ist Wirtschaftsjurist und als Teamleiter Legal Consultants bei Trusted Shops tätig. Frieder ist seit 2011 bei Trusted Shops und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Rechtsgebieten Wettbewerbsrecht, E-Commerce-Recht, Datenschutzrecht. Er ist Blog-Autor, Referent bei verschiedenen Veranstaltungen und betreut neben den Legal Products größere individuelle Rechtsberatungsprojekte.
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